Thüringen: 70 Beamt:innen wollen Corona als Berufskrankheit anerkennen lassen

Die Coronapandemie stellt auch die gängige Rechtsprechung auf den Kopf. So muss sich die Justiz plötzlich vermehrt damit beschäftigen, ob Corona als Berufskrankheit anzuerkennen ist. Dazu gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Aus Thüringen sind nun erstmals offizielle Zahlen bekannt.

So haben bisher 70 Beamt:innen versucht, ihre Corona-Infektion als Berufskrankheit anerkennen zu lassen. Zur erfolglosesten Berufsgruppe gehörte dabei die Lehrerschaft. Alle 38 Anträge aus der Thüringer Lehrerschaft wurden abgelehnt. Weil die Inzidenzen zeitweise so hoch lagen, könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass sich die Lehrer:innen in der Schule angesteckt haben. Eine Coronainfektion in der Freizeit sei genauso gut möglich. Durchsetzen konnten sich dafür die Anträge zweier Polizisten.

“Wer sich bei der Arbeit oder auf dem Weg dorthin mit dem Coronavirus infiziert, sollte das unbedingt seinem Arbeitgeber melden”, empfiehlt DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel auf dgb.de.

Denn die Leistungen der Unfallversicherungsträger seien hier deutlich besser als die der Krankenkassen. Und gerade über Corona-Spätfolgen sei noch wenig bekannt.

Die Anerkennung einer COVID-19-Erkrankung als Berufskrankheit (BK-Nr. 3101 Infektionskrankheiten) setzt dabei voraus, dass die erkrankte Person im Gesundheitsdienst, der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig war oder durch eine andere Tätigkeit in ähnlichem Maße infektionsgefährdet war. Aber auch wenn die Infektion in Bereichen mit nachweislich geringerer Gefährdung geschieht, kann die Erkrankung zumindest ein Arbeitsunfall sein. Dabei müsse die Infektion aber auf eine nachweislich mit dem Virus infizierte Person (“Indexperson”) zurückzuführen sein, mit welcher der:die Arbeitnehmer:in Kontakt hatte. Spätestens innerhalb von zwei Wochen nach dem Kontakt muss die Erkrankung eingetreten bzw. der Nachweis der Ansteckung erfolgt sein. Am Ende kommt es dann immer auf eine Abwägung im Einzelfall an.

Der Einzelfall entscheidet

Beamt:innen sind über die Dienstunfallfürsorge ihres Dienstherrn abgesichert. Ein Dienstunfall liegt bei einer Coronainfektion aber nur dann vor, wenn das Infektionsereignis “über das allgemeine Ansteckungsrisiko hinaus in besonderer Weise durch die Dienstausübung verursacht wurde.” Auch hier ist eine Einzelfallabwägung entscheidend.

Erfolgreiche Klagen

  • Polizist: VG Augsburg, Urt. v. 21.10.2021, Az. Au 2 K 20.2494
  • Steuerberaterin (EHEC): LSG Hessen, Urt. v. 26.01.2021, Az. L 3 U 131/18
  • Immobilienwirtin (Schadensersatz): LAG München Urt. v. 14.2.2022, Az. 4 Sa 457/21

Nicht erfolgreiche Klagen

  • Lehrer: VG Sigmaringen, Urt. v. 02.02.2022, Az. 5 K 1819/21 
  • Lehrer: VG Würzburg Urt. v. 26.10.2021, Az. W 1 K 21.536
  • Polizist: VG Aachen, Urt. v. 08.04.2022, Az. 1 K 450/21

Insgesamt haben die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen im Jahr 2021 in 123.228 Fällen eine Berufskrankheit anerkannt. Dreimal mehr als noch im Vorfahr. Wie schon 2020 gingen die meisten beruflich bedingten Erkrankungen auf eine Corona-Infektion bei der Arbeit zurück.

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