Suicide Squad: Antiheld:innen als Helfer:innen des Staates?

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Eines steht fest: Die neuen DC-Filme haben bedauerlicherweise nicht den gleichen Hype erzeugt, wie es ab etwa 2008 bei Marvel der Fall war. Nichtdestotrotz gab es auch hier einige einprägsame Comics. Umsetzungen wie die Batman-Reihe von Christopher Nolan und Suicide Squad von James Gunn. Wo Batman aufzeigt, wie sich die Selbstjustiz einer Privatperson als Ausdruck der Broken-Windows-Theorie manifestiert, lässt Suicide Squad einen anderen, noch komplexeren Blick zu.

Im Unterschied zum Privatmann Bruce Wayne (Batman), der sich in seinen selbstkonstruierten Dienst des Guten stellt, ist das Suicide Squad eine von der US-Regierung unfreiwillig zusammengestellte Truppe aus Kriminellen, die eine anti-amerikanische Untergrundorganisation infiltrieren soll. Im Mittelpunkt steht dabei die Unterbindung des Projektes Starfish, was – ohne eine operative Intervention – das Ende der Welt bedeuten würde. Die Vereinigung von Antiheld:innen rund um Harley Quinn, die Partnerin des Jokers, wird dabei gezielt aufgrund ihrer übermenschlichen Fähigkeiten ausgewählt. Wobei die selbstgewählte Prämisse des Projektes ist, dass selbst „Kriminelle etwas Gutes tun können“.

Bereits im Film wird im Zuge dessen eine vage historische Rechtfertigung für dieses Unterfangen genannt: Die Einbindung der gegenüber Mussolini negativ eingestellten Cosa Nostra (Mafia) während der Italieninvasion der Alliierten im Jahre 1943. Nach der Invasion wurden dort – aufgrund fehlender Alternativen – Mitglieder des organisierten Verbrechens in der neuen Territorialverwaltung eingesetzt. Anders als bei Batman wird daher nicht die Selbstjustiz einzelner Personen in den Mittelpunkt der Entscheidungsfindung gestellt, sondern der alternativlose Handlungsspielraum einer eigentlich starken Regierung.

Genau dieser alternativlose Handlungsspielraum lässt genauso viele gesellschaftliche, wie rechtliche Situationen erwachsen, die uns – wenn wir uns vom US-amerikanischen Sektor entfernen – in unserem deutschen Rechtskreis spannende Einblicke ins Öffentliche, Straf- und Zivilrecht geben.

Staatliche Aufgabe des Suicide Squad

Zunächst ist festzustellen, dass sich der Staat zum Tätigwerden seiner Organe, Mitarbeiter:innen oder eben auch Dritter bedienen kann. Das Suicide Squad fällt dabei in die dritte Kategorie. Das öffentliche Recht kennt im Rahmen dieser Kategorie die Unterscheidung zwischen Verwaltungshelfer:innen und Beliehenen. Abzugrenzen sind diese Personengruppen u. a. danach, ob sich deren Tätigkeit aus dem Gesetz ergibt. Schornsteinfeger:innen wären beispielsweise Beliehene, nachdem sich deren Tätigkeit aus dem Gesetz über das Berufsrecht und der Versorgung im Schornsteinfegerhandwerk ergibt. Schülerlots:innen wiederum wären Verwaltungshelfer:innen.

By: Jasric (DeviantArt)

Laut Filmvorlage wird das Squad von der Regierung instruiert, Aufträge auszuführen. Eine gesetzliche Grundlage für den Tätigkeitsumfang gibt es nicht, sodass wir insoweit maximal die oben angesprochene Eigenschaft als „Verwaltungshelfer:in“ prüfen können. Dabei handelt es sich augenscheinlich um Aufgaben von staatlicher Seite. Macht sie das aber bereits zu „Staatsaufgaben“? Naja, nach dem Rechtswissenschaftler Dieter Grimm sind Staatsaufgaben im Ergebnis dasjenige, was Parlament und Regierung in einem rechtmäßigen Verfahren an Programmpunkten in die Wege leiten. Daher muss die Frage gestellt werden, was der Staat in Bezug auf Straftäter:innen, sprich Personen, die entweder ein Verbrechen oder ein Vergehen verübt haben, § 12 StGB, gesetzlich tun kann bzw. muss.

