Otfried Preußlers „Räuber Hotzenplotz“ aus strafrechtlicher Sicht: War es wirklich Raub?

Jedes Kind kennt die Geschichte vom „Räuber Hotzenplotz“, der Kasperls Großmutter ihre geliebte Kaffeemühle entwendete. Als Kind hinterfragte man die Bezeichnung als „Räuber“ noch nicht. Als erwachsene Juristin wird es für mich jetzt aber endlich Zeit, das Geschehen strafrechtlich aufzuklären. Diebstahl, Raub oder räuberische Erpressung? Das ist hier die Frage!

Federhut und Hakennase, Pfefferpistole und sieben Messer – so beschreibt der Kinderbuchautor Otfried Preußler 1962 erstmals seinen Bösewicht, den Räuber Hotzenplotz, der in der gleichnamigen Erzählung sein Unwesen treibt. Und der Räuber Hotzenplotz ist unbestritten ein ganz schlimmer Kerl. Denn er entwendet Kasperls Großmutter ihre geliebte Kaffeemühle, die beim Kurbeln “Alles neu macht der Mai” spielt. Im Buch liest sich das so:

„Her mit dem Ding da!“

“»Her mit dem Ding da!« Großmutter blickte verwundert auf und rückte an ihrem Zwicker. Vor ihr stand ein fremder Mann mit einem struppigen schwarzen Bart und einer schrecklichen Hakennase im Gesicht. […] »Her damit, sage ich!« Aber Großmutter ließ sich nicht Bange machen. »Erlauben Sie mal!«, rief sie entrüstet. »Wie kommen Sie da herein – und was fällt Ihnen ein, mich so anzuschreien?« […] »Machen Sie keine Geschichten, das mag ich nicht. Geben Sie mir sofort die Kaffeemühle!« »Aber die gehört Ihnen doch gar nicht!« »Papperlapapp!«, rief der Räuber Hotzenplotz. »Tun Sie gefälligst, was ich von Ihnen verlange! Ich zähle bis drei …« Und er hob die Pistole. […] »Geben Sie sie schon her!« Da tat Großmutter einen tiefen Seufzer und gab sie ihm. Was hätte sie sonst auch tun sollen?”

Was können wir jetzt aber juristisch aus dieser Szene ableiten? Diebstahl? Raub? Oder doch eine räuberische Erpressung?

Wegen Raubes nach § 249 I StGB macht sich starfbar, wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Bei der Kaffeemühle handelt es sich völlig unstrittig um eine für den Räuber Hotzenplotz fremde bewegliche Sache. Denn die Kaffeemühle steht im Alleineigentum von Kasperls Großmutter. Hotzenplotz müsste diese unter Anwendung von Gewalt oder Drohung weggenommen haben.

Wegnahme mittels Gewalt oder Drohung

Unter Gewalt gegen eine Person versteht man körperlich wirkenden Zwang, der zumindest mittelbar auf eine Person einwirkt und nach der Vorstellung des Täters bestimmt (subjektiv) und geeignet (objektiv) ist, einen erwarteten oder geleisteten Widerstand zu überwinden oder unmöglich zu machen. Bei einer direkten Bedrohung mit vorgehaltener Waffe könnte man zwar darauf abstellen, dass durch die Bedrohung körperliche Reaktionen wie ein schnellerer Puls und ein extremes Angstgefühl auftreten mit der Folge, dass Gewalt vorläge (BGHSt 23, 126 (127) und BGHSt 39, 133 (136)). Diese Wirkung hat aber im Grunde jede Drohung. In einem solchen Fall ist vielmehr von einer Drohung auszugehen. Das Tatbestandsmerkmal der Drohung meint das in Aussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende Einfluss zu haben vorgibt. Vorliegend ist der Räuber Hotzenplotz mit sieben Messern und einer Pistole bewaffnet, die er Kasperls Großmutter auch vorhält. Dabei sagt er: „Her mit dem Ding da!“ und gibt ihr so zu verstehen, sie zu erschießen, falls sie die Kaffeemühle nicht an ihn herausgibt. Damit ist das Nötigungsmittel der Drohung vorliegend erfüllt.

Problematisch ist aber, ob der Räuber Hotzenplotz der Großmutter die Kaffeemühle auch tatsächlich weggenommen hat. Darunter versteht man den Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams entgegen dem Willen des Opfers. Abzugrenzen ist die Wegnahme von einer freiwilligen Weggabe. Denn statt einem Raub nach § 249 StGB könnte hier auch eine räuberische Erpressung nach §§ 253, 255 StGB gegeben sein. Wie diese beiden Delikte voneinander abgegrenzt werden, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Raub oder räuberische Erpressung?

