Zur Auslegung von Willenserklärungen: Sächsin bucht Reise nach Bordeaux statt Porto

Eine in Sachsen geborene Kundin buchte bei einem Reisebüro telefonisch einen Flug nach “Porto” (Portugal). Auf Grund des starken Dialekts verstand die Mitarbeiterin jedoch „Bordeaux“ (Frankreich). Die Kundin weigerte sich später, die Flugreise zu bezahlen. Daraufhin musste das Amtsgericht Stuttgart Bad-Cannstatt in diesem kuriosen Reiserechtsfall entscheiden.

Eine repräsentative Umfrage des Instituts für Deutsche Sprache hat ergeben, dass Sächsisch der unbeliebteste Dialekt in Deutschland ist. Über 30 Prozent der befragten Bürger:innen gaben an, Sächsisch als “besonders unsympathisch” zu empfinden. Nur sieben Prozent konnten sich für den Dialekt erwärmen.

Doch Sächsisch kann auch im Alltag zu Problemen führen und richtig teuer werden. Das musste eine in Schwaben lebende Sächsin erfahren, die eine Reise nach Porto buchen wollte, stattdessen aber ein Ticket nach Bordeaux erhielt. Die Mitarbeiterin des Reisebüros hatte am Telefon „Bordö“ als “Bordeaux” statt “Porto” gedeutet. Auch, dass die Mitarbeiterin den Stadtnamen zweimal auf Hochdeutsch wiederholte, hatte den Irrtum nicht aufklären können.

Pech für die Kundin, die später ein Ticket für einen Flug in die falsche Stadt in den Händen hielt. Verständlicherweise weigerte sie sich, das Ticket zu bezahlen. Und der Fall landete vor dem AG Stuttgart Bad-Cannstatt. Das Gericht kannte keine Gnade und verurteilte die Kundin zur Zahlung von 294 Euro an das Reisebüro.

Auslegung der Willenserklärung nach objektivem Empfängerhorizont

Der Fall gehört seitdem zu den juristischen Klassikern. Einerseits im Reiserecht, aber vor allem in der Vorlesung zum „Allgemeinen Teil des BGB“. Denn dort lernen Studierende, dass ein Vertrag durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommt. Problematisch ist, was passiert, wenn eine Person dabei einem Irrtum unterliegt. Sich also beispielsweise verspricht oder verschreibt bzw. das Gesagte auf der anderen Seite falsch verstanden wird. Dann muss die Willenserklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont ausgelegt werden (§ 133, 157 BGB). Scheitert eine Auslegung, kann die Willenserklärung unter Umständen wegen Irrtums nach § 119 BGB oder Täuschung bzw. Drohung nach § 123 BGB angefochten werden.

Grundsätzlich gilt: Wer sich verständlich machen will und dabei unbemerkt scheitert, muss die Folgen des Missverständnisses tragen. In unserem Fall bedeutet das, dass die Kundin grundsätzlich an den Vertrag gebunden ist und die unerwünschte Reise bezahlen muss.

Der:die Empfänger:in einer Willenserklärung muss allerdings nachfragen, wenn eine Äußerung für ihn:sie offensichtlich zwei- oder mehrdeutig ist (sog. eingeschränkte Vernehmungstheorie). Das hat die Mitarbeiterin des Reisebüros hier auch getan, indem sie den Städtenamen zweimal auf Hochdeutsch wiederholte. Die durch das Missverständnis entstandenen Kosten legte das Gericht deswegen zu Recht der Kundin auf.

Der Fall reiht sich in eine ganze Reihe kurioser zivilrechtlicher Entscheidungen über Irrtümer. Beispielsweise der berühmt-berüchtigte Haakjöringsköd-Fall (JURios berichtet) oder der Klopapierfall (JURios berichtet).


Entscheidung: AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urt. v. 16.3.2012, Az. 12 C 3263/11

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