Die Frau, die vor Gericht kein Kleid trug und deswegen ins Gefängnis musste

Die US-amerikanische Frauenrechtlerin und Pädagogin Helen Louise Hulick Beebe musste in einem Strafprozess als Zeugin aussagen. Weil sie 1938 in Los Angeles in einer Hose vor Gericht erschien und sich auch auf Aufforderung weigerte, ein Kleid zu tragen, schickte der Vorsitzende Richter sie für fünf Tage ins Gefängnis.

Im November 1938 kam es zu einem aufsehenerregenden Gerichtsprozess in Los Angeles. Angeklagt war der Einbruch in einem Mehrfamilienhaus. Doch der Prozess erlangte nicht wegen der eigentlichen Tat und der beiden angeklagten Männer so viel Aufmerksamkeit. Sondern wegen einer damals 28-jährigen Erzieherin. Helen Hulick sollte am 9. November 1938 als Zeugin über den Einbruch in ihrem Gebäude aussagen. Doch kaum stand sie vor dem Richter, rügte er sie, weil sie kein Kleid, sonder eine weite Schlaghose trug. Richter Arthur S. Guerin behauptete, in dem Outfit würde Helen Hulick die anderen Verfahrensbeteiligten ablenken und für zu viel Aufsehen sorgen. Er verlegte ihre Zeugenaussage und gab ihr auf, am nächsten Tag in einem Kleid im Zeugenstand zu erscheinen.

Gegenüber der Los Angeles Times äußerte Helen Hulick über den Vorfall: “Sagen Sie dem Richter, dass ich auf meine Rechte pochen werde. Wenn er mir befiehlt, ein Kleid anzuziehen, werde ich das nicht tun. Ich mag Slacks. Sie sind bequem.” Ihre Rückkehr zum Gericht am 14. November erregte noch mehr Aufsehen. Bekleidet mit einem orangefarbenen Hemd und einer dunkelgrünen Hose erschien sie im Zeugenstand. Und Richter Guerin unterbrach erneut die Verhandlung. Er sah in ihrem Verhalten eine “Missachtung der Ordnung” vor Gericht und gab ihr ein drittes Mal auf, in angemessener Kleidung – nämlich in einem Kleid – vor Gericht zu erscheinen.

Im Gefängnis in ein Jeanskleid gezwungen

Dieses Mal erzählte sie den bereits wartenden Reportern: “Hören Sie, ich trage Hosen, seit ich 15 bin. Ich besitze kein Kleid, außer einem formellen. […] Ich werde in Hosen zurückkommen, und wenn er mich ins Gefängnis steckt, hoffe ich, dass das dazu beiträgt, die Frauen für immer vom Anti-Slackismus zu befreien.”

Am 15. November 1938 wurde Helen Hulick schließlich wegen “Missachtung des Gerichts” zu einer Gefängnisstrafe von fünf Tagen verurteilt. Denn sie war erneut in einer Hose im Gerichtssaal erschienen. Im Frauengefängnis zwang man sie dazu, ein Jeanskleid zu tragen. Helen Hulick nahm sich einen Anwalt und wurde nach vier Tagen aus dem Gefängnis entlassen, nachdem ein Berufungsgericht das ursprüngliche Urteil aufgehoben hatte.

Im vierten Anlauf durfte sie am 17. Januar 1939 im Zeugenstand endlich eine Hose tragen. Tat dies aber nicht, sondern erschien stattdessen in einem formellen Abendkleid. Mit ihrer Zeugenaussage konnte sie schließlich an der Verurteilung der beiden Einbrecher mitwirken.

Helen Hulick, die bereits 1930 an der Clarke School for the Deaf promoviert hatte, arbeitete an der Seite des Wiener Logopäden und Individualpsychologen Emil Fröschels und gründete später eine Praxis für gehörlose Kinder. Auch wenn ihre Ansätze heute nicht unumstritten sind, leistete sie bis zu ihrem Tod 1989 wertvolle Arbeit auf dem Gebiet der Behandlung gehörloser Menschen.


Fundstelle: https://www.latimes.com/ (mit Fotos von Helen Hulicks Outfit!)

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