Zur Frage, ob Baby Groot einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld aufgrund der Aufopferung von Groot geltend machen kann.
„Sei vorsichtig Nager, es gibt keinerlei Vorschriften“, äußerte Gamora im ersten Teil von „The Guradians of the Galaxy“, als die Gruppe gemeinsam in das Knowhere hineinflog.[1] Mit dabei auch ein Baummensch namens Groot. Nach der heldenhaften Aufopferung von Groot am Ende des ersten Teils, entstanden viele Theorien, wer nun Baby Groot, der Baumjunge aus dem zweiten Teil der Filmreihe, sei. Ist er Groot selbst? Heißt das nun, dass Groot sich stets regenerieren kann? Die Antwort auf die Frage liefert der Regisseur James Gunn selbst. Am 27. Februar 2018 schrieb er auf Twitter: „First Groot is dead. Baby Groot is his son.“ [2]
Ist Baby Groot überhaupt erbfähig?
Kann Baby Groot jetzt aber auf Grund des Todes seines Vaters zivilrechtliche Ansprüche geltend machen? Nach deutschem Recht wäre Baby Groot nach § 1922 Abs. 1 BGB Gesamtrechtsnachfolger von Groot. Dafür ist erforderlich, dass er erbfähig ist. Die Erbfähigkeit setzt nach § 1923 Abs. 2 BGB voraus, dass der:die Erb:in zumindest zur Zeit des Erbfalls gezeugt war. Problematisch ist jedoch hierbei, dass Baby Groot erst dadurch entstand, dass Rocket einen Zweig von Groot mitnahm und diesen einpflanzte. Unter Berücksichtigung, dass es sich bei Groot um ein pflanzenähnliches Lebewesen handelt, wurde Baby Groot durch diese vegetative Vermehrung erzeugt. Der Sohn stellt dabei eine genetische Kopie des Vaters dar.[3]
Bei der Leibesfrucht, dem sogenannten Nasciturus, benötigt es zumindest die Vereinigung von Ei- und Samenzelle.[4] Durch die vegetative Vermehrung steckte im Zweig von Groot bereits die genetische Kopie. Die Situation von Baby Groot zum Zeitpunkt des Todes von Groot, kann folglich mit der Situation des sogenannten Nasciturus nach § 1923 Abs. 2 BGB verglichen werden.
Zu klären ist nun, welche Ansprüche Baby Groot aufgrund des Tods von Groot zustehen könnten. Groot rettete durch seine Aufopferung die Guardians of the Galaxy als das Raumschiff von Ronan, dem Antagonist des Films, herabstürzte. Der Sturz wurde dadurch verursacht, dass Ronan das Schiff zerstörte, da sein Eindringen auf den Planeten Xander durch die Waffen des Planeten aufgehalten wurde. Ronan selbst konnte den Absturz allein durch den Infinity-Stein überleben, welchen er zu dem Zeitpunkt besaß. Der Tod von Groot entstand folglich aufgrund des Handelns von Ronan.
Anspruch auf Hinterbliebenengeld?
Neben dem Unterhaltsanspruch nach § 844 Abs. 2 S. 2 BGB könnte Baby Groot einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld gemäß § 844 Abs. 3 BGB zustehen.
Für die Anspruchsberechtigung bedarf es grundsätzlich der Rechtsfähigkeit nach § 1 BGB. Baby Groot war zum Zeitpunkt des Todes von Groot ein Zweig. Die Geburt von Baby Groot kam erst durch das Einpflanzen zustande. Die Erbfähigkeit des Nasciturus wird zwar nach § 1923 Abs. 2 BGB fingiert, jedoch führt das nicht zur Fiktion der Rechtsfähigkeit.
§ 844 Abs. 3 BGB begründet einen Anspruch für die Hinterbliebenen, welche in einem persönlichen Näheverhältnis zum Getöteten standen. Vermutet wird ein solchen Verhältnis nach § 844 Abs. 3 S. 2 BGB, wenn der:die Hinterbliebene ein Kind des:der Getöteten war. Baby Groot ist der Sohn von Groot. Fraglich ist, ob der Anspruch auf Hinterbliebenengeld zur Ausnahme keine Rechtsfähigkeit voraussetzt.
Nach einer Ansicht ist der Nasciturus nicht vom Schutzbereich des § 844 Abs. 3 BGB umfasst.[5] Danach bedarf es eine tatsächlich gelebte besonders enge Verbindung zum Getöteten im Zeitpunkt des Unfalls. In § 844 Abs. 2 S. 2 BGB wird die Anspruchsberechtigung des Nasciturus geregelt. Dadurch kann man die Anspruchsberechtigung des Nasciturus beim Hinterbliebenengeld nicht annehmen. Ein Hinterbliebenengeldanspruch hat ein Nasciturus nach der Rechtsprechung des BGH nur dann, wenn das Kind mit einem Gesundheitsschaden zur Welt kommt.[6] Baby Groot ist ohne einen Gesundheitsschaden geboren und hat dementsprechend keinen Anspruch auf Hinterbliebenengeld, sondern nur einen Unterhaltsanspruch.
