Böhmermann-Enthüllung: „Die Polizei ist nicht im Internet, oh nein!“ – Eine Draufsicht

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Er hat es wieder getan: Jan Böhmermann, Entertainer und Satiriker, hat in der aktuellen Ausgabe des „ZDF Magazin Royal“ eine neue Enthüllung gestartet. Diesmal ging es um das Thema Hasskriminalität im Internet.

Böhmermanns Team hatte in allen Bundesländern bei der Polizei dieselben Hasspostings angezeigt. Unter anderem ein Bild mit Hakenkreuz und „schwarzer Sonne“ sowie ausländerfeindliche Kommentare. Die einzelnen Ermittlungsverläufe samt Ergebnis gab Böhmermann in seiner Sendung bekannt, was für großes Aufsehen sorgte. Denn die Polizei hatte sich sichtlich schwer getan mit den Ermittlungen gegen die Hater – von Erfolgen gar nicht zu sprechen. Inzwischen laufen, wie Presseberichten zu entnehmen ist, in einigen Bundesländern sogar Verfahren wegen Strafvereitelung im Amt. Unter anderem gegen diejenigen Polizisten, die eine Anzeigenaufnahme schlicht verweigert hatten.

Abseits aller Empörung bietet die Böhmermann’sche Enthüllungsgeschichte Anlass für drei Anmerkungen aus strafrechtspraktischer Perspektive:

Polizei ist für Gefahrenabwehr zuständig

1. Eine echte Ungeheuerlichkeit ist das Ganze, möchte man meinen. Ist doch die Polizei gerade dazu da, Bürgerinnen und Bürger vor Straftaten zu schützen. Dabei gerät jedoch leicht aus dem Blick, dass die Polizei (gemeint sind hier die Polizeien von Bund und Ländern) sich in erster Linie um Gefahrenabwehr kümmert. So steht es in den jeweiligen Polizeigesetzen, etwa in § 1 I 1 PolG NRW, wo es unter der Überschrift „Aufgaben der Polizei“ heißt: „Die Polizei hat die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (Gefahrenabwehr).“

Das ist keine Entschuldigung oder Ausrede. Es verdeutlicht nur, dass die Strafverfolgung, um die es auch Böhmermann geht, nicht die Kernaufgabe der Polizei, sondern die der Staatsanwaltschaften ist (vgl. § 152 II StPO sowie § 160 I StPO). Unter deren Federführung werden Polizistinnen und Polizisten zwar auch bei der Strafverfolgung als sogenannte Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (vgl. § 163 III StPO) tätig. Die Verfahrenshoheit liegt jedoch bei der zuständigen Dezernentin beziehungsweise dem zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft.

Ist unsere Polizei überlastet oder faul?

2. Böhmermann zeigt sich angesichts der Dauer der Ermittlungen schockiert. Auch nach mehreren Monaten seien die Ermittlungen nicht abgeschlossen. Faul, unfähig oder einfach nur überlastet? Was ist los? Antwort: Wir wissen es nicht. Der Umstand allein, dass die Ermittlungen mehrere Monate andauern, ist kein sicherer Beleg dafür, dass Vermutungen der genannten Art zuträfen. Im Gegenteil. Im Falle von Internetkriminalität liegt man damit oft falsch. Denn die Ermittlungen können schnell um den ganzen Erdball reichen. Insbesondere dann, wenn sich die Server der betroffenen Plattformbetreiber im Ausland befinden und Ermittlungen nur im Wege der internationalen Rechtshilfe vorankommen können. Hinzu kommt, dass bestimmte Ermittlungsmaßnahmen, etwa die Erhebung von Verkehrsdaten nach § 100g StPO, einem sogenannten Richtervorbehalt unterliegen. In diesen Fällen muss zunächst regelmäßig ein Beschluss der Ermittlungsrichterin beziehungsweise des Ermittlungsrichters erwirkt werden.

Einstellung der Ermittlungsverfahren?

3. In einigen Bundesländern wurden die Verfahren eingestellt, weil ein Täter oder eine Täterin nicht ermittelt werden konnte. Auch hiermit war Böhmermann nicht einverstanden. Solche Verfahrenseinstellungen richten sich nach § 170 II StPO. Dazu berechtigt sind – siehe oben – ausschließlich die Staatsanwaltschaften. Verfahrenseinstellungen mögen unbefriedigend sein. Sie sind jedoch, aufs Ganze gesehen, keineswegs ungewöhnlich, sondern sie gehören zum Ermittlungsalltag. Zudem ist keine Anzeigeerstatterin und kein Anzeigeerstatter gezwungen, eine Verfahrenseinstellung nach § 170 II StPO hinzunehmen. Zwar kann es sein, dass eine förmliche Beschwerde nach § 172 I StPO gegen den sogenannten Einstellungsbescheid (§ 171 StPO) ausgeschlossen ist. Es steht aber jedenfalls der Weg über die Dienstaufsicht offen. Hierbei gilt der alte Merksatz: „Bis zum General kommen sie immer“. Er bedeutet, dass auch im Wege einer sachlichen Dienstaufsichtsbeschwerde die Einstellungsentscheidung dem oder der Vorgesetzen zur Prüfung vorgelegt werden muss (vgl. § 147 Nummer 3 GVG).

Offensichtliche Mängel bei der Strafverfolgung

Das große Verdienst von Böhmermann ist es, dass er offensichtliche Mängel bei der Strafverfolgung aufgedeckt hat. Ob diese Mängel allein dem Phänomenbereich Hasskriminalität im Internet geschuldet sind, wird noch zu klären sein. Jedenfalls ist es ein für Bürgerinnen und Bürger unerträglicher Umstand mitzuerleben, dass ihren Strafverfolgungsersuchen nicht nachgegangen wird.

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Dr. Lorenz Bode
Dr. Lorenz Bode
Der Beitrag gibt ausschließlich seine persönliche Auffassung wieder.

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