Die Rechtsprechung stellt auf das äußere Erscheinungsbild ab. Vereinfacht gesagt liegt dann ein Raub vor, wenn sich der:die Täter:in die Sache nimmt; eine räuberische Erpressung, wenn er:sie sich die Sache vom Opfer geben lässt. Da sich der Räuber Hotzenplotz hier die Kaffeemühle von der Großmutter überreichen lässt, liegt nach Ansicht der Rechtsprechung eine räuberische Erpressung vor.

Demgegenüber stellt die herrschende Literaturmeinung auf die innere Willensrichtung des Opfers ab. Nur dann, wenn das Opfer glaubt, eine Wegnahme verhindern zu können, handelt es sich um eine räuberische Erpressung. Hier denkt die Großmutter, sie könne sich sowieso nicht gegen den Räuber Hotzenplotz wehren, weil sie mit einer Pistole bedroht wird. Im Text steht dazu explizit: „Was hätte sie sonst auch tun sollen?“ Sie sieht also keine Handlungsalternative zur Übergabe der Kaffeemühle. Nach Ansicht der Literatur liegt deswegen ein Raub vor.

Nur nach Ansicht der Literatur ist der “Räuber Hotzenplotz” also auch tatsächlich ein “Räuber” im juristischen Sinne. Man könnte aber trotzdem meinen, Otfried Preußler hätte selbst Jura studiert. So genau wie er uns hier den Sachverhalt mit allen juristisch relevanten Informationen dargelegt hat. Selbst der zwischen Drohung und Wegnahme notwendige Finanzusammenhang lässt sich eindeutig bejahen. Ebenso die Zueignungsabsicht des “Räuber” Hotzenplotz. Denn der will die wunderschöne, wohlklingende Kaffeemühle natürlich für sich selbst behalten. Hinzu kommt natürlich der Qualifikationstatbestand des § 250 I Nr.1 a, II Nr. 1 StGB, weil der “Räuber” Hotzenplotz bei der Tat eine Waffe “beisichführt” und diese sogar zur Drohung “verwendet”.

Happy End “hinter Schloss und Riegel”

Und wie endet die Geschichte? Da der trottelige Wachtmeister Dimpfelmoser wenig Hoffnung sieht, den “Räuber” Hotzenplotz zu finden, entschließen sich Kasperl und sein bester Freund Seppel, ihn selber aufzuspüren. Mit einer List gelingt es ihnen, die “Räuberhöhle” zu finden, aber dann werden sie von Hotzenplotz gefangen genommen. Kasperl wird als Dienstbote an den Zauberer Zwackelmann verkauft und muss in dessen Küche Kartoffeln schälen. Seppel wird währenddessen in der “Räuberhöhle” festgekettet. Dort trifft er auf die Fee Amaryllis, die von Zwackelmann in eine Unke verzaubert worden ist. Diese hilft Kasperl und Seppel letztendlich zur Flucht. Und was wird aus dem angeblichen “Räuber” Hotzenplotz? Der wird zunächst in einen Vogel verwandelt und dann verhaftet.

“»Aber wir haben Ihnen dafür etwas mitgebracht, was Sie freuen wird . . .« »So?«, fragte Wachtmeister Dimpfelmoser. »Jawohl«, sagte Kasperl, »den Räuber Hotzenplotz!« »Sapperlot!«, rief der Wachtmeister überrascht. »Und wo habt ihr ihn?« »Hier!«, sagte Kasperl. Er trat an den Schreibtisch und stellte den Vogelkäfig darauf. […] Die Leute kamen aus ihren Häusern gelaufen und staunten. Sie freuten sich, dass der Räuber endlich gefangen war. »Was geschieht nun mit ihm?«, wollten alle wissen. »Fürs Erste kommt er im Spritzenhaus hinter Schloss und Riegel«, sagte der Wachtmeister. »Und fürs Zweite?« »Fürs Zweite wird man ihm den Prozess machen.«”

Sowohl für Kinder als auch für Jurist:innen ein sehr befriedigendes Ende. Denn egal, ob wir hier einen Raub oder eine räuberische Erpressung bejahen, droht “Räuber” Hotzenplotz hier eine Freiheisstrafe nicht unter einem Jahr. Und da sind die anderen Straftaten durch die Gefangennahme von Kasperl und Seppel noch nicht eingerechnet. Denn das ist eine andere Geschichte…

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