Kriminologie: Die 5 größten Irrtümer über Straftaten

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Zum Thema Kriminalität hat jeder eine Meinung – meistens ist diese aber nicht von Fakten untermauert. Oft handelt es sich dabei um widerlegte Ammenmärchen, gefährliches Halbwissen oder populistische Stammtisch-Meinungen. Wir räumen mit den häufigsten Irrtümern über Straftaten auf. Indem wir die fünf häufigsten Meinungen in diesem Artikel faktenbasiert wiederlegen.

Frauen werden häufiger Opfer von Straftaten

Das ist falsch. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik wurden im Jahr 2021 in Deutschland 5.761.984 Straftaten polizeilich erfasst. Die Tatverdächtigen waren in 2/3 der Fälle männlich. 80 Prozent aller Straftaten wurden von Personen über 21 Jahren (Erwachsenen) begangen. Aber: Bundeweit wurden rund 573.000 Männer und „nur“ rund 412.000 Frauen Opfer von Straftaten. Diese Zahl bezieht sich auf alle Delikte, die in der PKS registriert werden. Das heißt: Statistisch gesehen ist es wahrscheinlicher, dass man als Mann Opfer einer Straftat wird. Das Vorurteil, dass Frauen häufiger Opfer von Kriminalität werden, ist also falsch.

Ein etwas anderes Bild ergibt sich erst, wenn man sich bestimmte Straftatbestände im Detail ansieht. So wurden 558 Männer und 367 Frauen Opfer eines Mordes. Beim Totschlag ist die Differenz sogar noch deutlicher. Hier registriert die PKS 1.228 männliche, aber „nur“ 460 weibliche Opfer. Man kann also nicht einmal sagen, dass die besonders schrecklichen Gewaltdelikte häufiger zu Lasten von Frauen begangen werden. Und gleiches gilt z.B. auch für Raub und Körperverletzung.

Ganz eindeutig dreht sich das Geschlechterverhältnis aber bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, insbesondere bei der Vergewaltigung um. Hier registriert die PKS über 28.000 weibliche Opfer, denen „nur“ rund 2.400 männliche Opfer gegenüberstehen. Nur in diesem Kontext stimmt die oben aufgestellte Behauptung also.

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Viele Morde werden nicht aufgeklärt

Das stimmt nicht. 2021 wurden 2.111 Tötungsdelikte in Deutschland registriert. Davon wurden laut Polizeilicher Kriminalstatistik 1.998 Fälle aufgeklärt. Die Aufklärungsquote bei Tötungsdelikten liegt also bei 95 Prozent. Das ist eine großartige Zahl. Zum Vergleich: Die Aufklärungsquote liegt im Durchschnitt aller Delikte gerade einmal bei 58 Prozent. Besonders schlecht ist die Aufklärungsquote beispielsweise beim Taschendiebstahl (6 Prozent) und beim Wohnungseinbruchsdiebstahl (19 Prozent). Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mord in Deutschland unerkannt bleibt, ist also sehr sehr sehr gering.

Frauen werden häufig von “dem großen Unbekannten” vergewaltigt

Nein. Frauen werden in der Hälfte der Fälle von ihrem Partner oder engsten Familienmitgliedern getötet. Insgesamt gehen Delikte, die der Gewaltkriminalität zugeordnet werden etwa zur Hälfte vom eigenen Partner, Ex-Partner, der eigenen Familie oder Freunden aus. Bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist das z.B. in rund 15.000 von ca. 28.000 Fällen so. Von den 8.000 Vergewaltigungen 2021 haben über 6.000 im Nähefeld des (weiblichen) Opfers stattgefunden. „Nur“ in knapp 1.000 Fällen konnte keine Beziehung zwischen Täter und Opfer festgestellt werden. Der große Unbekannte, der Frauen während des Joggens hinter einem Busch auflauert, existiert also. Die wahre Gefahr geht für Frauen laut Polizeilicher Kriminalstatistik jedoch von ihren männlichen Partnern, männlichen Familienangehörigen und den eigenen Freunden aus.

Dass sich Frauen auf der Straße trotzdem unsicherer fühlen als Männer, lässt sich mit der sogenannten Kriminalitätsfurcht erklären, also der subjektiven (nicht rationalen) Angst, Opfer einer Straftat zu werden, die bei Frauen deutlich stärker ausgeprägt ist als bei Männern.