Straftäter:innen und der Staat

Im Strafrecht heißt es richtigerweise „Wo kein [An-]Kläger, da kein Richter.“ Wenn jetzt ein:e Straftäter:in angeklagt ist, dann besteht im Prozess die Möglichkeit einen „Deal“ auszuhandeln, § 257 c StPO. Juristisch korrekt sprechen wir insoweit von einer Verständigung zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten. Des Weiteren besteht die Möglichkeit des Verpfeifens der vorherigen Involvierten, um selbst besserzustellen, § 46 StGB. Den Fans des gepflegten Raps unter Euch ist § 31 BtMG wahrscheinlich geläufiger, bei dem es vor allem darum geht, eine freiwillige Offenbarung (= „Verpfeifen“) zu erwirken, die zur Aufklärung einer Straftat im Betäubungsmittelstrafrecht führen soll. Ist das aber hier überhaupt einschlägig? Nein, einerseits sitzen Harley und die anderen schon im Gefängnis (im Film: Belle Reve) und andererseits befinden wir uns auch nicht im Bereich eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Je nach Landesrecht ergibt sich weiterhin auch eine Arbeitspflicht für Strafgefangene. Lässt sich damit die Nutzung von Straftäter:innen zur potentiellen Begehung von Straftaten, beispielsweise der im Film angesetzten „Tötung von Staatsfeinden“ konstruieren? Die Arbeitspflicht erstreckt sich zunächst laut § 41 I StVollzG auf den Bereich der Anstalt. Durch weitere Modalitäten, wie dem Freigang und der Möglichkeit des freien Beschäftigungsverhältnisses, kann diese Arbeitstätigkeit auch auf einen Sektor außerhalb der Anstalt erweitert werden. Hier ist aber in beiden Fällen die Geeignetheit der Inhaftierten zu klären, da Flucht- und Missbrauchsversuche ausgeschlossen sein müssen. Dies ist bei der im Film abgezeichneten Gruppierung definitiv nicht der Fall, was auch in der Anfangsphase des (Anti-)Heldenstreifen zu einer recht strengen Maßnahme führt, nämlich der Implantation eines Nanosprengsatzes unter der Haut der Beteiligten, der im Falle einer Zuwiderhandlung hochgeht. Neben der im Film geschehenen Ermordung (§ 211 StGB) eines Squadmitgliedes durch dieses unmenschliche Prozedere würden für dieses „staatliche Handeln“ bereits andere Normen im Vorfeld einschlägig sein. Zunächst: § 223 I, 224 StGB (Körperverletzung bei der Einführung des Implantats), Art. 2, 6 EMRK (Recht auf Leben/ein faires Verfahren) und Art. 102 GG, welcher festlegt, dass die Todesstrafe abgeschafft ist. Ein solches Vorgehen wäre in jedem Fall auf nationaler wie auch supranationaler Ebene verboten.

Wie sieht es aber nun generell bei einer Aufforderung zu Straftaten durch den Staat aus? Dieses Konstrukt ist dem Strafrecht überraschenderweise nicht fremd, kennt man doch den Agent Provocateur (V-Mann) oder den verdeckten Ermittler, siehe § 110a StPO. Gleichsam darf jedoch deutlich gesagt werden, dass die Nutzung eines nicht oder nur schwer zu kontrollierenden Selbstmordkommandos gesetzlich nicht gewollt sein kann. Zwar gibt es die Möglichkeit zur Intervention in Form des Nanosprengsatzes, doch kann das Momentum schneller kommen als die Reaktion des Kontrollorgans reagieren kann, was zu einer Gefährdung anderer erwachsen kann. Hier ist beispielsweise anzumerken, dass Harley Quinn dafür bekannt ist, mit Joker, womöglich im Rahmen einer Beihilfe (§ 27 StGB), Batmans Sidekick Robin ermordet zu haben. Sollte dies der Regierung zum Zeitpunkt der Vereinigung klar gewesen sein, kann – unabhängig von den Sicherheitsvorkehrungen – lediglich von einer schwer zu kontrollierenden Personengruppe ausgegangen werden, was zumindest äußerst fahrlässiges Handeln des Staates darstellt.

Nach alledem darf festgehalten werden, dass, anders als seinerzeit von Mario Dragi im Bereich der Politik zur Rettung des Euros, gerade keine „Whatever-it-takes“-Mentalität bezüglich etwaiger Tätigkeiten für den Staat bestehen darf. Das Suicide Squad ist demnach nicht als Verwaltungshelfer:in zu klassifizieren.

