Der Katzenkönig-Fall: Anstiftung oder mittelbare Täterschaft bei Verbotsirrtum?

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Manchmal schreibt die Realität die besten Geschichten! Vor allem im Strafrecht. Beim sogenannten Katzenkönig-Fall handelt es sich um einen Klassiker des Jurastudiums, den Jurastudent:innen unbedingt kennen müssen. Rechtlich geht es dabei um die Abgrenzung von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft. Was Viele kaum glauben können: Der Katzenkönig-Fall beruht natürlich auf einer wahren Begebenheit und wurde 1988 vom Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Der Fall soll sich folgendermaßen zugetragen haben: Die drei späteren Angeklagten Peter P., Barbara H. und Michael R. lebten in einem von „Mystizismus, Scheinerkenntnis und Irrglauben“ geprägten „neurotischen Beziehungsgeflecht“ zusammen. Der Schwächste im Bunde war der leicht beeinflussbare Polizeibeamte Michael R. Den beiden anderen gelang es, ihn von der Existenz eines „Katzenkönigs“ zu überzeugen, der seit Jahrtausenden das Böse verkörpere und die Welt bedrohe. Als Barbara H. von der Heirat ihres Ex-Freundes Udo N. erfuhr, entschlossen sie und Peter P. sich dazu, Michael R. für ihre eigenen Zwecke zu missbrauchen. Sie spiegelten ihm vor, der Katzenkönig verlange ein Menschenopfer. In Gestalt der neuen Freundin des Udo N. Michael R. solle Annemarie N. töten. Peter P. gab ihm hierzu ein Fahrtenmesser. Michael R. stach am 30. Juli 1986 in einem Blumenladen zwölfmal auf die ahnungslose Annemarie N. ein. Diese überlebte jedoch.

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Landgericht Bochum: Versuchter Mord!

Das Landgericht Bochum verurteilte alle drei Angeklagte wegen versuchten Mordes. Michael R., weil er die Tat eigenhändig begangen hatte und Barbara H. sowie Peter P. wegen versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft. Alle drei Angeklagten legten gegen das Urteil Revision zum BGH ein. Die Richter:innen fanden zwar Fehler bei der Strafzumessung, bestätigten ansonsten aber insbesondere die Annahme der mittelbaren Täterschaft bei Barbara H. und Peter P.

Michael R. hat sich demnach wegen versuchten Heimtückemordes gem. §§ 212 I, 211, 22, 23 I StGB strafbar gemacht. Dabei wurde die Schuldfähigkeit des Angeklagten bejaht und lediglich eine verminderte Schuldfähigkeit i.S.d. § 21 StGB angenommen. Da Michael R. ernsthaft glaubte, “gerechtfertigt” zu handeln, weil das Menschenopfer zur Rettung der Menschheit notwendig sei, nahmen die Richter:innen aber einen Verbotsirrtum gem. § 17 StGB an. Dieser war aber eindeutig vermeidbar, denn Michael R. hätte sich über die tatsächlichen Gegebenheiten informieren können.

„Daß der Angeklagte diesen Interessenkonflikt fehlerhaft abgewogen hat, führt als Bewertungsirrtum auch nicht zum Vorsatzausschluß, sondern zu einem – nach den Feststellungen vermeidbaren – Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 34 Rn. 51; Dreher/Tröndle a.a.O. § 34 Rn. 18). Danach hätte er als Polizeibeamter unter Berücksichtigung seiner individuellen Fähigkeiten und auch seiner Wahnideen bei gebührender Gewissensanspannung und der ihm zumutbaren Befragung einer Vertrauensperson, zum Beispiel eines Geistlichen, die rechtliche Unzulässigkeit einer quantitativen Abschätzung menschlichen Lebens als des absoluten Höchstwertes erkennen können.“

Da Michael R. beim Zustechen im Blumenladen außerdem die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers ausnutzte, lag das Mordmerkmal der Heimtücke vor. Weil Annemarie N. nicht verstarb, blieb die Tat allerdings im Versuchsstadium stecken. Ein Rücktritt vom versuchten Mord lag nicht vor, denn der Versuch war fehlgeschlagen und Michael R. ergriff die Flucht.

Strafbarkeit wegen Anstiftung oder mittelbarer Täterschaft?

In die Rechtsgeschichte ging das Urteil aber deswegen ein, weil sich das LG Bochum und später der BGH mit der Abgrenzung zwischen Anstiftung (§ 26 StGB) und mittelbarer Täterschaft (§ 25 I Alt. 2 StGB) beschäftigen mussten. Anstifter:in ist, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat. Als mittelbare:r Täter:in ist anzusehen, wer die Tat durch einen anderen begeht. Voraussetzung dafür ist ein Defizit beim Tatnächsten, also bei Michael R. Die Gerichte mussten sich also mit der Frage auseinandersetzen, ob ein vermeidbarer Verbotsirrtum dafür ausreichend ist. Dazu schreibt der BGH: “In Fällen des vermeidbaren Verbotsirrtums des Vordermannes als dem unmittelbar Handelnden ist deshalb bei der Prüfung, ob der Hintermann mittelbarer Täter ist, auf das Kriterium der vom Täterwillen getragenen objektiven Tatherrschaft abzustellen.”

Und weiter: “Mittelbarer Täter eines Tötungs- oder versuchten Tötungsdelikts ist jedenfalls derjenige, der mit Hilfe des von ihm bewußt hervorgerufenen Irrtums das Geschehen gewollt auslöst und steuert, so daß der Irrende bei wertender Betrachtung als ein – wenn auch (noch) schuldhaft handelndes – Werkzeug anzusehen ist.”

Dies sei vorliegend der Fall, weil die beiden Angeklagten bei Michael R. die Wahnideen des “Katzenkönigs” hervorgerufen und diese später bewusst ausnutzten. Um seine rechtlichen Bedenken wie seine Gewissensbisse auszuschalten und um ihn zu veranlassen, die von ihnen beabsichtigte Tat ihren Plänen und Vorstellungen entsprechend auszuführen. Auf diese psychologische Weise steuerten sie die Tatplanung. Darüber hinaus bestimmten sie wesentliche Teile der Tatausführung.

“JURios-Klassiker”: Weitere Fallbesprechungen


Entscheidung: BGH, Urteil vom 15.09.1988, Az. 4 StR 352/88
Fundstelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Katzenk%C3%B6nigfall

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