Die Harry Potter Bücher gehören zu den am meisten verkauften Büchern weltweit. Jedes Kind kennt Harry Potter und seine Freunde. Was man von einem Fantasy-Buch jedoch nicht erwartet: Detaillierte Auseinandersetzungen mit Rechtsfragen. Doch hier überrascht J.K. Rowling ihre Leser:innen. Denn in den Harry Potter Büchern geht es um Strafprozesse, lebenslange Freiheitsstrafen in Askaban. Und: um Eigentumsfragen. Genauer gesagt, um die unterschiedliche Interpretation von Eigentum, die Zauberer, Hexen und Kobolde haben. Das zeigt sich bei der Frage, wem das Schwert Gryffindors eigentlich gehört. Wir haben uns das näher angeschaut.
Ein Schwert geht auf Reise
Erstmals taucht das Schwert Gryffindors im zweiten Harry Potter Buch auf. Harry zieht es in der Kammer des Schreckens aus dem Sprechenden Hut und schlägt damit dem Basilisken den Kopf ab. Danach hören wir lange Zeit nichts von diesem wertvollen Gegenstand. Man kann annehmen, dass das Schwert in dieser Zeit in Dumbledores Büro aufbewahrt wird.
Erst im letzten Harry Potter Buch spielt das Schwert Gryffindors wieder eine Rolle. Denn Harry und seine Freunde brauchen das Schwert, um damit weitere Horkruxe Lord Voldemorts zu zerstören. Deswegen vererbt Dumbledore das Schwert nach seinem Tod an Harry. Das findet das Zaubereiministerium überhaupt nicht lustig. Zaubereiminister Scrimgeour behält Dumbledores Erbe zunächst ein, um es – angeblich – auf schwarzmagische Artefakte zu untersuchen.
“Scrimgeour machte sich diesmal nicht die Mühe, aus dem Testament vorzulesen. »Das Schwert von Godric Gryffindor«, sagte er. Hermine und Ron erstarrten. Harry schaute sich um, ob er den rubinbesetzten Griff irgendwo sehen konnte, aber Scrimgeour zog das Schwert nicht aus dem Lederbeutel, der sowieso viel zu klein dafür wirkte. »Und wo ist es?«, fragte Harry argwöhnisch. »Leider«, sagte Scrimgeour, »stand es Dumbledore nicht zu, dieses Schwert zu verschenken. Das Schwert von Godric Gryffindor ist ein bedeutendes historisches Artefakt und als solches gehört es -« »Es gehört Harry!«, sagte Hermine erzürnt. »Es hat ihn auserwählt, er war derjenige, der es gefunden hat, es kam zu ihm aus dem Sprechenden Hut heraus -« »Verlässlichen historischen Quellen zufolge kann sich das Schwert in den Dienst eines jeden würdigen Gryffindors stellen«, sagte Scrimgeour. »Das macht es nicht zum alleinigen Eigentum von Mr Potter, was auch immer Dumbledore beschlossen haben mag.«”
Vererbung des Schwertes auf Harry Potter
Nehmen wir an, dass Dumbledore vor seinem Tod tatsächlich der alleinige Eigentümer des Schwertes war. Dann hätte er es problemlos an Harry vererben können. Die gesetzliche Erbfolge nach § 1924 BGB wird hier verdrängt durch Dumbledores Testament. In § 2247 BGB sind die Voraussetzungen geregelt, die ein solches Testament erfüllen muss. So ist dieses unter anderem eigenhändig von dem:der Erblasser:in zu verfassen. Alternativ kann das Testament gem. § 2232 BGB zur Niederschrift bei einem:r Notar:in erfolgen.
Im vorliegenden Fall problematisch ist aber, dass es sich bei dem Schwert Gryffindors um einen Gegenstand mit enormer magischer und historischer Bedeutung handelt. Schließlich hat es dem mächtigen Gründer des Hogwartshauses Gryffindor gehört. Zumindest nach magischem Recht kann Dumbledore das Schwert deswegen nicht einfach vererben. Er war nämlich nie der alleinige Eigentümer des Schwertes, sondern lediglich dessen Verwahrer. Das Schwert sucht sich seine:n neue:n Eigentümer:in vielmehr unter würdigen Gryffindors selbst aus. Eine solche komplexe magische Regelung kennt unser BGB natürlich nicht.
Später erlangt Severus Snape – als neuer Schulleiter von Hogwarts – die Herrschaftsgewalt über das Schwert. Er lässt es – angeblich – auf Voldemorts Geheiß sicher im Verlies von Bellatrix Lestrange verwahren.