Der Staats als Anspruchgegner

Welche Konsequenzen hätte es gleichwohl, wenn man dem Sucide Squad die Eigenschaft als Verwaltungshelfer:in zugestehen würde? Nehmen wir hierzu einfach das Beispiel, dass ein Auto während des Freigangs durch Harley Quinn vollständig zerstört wird, § 303 I StGB. Der:die Halter:in des Fahrzeuges hätte nun die Möglichkeit, gegenüber Harley Quinn einen Schadensersatzanspruch nach § 823 II BGB i.V.m. § 303 I StGB geltend zu machen. Aber, ausgehend von ihrer psychiatrischen Akte, würden wir eher vorschlagen, den Anspruch an den Staat zu richten. Dies ist jedoch nur möglich, wenn es sich dabei um das Handeln von Verwaltungshelfer:innen handelt, was sich der Staat nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zurechnen lassen muss. Anderenfalls kann sich der Staat darauf berufen, dass Harley nicht im staatlichen Auftrag gehandelt hat, was aber aufgrund der Intention seitens der Regierung eher zu verneinen wäre.

By: COLOR-REAPER (DeviantArt)

Gilt dieser zivilrechtliche Organisationsansatz so eigentlich auch im Strafrecht? Nein, aber irgendwie schon. Wenn eine Person eine Straftat begeht, dies aber für jemand anderen tut, dann muss immer an die Figur des Täters hinter dem Täter gedacht werden. Vorliegend begeht das Squad mehrere Verbrechen, wobei dies zur Erfüllung einer größeren Aufgabe, nämlich der Rettung der Welt, erfolgt. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass der Staat diese individuelle Tat nicht im Speziellen wollte, wobei dieser individuelle Schuldvorwurf gerade im Strafrecht erforderlich wäre. Führt aber andererseits jemand im Auftrag von Harley Quinn einen Mord oder ein anders Verbrechen aus, kann es gleichsam so sein, dass neben dem Tatausführer auch Harley Quinn als Täterin hinter dem Täter aufgrund der Organisationshoheit bestraft wird. Dieser spannende Ansatz darf gerne mit ZJS 7/2006, S. 301 ff. vertieft werden.

Fazit: Keine Taskforce mit Kriminellen

Dieser kleine Abriss soll eines verdeutlichen: Der Staat kann nicht ohne Weiteres potenziell gefährliche Kriminelle als eine Art Task Force ins Leben rufen und diese mit unmenschlichen Vorrichtungen als Verwaltungshelfer:innen agieren lassen. Das scheitert bereits an fehlenden rechtlichen Grundlagen und einem nachvollziehbaren und transparenten Verfahren. Die Möglichkeit des Missbrauchs und die Tragweite dessen sind unüberschaubar.

Vor allem der letzte Punkt ist interessant, knüpft er doch an die vorangegangene Problematik der Alternativlosigkeit einer starken Regierung an. Sollte nämlich der Fall eintreten, dass auf organisiertes Verbrechen zurückgegriffen werden müsste (Stichwort: Mafia im Jahre 1943), darf nicht vergessen werden, welche Tragweite dies für eine Gesellschaft hat. Einerseits ist es die Haftung, um ggf. den Einzelnen zu entschädigen oder die jeweiligen, vermeintlich Guten nach einer Straftat wieder zur Räson zu führen. Andererseits ist es aber die Reputation eines Staates, die im Blick sein muss. Genauso wie ein Staat, der Folter zur Erpressung von Informationen einsetzt, als Willkürstaat gesehen wird, würde ein Staat, der mit hochgradig gefährlichen Kriminellen paktiert, ebenso zu einem Willkürstaat degradiert werden. Eine ausweglose Situation darf ultima ratio-Handlungen nicht als letzte Rettung manifestieren, sondern sollte diese eher als Danaergeschenk verstehen, wenn die weiteren Auswirkungen nicht abgesehen werden können.


Dieser Artikel entstand im Rahmen unseres Essay-Wettbewerbs “SUPER JURA”, der im Mai 2022 hier auf JURios veranstaltet wurde. Platz 1: “Baby Groot: Ich bin anspruchsberechtigt!”. Platz 2: “Wonder Woman – Ein echtes Vorbild oder doch eine Straftäterin?”.

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