Eine andere Ansicht vertritt, dass sich der Nasciturus auf die Vermutung des § 844 Abs. 3 S. 2 BGB berufen kann. [7] Allein das Kindschaftsverhältnis zu dem getöteten Elternteil begründet das persönliche Näheverhältnis zum Zeitpunkt des Unfalls. Der ersten Ansicht ist dabei zu entgegnen, dass sie verkennt, dass der Nasciturus zu seinem verstorbenen Elternteil eine psychologisch und soziale Nähebeziehung hat.[8] Nur der Anspruch auf Unterhalt nach § 844 Abs. 2 S. 2 BGB deckt noch nicht den Umfang des Unfalls ab. Der Verlust eines Elternteils vor der Geburt stellt auch einen psychischen Schaden dar. Auch ohne persönliche Kontakterlebnisse fühlt sich das Kind zum Verstorbenen verbunden. Das Aufwachsen ohne den biologischen Vater stellt eine große Last dar und kann zu unterschiedlichen Problemen für das Kind führen, die außerhalb der Sorgen um den Unterhalt stehen.
Aufwachsen ohne Vater problematisch
Der Fall von Baby Groot zeigt eine solche Last auf. Zwar hat er mit Rocket einen guten Ziehvater, welcher allen Bedürfnissen nachkommt. Jedoch zeigt die Bombenszene im zweiten Teil der Filmreihe, dass Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den beiden existieren. Rocket ist leider nicht in der Lage, Baby Groot vollumfänglich zu verstehen. Wäre Groot noch am Leben, dann hätte Baby Groot jemanden, welcher zumindest die gleiche Sprache spricht. Und wir würden eventuell mehr von der Kultur der Groots lernen.
Die zweite Ansicht berücksichtigt die persönliche Reichweite eines Todesfalls für das Kind. Danach hätte Baby Groot neben dem Unterhaltsanspruch aus § 844 Abs. 2 S. 2 BGB auch einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB. Das Nebeneinander der Ansprüche würde dazu führen, dass, trotz des Todes von Groot, Umstände geschaffen werden können, wodurch das Heranwachsen von Baby Groot so gut wie möglich unterstützt werden kann.
Helfenhafte Aufopferung sollte gewürdigt werden
Eine Anwendung des deutschen Rechts hätte im Marverluniversum zur Folge, dass die Rechtsprechung eine andere Bewertung zur Anspruchsberechtigung hinsichtlich des Nasciturus bezüglich § 844 Abs. 3 BGB hätte. Bei dem vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass sich Groot heldenhaft für das Wohlergehen anderer geopfert hat. Bei Baby Groot handelt es sich um den einzigen seiner Spezies. Durch das Fehlen eines anderen dieser Spezies könnte die Entwicklung von Baby Groot stagnieren oder er erlernt nie die besonderen Fähigkeiten seiner Spezies.
Der Tod des Groot stellt mehr als nur einen Verlust des Unterhaltsanspruchs dar, welcher in einer Welt wie der des Marveluniverums zu kompensieren ist, da es sich gerade um einen Helden handelt. Dadurch würde die Rechtsprechung der zweiten heldenhaften Ansicht folgen und somit dem Nasciturus die Anspruchsberechtigung hinsichtlich des § 844 Abs. 3 BGB zusprechen. Danach könnte sich Baby Groot äußern: „Ich bin anspruchsberechtigt“.
Dieser Artikel entstand im Rahmen unseres Essay-Wettbewerbs “SUPER JURA”, der im Mai 2022 hier auf JURios veranstaltet wurde. Platz 2: “Wonder Woman – Ein echtes Vorbild oder doch eine Straftäterin?”, Platz 3: “Suicide Squad: Antiheld:innen als Helfer:innen des Staates?”
[1] Guardians of the Galaxy, 0:48 h.
[2] https://www.popsugar.co.uk/ (zuletzt abgerufen am 27.05.2022).
[3] Den genaueren Ablauf der Erzeugung von Baby Groot erklärt der Botaniker James Wong auf Twitter: https://twitter.com/Botanygeek/status/993420954238967808 (zuletzt abgerufen am 26.05.2022).
[4] BeckOGK/Schöpflin, BGB § 1912 Rn. 3 (vom 01.03.2022).
[5] OLG München, Endurt. v. 5.8.2021, Az. 24 U 5354/20 = BeckRS 2021, 21112.
[6] BGH: † Haftung für Verletzung einer Leibesfrucht, Beweis des Ursachenzusammenhangs, NJW 1985, 1390.
[7] Wagner: Schadensersatz in Todesfällen – Das neue Hinterbliebenengeld, NJW 2017, 2641 (2644).
[8] Wagner: Schadensersatz in Todesfällen – Das neue Hinterbliebenengeld, NJW 2017, 2641 (2645).