Bei dem piept’s wohl: Ein Wellensittich in der JVA?

Die Zeit im Gefängnis kann sehr einsam sein. Neben dem Freiheitsentzug an sich vermissen die Gefangenen vor allem den Kontakt zu ihren Familien. Wäre ein Haustier da nicht eine schöne Abwechslung? Natürlich! Aber mit dieser Bitte stoßen Gefangene in Deutschland regelmäßig auf taube Ohren. So auch im Falle eines Wellensittichs. Doch die Geschichte hat ein happy end!

Geklagt hatte ein damals 72-jähriger Sicherungsverwahrter, der in der JVA Straubing (Bayern) einsaß. Bereits 2019 hatte er bei der Anstaltsleitung dafür plädiert, ein Kleintier in seiner Zelle halten zu dürfen. Am liebsten einen Wellensittich. Das lehnte die JVA unter anderem mit dem Argument ab, dass es sich dabei um Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung handele, woran kein besonders schützenswertes Interesse bestehe.

Wellensittich als Sicherheitsrisiko? Really?

Die weitere Begründung ist gelinde gesagt absurd. Durch den Wellensittich käme es zu einer Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der JVA. Das Tier stelle ein Gesundheitsrisiko für die Insassen und die Bediensteten dar. Die Haltung eines Kleintiers böte zudem zusätzliche Versteckmöglichkeiten. Es müssten zahlreiche weitere Gegenstände, wie Einstreu und Futter gelagert werden, zudem sei ein Käfig erforderlich. Die Packungen und der Käfig selbst müssten vollständig durchsucht werden, weshalb die Kontrolle der Zimmer nicht mehr innerhalb eines angemessenen Zeitraums möglich wäre. Die Durchsuchung würde zudem das Kleintier erheblich belasten. Deshalb könnte die Haltung im Gefängnis auch aus Tierschutzgründen nicht hingenommen werden. Die Körperöffnungen von Tieren könnten laut JVA außerdem als Versteckmöglichkeiten genutzt werden.

Gegen die Ablehnung beantragte der 72-Jährige eine gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG durch das Landgericht Regensburg. Und das gab ihm recht! Im Tenor des Urteils des LG Regensburg heißt es: “Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller die Haltung eines auf Chlamydien, Psittakose und Salmonellen negativ getesteten Wellensittichs sowie den Besitz des dafür notwendigen Käfigs nebst Ausstattung zu gestatten.”

Vogelstreu wie Blumenerde

Sicherungsverwahrte hätten das Recht auf eine individuelle und wohnliche Ausstattung ihrer Zimmer. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt sei hier durch den Wellensittich nicht zu befürchten. Dazu legte ein Sachverständiger in einem Gutachten dar, dass von der Haltung eines Wellensittichs keine Gesundheitsgefahren im Sinne einer Infektionsgefahr ausginge, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgingen.

Und auch die Argumentation, die Haltung eines Kleintieres böte zusätzliche Verstecke im Haftraum, lehnten die Richter:innen rundweg ab. Dazu heißt es im Urteil: “Ein handelsüblicher Sack Vogelstreu ist beispielsweise vergleichbar mit einem mit Erde gefülltem Blumentopf und stellt demgegenüber keine umfassendere Versteckmöglichkeit dar.” Und weiter: “Nach Ansicht der Kammer besteht nicht die Gefahr, dass der Wellensittich selbst als Versteckmöglichkeit missbraucht, und etwas in dessen Körperöffnungen versteckt wird, da dies den Vogel voraussichtlich töten würde und somit nicht unentdeckt bliebe.”

Soweit die Anstalt befürchte, der Vogel könnte durch Mitverwahrte getötet werden, könne diese Gefahr dadurch ausgeräumt werden, dass der Insasse sein Zimmer verschließt, wenn er es verlässt. Dabei handele sich aber letztlich um ein Risiko, das alleine in der Sphäre des Antragsstellers liegt. Im Übrigen sei diese Gefahr nach Ansicht der Kammer fernliegend. Und: “Mit ähnlicher Argumentation könnte man jedem Verwahrten den Besitz jedes Gegenstands verbieten, weil ein anderer Verwahrter diesen möglicherweise vorsätzlich beschädigt.”


Entscheidung: LG Regensburg, Beschl. v. 11.01.2021, Az. SR StVK 654/19

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