Hohe Strafen wirken abschreckend

Schön wärs. Auch das ist zwischenzeitlich wiederlegt. In der Kriminalpolitik wird seit vielen Jahren die abschreckende Wirkung von Sanktionen diskutiert. Beliebt sind die sog. „Abschreckungstheorien“ vor allem in den USA, wo einige Staaten noch die Todesstrafe kennen. Trotz harten Sanktionen hat die USA jedoch eine hohe Kriminalitätsrate, nämlich einen Kriminalitätsindex von 48. Damit landen die Vereinigten Staaten weltweit auf Platz 56. Ähnlich beispielsweise wie Griechenland oder Schweden. Deutschland liegt mit einem Kriminalitätsindex von 37 auf Platz 100 (je höher die Platzierung, desto weniger Kriminalität). Sehr gute Zahlen haben beispielsweise auch die Schweiz und Japan. Eine hohe Kriminalitätsbelastung gibt es hingegen in Südamerika und dem Nahen Osten sowie Südafrika.

So ist es nicht verwunderlich, dass es inzwischen vermehrt Studien gibt, die zum Ergebnis kommen, dass die Todesstrafe im Hinblick auf die restliche Bevölkerung nicht abschreckend wirkt bzw. dass insgesamt härtere Strafen nicht zu weniger Kriminalität führen. Und auch lange Gefängnisstrafen haben nicht die erwünschte Wirkung. Das zeigt sich vor allem, wenn man den:die Inhaftierte:n selbst betrachtet. Unterschiedliche Forschungsergebnisse zeigen, dass der Aufenthalt im Gefängnis keine spezialpräventive (im Sinne einer abschreckenden) Wirkung auf die Inhaftierten hat, sondern das Rückfallrisiko sogar etwas erhöht. In Deutschland wird nach Entlassung aus dem Strafvollzug knapp jeder Dritte wieder straffällig. Bei Jugendlichen sind es sogar 50 Prozent. Deswegen funktionieren auch die in den USA beliebten „bootcamps“ für Jugendliche mehr schlecht als recht.

Wer sich also über vermeintlich „lasche“ Strafen echauffiert und drakonische Sanktionen fordert, sollte sich klar sein, dass diese eigentlich nur das eigene Vergeltungsbedürfnis befriedigen.

Die Gewaltkriminalität wird seit Jahren schlimmer

Das ist ein Gerücht. Bei Kriminalität handelt es sich um ein stetiges Phänomen. Die Zahlen sind über die Jahrzehnte in Deutschland verhältnismäßig stabil geblieben. 1987 wurden 4,4 Millionen Fälle registriert. 1993 wurde erstmals die Marke von 6 Millionen Fällen überschritten. Seitdem fallen die Zahlen jedoch wieder ab. 2020 wurden insgesamt 5,3 Millionen Fälle und 2021 5,0 Millionen Fälle polizeilich registriert.

Dabei sind vor allem die Straftaten gegen das Leben von rund 4.900 Fällen im Jahr 1995 stark gesunken auf 2.900 Fälle im Jahr 2021. Das gilt insgesamt auch für die Delikte der „Gewaltkriminalität“. Während Anfang des Jahrtausends rund 200.000 Gewaltdelikte registriert wurden, sanken die Zahlen 2020 auf 177.000 Fälle und 2021 auf 165.000 Fälle ab.

Die Behauptung, dass unsere Gesellschaft verrohen würde und dass insgesamt immer schwerere Straftaten begangen werden, stimmt also nicht. Es werden sogar weniger Straftaten insgesamt und auch weniger Gewaltdelikte verübt als noch vor 20 Jahren. Und auch gegenüber dem Mittelalter stehen wir heute deutlich besser da – nicht nur im Hinblick auf die Kriminalität.


Polizeiliche Kriminalstatistik 2021: https://www.bka.de/
Hinweis: Bei den genannten Zahlen handelt es sich ausschließlich um Taten und Täter:innen, die entdeckt und polizeilich registriert wurden. Das sog. Dunkelfeld, also Taten die nicht entdeckt oder nicht angezeigt wurden, wird in der PKS nicht berücksichtigt.

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