Gefängnisse: Reform und Resozialisierung!

Dunkel, dreckig, eng, einsam, brutal, baufällig, abgeschottet, alt, überfüllt, übermächtig – so können Gefängnisse sein.

Wer Gefängnisse ausschließlich als Orte der Bestrafung versteht, den werden all diese Attribute kaum beunruhigen. Die Vorstellung von einem Straftäter, der im Kerker bei Wasser und Brot zur Vernunft kommt, hält sich hartnäckig. Nicht wenigen ist es deshalb immer noch recht, wenn Gefangene ihre Freiheitsstrafe unter Bedingungen verbüßen, die weitgehend mittelalterlichen Charakter haben.

Resozialisierungsgebot für den Strafvollzug

Dabei steht diese Vorstellung nicht nur im offenen Widerspruch zu den Vorgaben der Landestrafvollzugsgesetze. Auch aus dem Grundgesetz, namentlich aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1, lässt sich, wie das Bundesverfassungsgericht 1973 in seiner berühmten Lebach-Entscheidung klargestellt hat, ein Resozialisierungsgebot ableiten. Das bedeutet: Unser Strafvollzug hat die Wiedereingliederung der Gefangenen in die Gesellschaft zum Ziel; für Vergeltung und Sühne ist kein Platz. Klar ist aber auch: Es handelt sich um ein ambitioniertes Ziel. Denn unsere Gesellschaft befindet sich in einem ständigen Wandel. Zugleich ist jeder beziehungsweise jede Gefangene anders, und ein wirksames Resozialisierungskonzept muss nicht nur diese Punkte, sondern stets auch die Sicherheit der Bevölkerung im Auge behalten.

Trotzdem gibt es bereits Stimmen, die eine Abschaffung der Gefängnisse in ihrer bisherigen Form fordern. Ein prominenter Vertreter dieser Ansicht ist der Jurist und ehemalige Gefängnisdirektor Thomas Galli. Er weist in seinem 2020 erschienenen Buch „Weggesperrt – Warum Gefängnisse niemandem nützen“ mit Nachdruck auf die Ineffektivität des Systems Gefängnis hin. Für viele mag die Abschaffung der Gefängnisse nach Utopie klingen. Doch eines hat Gallis Buch jedenfalls gezeigt: Es besteht Reformbedarf, innerhalb wie außerhalb der Gefängnismauern, im Ganzen wie im Detail, jetzt und in Zukunft.

Gefängnisse hinken bei Digitalisierung und Entlohnung hinterher

Bestes Beispiel ist die Digitalisierung. Nicht wenige Gefängnisse hinken diesbezüglich hinterher (dazu auch die taz). So ist weder die notwendige Technik noch der Wille bei den Verantwortlichen vorhanden, auch Gefangene in einem angemessenen Umfang am Fortschritt der Digitalisierung teilhaben zu lassen. Ein Reformstau besteht auch bei der Gefangenenarbeit. Eine (im Verhältnis zur Außenwelt) faire Entlohnung der Gefangenen für ihre Arbeit findet nicht statt. Die Gefangenen arbeiten zumeist weit unter dem Mindestlohn. In vielen Bundesländern besteht zudem eine Arbeitspflicht (weitere Informationen).

Zugegeben, angesichts dieser Beispiele mag man auf den Gedanken kommen, dass es auch außerhalb der Gefängnismauern Menschen mit ähnlichen Problemen gibt. Menschen also, die keinen ausreichenden Zugang zu moderner Technik haben oder die nicht angemessen für ihre Arbeit entlohnt werden. Es wäre jedoch zynisch, dies als Argument gegen Reformen im Strafvollzug zu verwenden. Denn schon die Ausgangssituation der Gefangenen ist eine andere (wem das zu abstrakt klingt, der möge sich – was bereits vorgeschlagen wurde – als kleines Gefangenen-Selbstexperiment mit Proviant ein Wochenende lang im Badezimmer, maximal 10 qm, einschließen).

Gefängnisse als Teil unserer Gesellschaft

Wenn man die bisherigen Entwicklungen in deutschen Gefängnissen kritisch betrachtet, dann zeigt sich, dass die Landesjustizverwaltungen typischerweise wenig reformfreudig sind. Es überwiegen Sicherheitsbedenken, und die Themen Strafvollzug und Gefängnis gelten (kriminal-)politisch als unpopulär und als nicht prestigeträchtig. So verwundert es kaum, dass Reformen zumeist erst dann erfolgen, wenn sie von den Gerichten, allen voran vom Bundesverfassungsgericht, angemahnt werden.

Damit sollten wir uns indes nicht begnügen. Vielmehr sollten wir, um Vollzugshardlinern und Reformverweigerern nicht das Feld zu überlassen, Gefängnisse als das begreifen, was sie sind: ein Teil unserer Gesellschaft.

Deshalb ist Hinschauen angesagt. Dazu gehört es auch, den Blick dafür zu schärfen, dass Gefangene nicht allein und durch möglichst harte und inhumane Vollzugsbedingungen den Weg zurück in die Gesellschaft finden. Wir müssen uns bewusst machen, dass ihr Weg auch mit Scheitern verbunden sein kann, er aber schon dann jede Aussicht auf Erfolg verloren hat, wenn wir als Gesellschaft nicht auch bereit sind, Sicherheitsrisiken einzugehen, indem wir den Gefangenen gewisse Freiheiten zugestehen.


Ähnlich sieht es auch die Initiative “Freiheitsfonds. Raus aus der JVA“. Sie kauft Gefangene frei, die eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen “Fahrens ohne Fahrschein” absitzen müssen. Unsere Gastautorin Martha berichtet über eine Schreibgruppe, die sie als Jurastudentin in einer JVA geleitet hat.

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Dr. Lorenz Bode
Dr. Lorenz Bode
Der Beitrag gibt ausschließlich seine persönliche Auffassung wieder.

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