Der Diebstahl des Schwertes
“»Hast du das nicht mitbekommen, Ted?«, fragte Dirk. »Von den Kindern, die versucht haben, das Schwert von Gryffindor aus Snapes Büro in Hogwarts zu stehlen?« »Ein paar Tage später, ich vermute mal, sobald er die Zustimmung von Du-weißt-schon-wem hatte, schickte er es nach London, um es stattdessen bei Gringotts aufbewahren zu lassen.« […] »O ja. Es ist eine Kopie – eine hervorragende Kopie, freilich –, aber von Zaubererhand. Das Original wurde vor Jahrhunderten von Kobolden geschmiedet und hatte gewisse Eigenschaften, die nur koboldgearbeitete Waffen besitzen. Wo immer sich das echte Schwert von Gryffindor befindet, es ist nicht in einem Verlies der Gringotts-Bank.«”
In Wahrheit übergibt Severus Snape das Schwert als Spion Dumbledores jedoch Harry, der damit einen Horkrux zerstört. Bei der Schlacht von Hogwarts zieht Neville das Schwert Gryffindors und tötet damit Nagini, die ebenfalls ein Horkrux ist.
Eine Übereignung an Severus Snape fand weder nach magischem Recht, noch nach deutschem Recht statt. Denn das Schwert kann nur an einen würdigen Gryffindor weitergegeben werden. Bei Severus Snape handelt es sich jedoch um einen Slytherin. Er ist lediglich zeitweise im Besitz des Schwertes und soll es für Dumbledore aufbewahren bzw. an Harry weitergeben.
Und auch die Gryffindor-Schüler:innen rund um Ginny Weasley konnten kein Eigentum am Schwert erlangen. Denn sie haben es lediglich gestohlen. Hätten sie das Schwert an einen Dritten weiterverkauft, hätte dieser das Schwert auch nicht gutgläubig nach § 932 BGB erwerben können. Denn § 935 schließt den gutgläubigen Erwerb einer sog. „abhandengekommenen Sache“, also insbesondere einer gestohlenen Sache, aus. Bei Neville, einem Gryffindor-Schüler, der das Schwert bei der Schlacht von Hogwarts benutzt, um den Horcrux, in Form der Schlange Nagini zu zerstören, handelt es sich definitiv um einen würdigen Gryffindor. Als Harry Potter Fan bin ich deswegen der festen Überzeugung: Neville ist der letzte und wahre Eigentümer des Schwertes Gryffindors.
Die Eigentumslage nach Kobold-Auffassung
Doch Moment mal! Ende gut, alles gut? Aus Sicht der Zauberer schon. Doch die Kobolde, die auch die Zaubererbank Gringotts betreiben, haben ein ganz anderes Verständnis von Eigentum. Das ist einer der Gründe für die zahlreichen Koboldrebellionen, die in der Geschichte der Zaubererwelt stattgefunden haben.
“»Das Schwert gehört uns -« »Das tut es nicht«, sagte der Kobold. »Wir sind Gryffindors, und es war Godric Gryffindors -« »Und vor Gryffindor, wem hat es da gehört?«, wollte der Kobold wissen und setzte sich aufrecht hin. »Niemandem«, sagte Ron, »es wurde für ihn hergestellt, oder?« »Nein!«, schrie der Kobold wutschnaubend und deutete mit einem langen Finger auf Ron. »Wieder diese Arroganz der Zauberer! Dieses Schwert gehörte Ragnuk dem Ersten und es wurde ihm von Godric Gryffindor genommen! Es ist ein verlorener Schatz, ein Meisterwerk der Koboldkunst! Es gehört den Kobolden! Das Schwert ist der Lohn für meine Dienste, das ist mein letztes Wort!«”
Das Schwert Gryffindors wurde von Kobolden gefertigt. Nach deren Rechtsordnung ist Eigentümer:in einer Sache die Person, die diese Sache hergestellt, also z.B. geschmiedet, hat. Die Kobolde behaupten jetzt, Godric Gryffindor habe das Schwert gestohlen. Sie sind der Meinung, dass das Schwert im Eigentum der Kobolde steht. Selbst wenn Gryffindor das Schwert rechtmäßig „gekauft“ hätte, wäre es nach Ansicht der Kobolde nur „gemietet“ und würde nach dem Tod Gryffindors wieder in das Eigentum desjenigen Kobolds zurückfallen, der es geschmiedet hat.
