Namen sind Schall und Rauch? Oder kennen Standesämter Mobbing nicht?

Viele unter uns kommandieren per Mikrofon inzwischen Tag für Tag digitale Assistenten, die soziale Interaktionen nachahmen und vermehrt künstlich intelligent auf uns reagieren. Seit 2015 existiert der Amazon Echo, seit 2011 Siri.

Die Verrohung der Schülerschaft?

Unser Verhalten färbt ab. In einigen Familien scheint es so weit gekommen, dass die digital natives – meist Schulkinder – nicht mehr zwischen Mensch und Produkt differenzieren und ihre Haltung gegenüber Alexas, Googles und Siris auf fühlende Menschen übertragen.

Die sozialen Interaktionen mit Siri oder Alexa verrohen, verleiten und verführen zugleich. 

Menschen, die übliche Kurznamen oder Spitznamen tragen, werden tituliert und in eine gedankliche Schublade mit den digitalen Helfern gepackt. Gerade unter Schüler:innen herrscht anscheinend eine Einstellung vor, die an Über-Unterordnung erinnert und nicht nur Psychologen aufhorchen lässt. 

Eltern beantragen Namensänderung

In einem Fall aus Niedersachsen haben nun die Eltern eines Kindes die Änderung des Namens ihrer Tochter beantragt. Unter die Namensänderung fallen auch Ergänzungen, z.B. das Hinzufügen eines weiteren Vornamens.

Die Schülerin mit dem Rufnamen Alexa wurde gemobbt, kommandiert und gedisst. Alles, so scheint es, wegen ihres Namens. Sie ist Schülerin und leidet. Schulnotenabfall. Psychische Probleme. Ein Ausweg quasi nicht sichtbar? Der Name ist das Problem, aber er ist auch die Identität, das eigene Ich.

Die Auffassung des beklagten Standesamtes erscheint vor dem Hintergrund des Falls als äußerst unsensibel: Im Prozess vertrat die Beklagte, dass man eine Änderung des Namens nicht schon deshalb vornehmen könne, weil man den Namen eines Alltagsgegenstandes trage.

In Deutschland bekommt man seinen Namen quasi in die Wiege gelegt. Geregelt wird unser Name und die Namensgebung durch Eltern durch das sog. Namensrecht, teilkodifiziert im BGB (§§ 12, 1616 BGB) und im Namensänderungsgesetz. Kommt es zu Konflikten, Selbstzweifeln oder psychischen Problemen in Bezug auf den eigenen Namen können subjektiv Betroffene oder vertretungsberechtigte Personen eine Änderung des Namens beantragen.

Entscheidend: Das deutsche Namensänderungsgesetz

Die streitentscheidende Norm ergibt sich aus dem Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (Namensänderungsgesetz – NamÄndG). In § 3 Abs. 1 heißt es: “Ein Familienname darf nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt.”

Und weiter in Abs. 2: “Die für die Entscheidung erheblichen Umstände sind von Amts wegen festzustellen; dabei sollen insbesondere außer den unmittelbar Beteiligten die zuständige Ortspolizeibehörde und solche Personen gehört werden, deren Rechte durch die Namensänderung berührt werden.”

Der Prozess im vorliegenden Fall drehte sich mithin um die Frage, ob der Umstand, dass eine Schülerin, wie ein herumkommandiertes, technisches Gerät namentlich gerufen wird, ein wichtiger Grund für eine Änderung ist und diese jene de jure rechtfertigt.

Schwere psychische Belastung für “Alexas”

Das Gericht hatte die Schwere der Belastung durch die Beibehaltung des Namens abzuwägen gegen die Erleichterung durch das Hinzufügen eines weiteren Vornamens. Voraussetzung ist lt. Rspr., dass die privaten Interessen an der Namensänderung das öffentliche Interesse an der Namensbeibehaltung überwiegen.

Das Gericht legte die allgemeine Verkehrsauffassung zugrunde und erachtete das Interesse der Klägerin hier für überwiegend. Die Kammer sah es somit als entscheidend, dass die Klägerin glaubhaft seelisch belastet ist und betonte, dass das Stadium einer behandlungsbedürftigen Krankheit nicht erreicht sein müsse. Wertungsmäßig sei das junge Alter der Klägerin beachtenswert, womit inzident gesagt ist, dass mit zunehmender Reife einer Abwehrbereitschaft oder Toleranz gegenüber derartigen Verhaltensweisen erwartet wird.

In die Abwägung eingestellt wurde die Qualität des eigentlichen Namens „Alexa“ als ein „Schlüsselwort“ zur Aktivierung eines technischen Produkts. Somit geht diese Art von Missbrauch des Schlüsselwortes gegenüber einem Menschen über eine reine Vergleichbarkeit mit einem Produktnamen hinaus. Ausschlaggebend war letztlich, dass es nur um die Vornamenänderung einer im Grundschulalter befindlichen Person und gerade nicht den Familiennamen ging, der als Unterscheidungsmerkmal im Rechtsverkehr die gewichtigsten Gründe für eine Beibehaltung des Namens darstellt.

Namen sind nicht Schall und Rauch

Es gilt der Grundsatz der Namenskontinuität, weshalb grundsätzlich keine Namensänderung stattfinden soll. Allerdings sieht das Gesetz Ausnahmen vor. Für die Abwägung sind die Auffassung der Namensänderungsbehörde und die Beeinträchtigung des Lebens des Antragsstellers durch den Namen. Es stellt gefestigte Rechtsprechung dar, dass lächerliche oder entstellende Namen Auswirkungen auf das Alltagsleben der Betroffenen haben können. Das Standesamt mag zwar berechtigte Sorge vor weit ausufernden Konsequenzen dieser Entscheidung gehabt haben, aber auch – ohne diese Befürchtung – ist die Rechtsauffassung des Standesamtes vor dem Hintergrund der Ernsthaftigkeit der seelischen Betroffenheit befremdlich. Seelische Beeinträchtigungen scheinen bei Behörden noch immer auf wenig Verständnis zu treffen. Namen sind nicht Schall und Rauch, sondern essentielle, wesensmitbestimmende Merkmale. Sensibilisierung der Ämter für die Missbrauchspotentiale von Namen (z.B. von Spielfiguren in Animes, Filmen, TikTok, etc.) und Auswüchse des digitalen Zeitalters, die Verrohung der Gesprächskultur und der Anstand von Schülerinnen und Schülern ist dringend geboten.

Über weitere kuriose Namensänderungs-Wünsche haben wir auch bereits hier berichtet: “Ein Kind namens “Waldmeister” und weitere namensrechtliche Absonderlichkeiten”.


Entscheidung: VG Göttingen, Urt. v. 21.06.2022, Az. 4 A 79/21
Pressemitteilung: https://www.verwaltungsgericht-goettingen.niedersachsen.de/

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