Richtermangel: Niederlande stellt 1.500 Strafverfahren ein

Aus den Niederlanden erreichen uns ungewöhnliche Nachrichten. Die Staatsanwaltschaften des Landes sollen rund 1.500 Strafverfahren eingestellt haben. Weil die Justiz nicht die Kapazitäten hatte, die Verfahren ordnungsgemäß zu Ende zu bringen. Erschreckend? Ja, sicher!

Betroffen ist laut Medienberichten die Provinz Gelderland (im Hinblick darauf, dass der Justiz das Geld für Personal fehlt, ein ironischer Name). Die Provinz liegt im mittleren Osten des Landes und hat etwas über zwei Millionen Einwohner. Die Staatsanwaltschaft in Arnheim teilte mit, dass Strafverfahren mit einer Höchststrafe von bis zu einem Jahr betroffen seien. Beispielsweise Diebstähle, Verkehrsdelikte und kleinere Drogensachen. Das Problem: Die 1.500 Fälle liegen bereits seit über eineinhalb Jahren bei der Staatsanwaltschaft und warten darauf, dass ein Prozesstermin bestimmt wird. Das ist jedoch nicht möglich, weil die Gerichte der Provinz völlig ausgelastet seien.

Der Hauptgrund hierfür: Personalmangel – ein Problem, dass auch der deutschen Justiz in den nächsten Jahren zum Verhängnis werden könnte. Außerdem hätten wegen Corona viele Strafverfahren nicht stattfinden können. Diese ausstehenden Verfahren hätten sich nach Angaben der Justizverwaltung nun angestaut. Ein Skandal.

Personalmangel auch in Deutschland

In einigen Fällen sind die Staatsanwaltschaften nun dazu übergegangen, selbst eine geringe Strafe zu verhängen – ohne ein gerichtliches Verfahren. Diese Praxis ist mit dem Strafbefehl i.S.d. § 407 ff. StPO auch in Deutschland möglich. Andere Verfahren werden ohne Konsequenzen eingestellt (vgl. § 153 ff. StPO). Opfer, deren Straftaten eingestellt wurden, können hiergegen aber immerhin Beschwerde einlegen, so die Justizverwaltung der Provinz Gelderland.

Und in Deutschland? Auch hierzulande kämpft die Justiz gegen den (selbstverschuldeten) Personalmangel. Aktuelle Zahlen haben ergeben, dass bis 2030 deutschlandweit rund 40 Prozent der Jurist:innen aus dem Dienst ausscheiden werden. In den neuen Bundesländern könnten es in einzelnen Regionen sogar bis zu 60 Prozent sein. Bundesweit fehlen bereits jetzt mehr als 2.000 Staatsanwält:innen und Richter:innen. Eine Entwicklung, die vorhersehbar war. Gleichzeitig wird der Justizberuf immer unattraktiver. Die Notenanforderungen sind hoch, gleichzeitig verdient man in der freien Wirtschaft aber deutlich besser. Hier müssen die Länder jetzt handeln. Sonst ist es zu spät.

Update: Nur wenige Wochen nach dem Erscheinen dieses Artikels wurde bekannt, dass in Deutschland alleine in diesem Jahr (2022) bereits 66 Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen worden sind, weil ihre Verfahren auf Grund von Personalmangel zu lange dauerten.


Fundstelle: https://rsw.beck.de/

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