Das ist spannend. Wenn das Schwert ursprünglich tatsächlich im Eigentum von Ragnuk stand und diesem von Godric Gryffindor gestohlen wurde, hätte wegen § 923, 935 BGB niemand daran gutgläubig Eigentum erwerben können, weil es sich dabei – wie oben schon erwähnt – um eine gestohlene Sache gehandelt hätte. Aufgeklärt wird diese Frage in den Harry Potter Büchern leider nicht.
Miete, Leihe oder Verarbeitung?
Die von den Kobolden angesprochene “Leihe” bzw. “Miete” gibt es auch im deutschen Recht. Um eine “Leihe” kann es sich beim Schwert Gryffindors jedenfalls dann nicht handeln, wenn Godric Gryffindors den Kobolden tatsächlich Geld gezahlt hat. Denn § 598 BGB besagt: “Durch den Leihvertrag wird der Verleiher einer Sache verpflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten.” Im Gegensatz dazu ist eine “Miete” entgeltlich. In § 535 BGB heißt es dazu: “Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. […] Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten.”
“»Du verstehst nicht, Harry, keiner kann es verstehen, außer wenn er unter Kobolden gelebt hat. Für einen Kobold ist der rechtmäßige und wahre Besitzer jedes Gegenstands nicht der Käufer, sondern der Erzeuger. Alle koboldgearbeiteten Gegenstände gehören in ihren Augen rechtmäßig ihnen.« »Aber wenn er gekauft wurde -« »- dann würden sie ihn als gemietet betrachten, von demjenigen, der das Geld gezahlt hat. Sie haben jedoch große Schwierigkeiten mit der Vorstellung, dass koboldgearbeitete Gegenstände von Zauberer zu Zauberer weitergegeben werden. […] Für sie ist unser Brauch, koboldgearbeitete Gegenstände zu behalten und sie ohne nochmalige Bezahlung von Zauberer zu Zauberer weiterzugeben, nichts anderes als Diebstahl.«”
Das, was hier angesprochen wird, kennen wir kurioser Weise im deutschen Recht tatsächlich auch – zumindest so ähnlich. In § 950 BGB heißt es: „Wer durch Verarbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe eine neue bewegliche Sache herstellt, erwirbt das Eigentum an der neuen Sache, sofern nicht der Wert der Verarbeitung oder der Umbildung erheblich geringer ist als der Wert des Stoffes.“ Das bedeutet: Schmiedet ein Kobold aus Metall, das ihm gehört, ein Schwert, wird der Kobold durch den Verarbeitungsprozess auch nach deutschem Recht der Eigentümer des Schwertes!
Entsprechend umstritten ist die Norm. Die Abdingbarkeitstheorie vertritt die Ansicht, dass § 950 BGB dispositives Recht ist und man einfach per Vertrag festlegen kann, wer der neue Eigentümer einer verarbeiteten Sache wird. Die Gegenansicht sieht § 950 BGB als zwingendes Recht. Diese Meinung vertritt aber, dass vertraglich festgelegt werden kann, wer der „Hersteller“ einer Sache ist. In der Praxis wird das Problem mit einer sog. „Herstellerklausel“ gelöst.
Da wird jedoch nicht wissen, wie die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Godric Gryffindor und den Kobolden aussahen bzw. ob es überhaupt eine solche gab (oder das Schwert nicht tatsächlich gestohlen wurde), lässt sich die Frage nach dem Eigentum am Schwert Gryffindors in den Harry Potter Büchern leider nicht beantworten. Im magischen Recht käme es jedenfalls darauf an, ob man der Ansicht der Hexen und Zauberer oder der Ansicht der Kobolde folgt.
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Jannina Schäffer begibt sich in ihrer Dissertation “Harry Potter und die Gesetze der Macht” (2024, summa cum laude) auf eine fantastische Spurensuche und stellt erstmals das Rechtssystem der Harry-Potter-Welt umfassend dar. Im Rahmen einer rechtsvergleichenden Analyse stellt sie das deutsche Recht dem Recht der Zauberer gegenüber. Dabei bezieht sie auch das historische NS-(Un-)Recht von 1933 bis 1945 in ihre Betrachtung mit ein, denn Parallelen zwischen der Machtergreifung Adolf Hitlers und dem Aufstieg Lord Voldemorts sind in der Literaturwissenschaft allgemein anerkannt. Ein Schwerpunkt des Werks, das der Schnittmengendisziplin „Law and Literature“ zuzurechnen ist, liegt auf dem materiellen und prozessualen Strafrecht sowie der Untersuchung, inwiefern das historische und fiktive (Un-)Recht beiden Diktatoren zur Macht verhalf.