Forschungsnetzwerk “Junges Nachhaltigkeitsrecht”

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Am 30. Juli 2022 fand an der LMU München in der kleinen Aula die Auftaktkonferenz „Junges Nachhaltigkeitsrecht“ (kurz: JNR) statt. Das JNR versteht sich als offenes Forschungsnetzwerk intradisziplinärer Nachhaltigkeitsdogmatik in den Rechtswissenschaften zum dynamischen und kollaborativen Austausch über Nachhaltigkeitsfragen. Organisiert wurde die Auftakttagung von Dr. Daria Bayer, Felix Butz, Franca Langlet, LL.M., Nicolai v. Maltitz, LL.M., Anna-Lena Poppe, Jun.-Prof. Dr. Lucia Sommerer, LL.M. und Maren Wöbbeking.

Beim vorabendlichen Kamingespräch am 29. Juli mit Prof. Dr. Ann-Kathrin Kaufhold und den Referent:innen ging es vor allem um die Rolle der Rechtswissenschaft in interdisziplinären Diskursen und die Frage nach dem Begriff von Nachhaltigkeit. Die angeregte Diskussion fand kein Ende, es zeigte sich das emanzipatorische Potenzial der Rechtswissenschaft, der in Nachhaltigkeitsfragen auch im interdisziplinären Diskurs verstärkt eine eigenständige Bedeutung zukommt. Jurist:innen, so das offene Fazit, werden nicht mehr (nur) als Gesetzschreiber:innen verstanden, die die Erkenntnisse anderer Wissenschaftsdisziplinen umsetzen, sondern tragen selbst zur Erkenntnisfindung in interdisziplinären Zusammenschlüssen bei. Dies machte schon große Vorfreude auf den Folgetag.  Der Abend fand seinen Ausklang im berüchtigten Münchner Café an der Uni (CADU).

Umfangreicher Tagungstag mit großartigen Referent:innen

Der Tagungstag begann mit einleitenden Grußworten des Organisationsteams, vertreten durch Nicolai von Maltitz. Sodann ging es zugleich direkt in medias res mit dem 1. Panel „Nachhaltigkeit und Eigenverantwortung“. In diesem zeigte Ulrike Jürschik zunächst auf, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Klimabeschluss die Notwendigkeit einer Transformation zur Klimaneutralität zwar anerkennt, auf eine Referenz auf das Nachhaltigkeitsprinzip jedoch verzichtet. Anschließend schlug Isa Bilgen als Abkehrvom bisherigen Freiheitsdogma „tun und lassen, was man will“ eine alternative Interpretation des Art. 2 Abs. 1 GG vor. Sein konzeptioneller Ansatz einer„Nachhaltigkeit als Grundpflicht“ führte zu großen Diskussionen.

Nach einer kurzen Kaffeepause mit selbstgekochtem Kaffee ging es weiter mit der Keynote von Prof. Dr. Anne-Christin Mittwoch über die „Herausforderungen der Nachhaltigkeitstransformation für die Rechtswissenschaft aus Sicht des Wirtschaftsrechts“.

Mit dem anschließenden zweiten Panel „Globales Nachhaltigkeitsrecht“ verließen wir den Boden des nationalen Rechts und nahmen das internationale (Straf-)Recht in den Blick. Nella Sayatz trug das von ihr mit Jun.-Prof. Dr. Aziz Epik, LL.M. ausgearbeitete Paper „Nachhaltigkeit und Völkerstrafrecht“ vor, in dessen Mittelpunkt die Legitimation völkerstrafrechtlicher Verbrechenstatbestände zum Schutz der Umwelt, Defizite der bestehenden Rechtslage und Optionen de lege ferenda standen. Stefanie Hug beleuchtete im Anschluss danach die Verantwortlichkeit von Staaten.

Nach der Mittagspause blieben wir mit dem dritten Panel „Nachhaltigkeit in der Rechtspraxis“ auf internationalem Terrain, nahmen aber mehr die praktische Perspektive in den Blick. Hier referierteDr. Romy Klimke zu „Konfligierende Nachhaltigkeitsziele in Rechtssetzungsprozessen im Wirtschaftsvölkerrecht“. Katia Hamann warf einen Blick auf „aktuelle Entwicklungen im Umgang mit klimawandelbedingter Migration im Bereich des internationalen Menschenrechtsschutzes und der globalen Governance-Ebene“.

Praxis-Impuls aus dem Bundesministerium der Justiz

Die praktische Perspektive wurde ergänzt durch einen kurzen Praxis-Impuls von Timo Vogler, LL.M., Referent für Nachhaltigkeit im Bundesministerium der Justiz. Timo Vogler ging in seinem Beitrag der Frage nach, was der Anspruch der Agenda 2030, gemeinsam „die Welt auf den Pfad der Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit zu bringen“, für den Rechtssetzungsprozess bedeutet.

Mit dem letzten Panel „Wirtschaftliche Systeme und Nachhaltigkeit“ kehrten wir schließlich zurück auf den Boden des nationalen Rechts und in das Herz der gesellschaftsrechtlichen Diskussion. Hier referierte Dr. Markus Lieberknecht, LL.M. zum Thema „Greta Blackrock? Institutionelle Investoren als Klimaaktivisten“ und Marvin Reiff hielt einen Vortrag unter dem Titel „Verantwortungseigentum, Nachhaltigkeit und das Ende des Kapitalismus“ vor. Beide Panelisten beschäftigten sich in ihren Vorträgen jeweils mit dem Potenzial des Gesellschaftsrechts im Rahmen einer nachhaltigen Transformation unserer Gesellschaft durch privatrechtliche Unternehmen.

Die Tagung klang aus mit Schlussworten von Anna-Lena Poppe sowie einer gemeinsamen Ideensammlung zur Zukunft des JNR. Einige Teilnehmende verschlug es danach noch in den Englischen Garten, wo die Diskussionen bei einem Getränk weitergeführt wurden.

Gefördert wurde die Tagung vom Verlag NOMOS, dem Berliner Wissenschaftsverlag und der Kanzlei Noerr. Unser Dank gilt insbesondere auch dem Lehrstuhl von Prof. Dr. Helmut Satzger, der uns in jeder Hinsicht unterstützte. Auch für das leibliche Wohl war gesorgt durch den Naturkostladen Mutter Erde, der uns mit veganem Essen unter freiem Himmel versorgte.

Rechtlichen Nachhaltigkeitsdiskurs aktiv mitgestalten!

Das JUNGE NACHHALTIGKEITSRECHT (JNR) versteht sich als ein im Werden begriffenes, offenes Forschungsnetzwerk der kommenden Wissenschaftsgeneration. Ziel ist es, den rechtlichen Nachhaltigkeitsdiskurs aktiv mitzugestalten und zu dessen notwendiger Rationalisierung beizutragen. Hierfür schafft das JNR Begegnungsräume für einen dynamischen und kollaborativen Austausch zwischen den rechtlichen Teildisziplinen und darüber hinaus. Nur eine durch Pluralität und Aufgeschlossenheit geprägte Wissenschaftskommunikation wird den mannigfaltigen ökologischen, ökonomischen und sozialen Verflechtungen gerecht und trägt so zur Erforschung und Gestaltung der immer komplexeren Gegenwartsgesellschaft bei. Mit seiner Auftakttagung strebt das JNR ein längerfristiges Zusammenwirken an, welches es gemeinsam zu gestalten gilt.


Das Netzwerk ist auch auf Twitter vertreten, unter @JNRecht. Bei Interesse an einer Mitarbeit erreicht man JNR per Mail unter: junges_nachhaltigkeitsrecht@protonmail.com

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