Eine kleine Bürgerinitiative verklagt die Stadt Bayreuth – Ihr Ziel: mehr Klimaschutz

In der kleinen bayrischen Stadt Bayreuth klagt die Bürgerinitiatve “Klimaentscheid Bayreuth” gegen die Stadt. Dem gehen zwei Jahre intensive Gespräche und Verhandlungen zwischen der Initiative und der Stadt voraus. Nun sieht die Initiative eine Klage als einzigen Weg nach vorne. 

Klimalobbyismus auf kommunaler Ebene

Der Klimaentscheid Bayreuth ist ein unparteiischer Zusammenschluss aus Bayreuther Bürger:innen, der sich für regionalen Klimaschutz einsetzt. Deutschlandweit gibt es inzwischen über 85 Klimaentscheide, die von der NGO GermanZero inspiriert oder initiiert wurden. Die NGO hatte im Mai 2020 die Idee lokaler Bürgerbegehren, die versuchen, Deutschland mit einem bottom-up-Ansatz von unten klimaneutral zu machen.

Der Bayeuther Klimaentscheid ist der 5. Klimaentscheid Deutschlands. Schon 2020 begann die Initiative mit dem Sammeln der Unterschriften für ein Bürgerbegehren. Gefordert wurde die Erstellung und Umsetzung mit Monitoring eines Maßnahmenplans, der Bayreuth bis 2030 klimaneutral macht unter Einbezug der Bürger:innen (https://klimaentscheid-bayreuth.de/ziel#forderung).

Dies war jedoch nicht der einzige Weg, den die Initiative beschritt, um auf mehr Klimaschutz in der Stadt Bayreuth hinzuwirken. Die Initiative suchte außerdem Kontakt zu Verwaltung und Stadtrat, um durch Gespräche und Verhandlungen einen Beschluss für mehr Klimaschutz zu erreichen. So konnte ein Grundsatzbeschluss zur Klimaneutralität bis 2040 erwirkt werden. Dies gelang insbesondere, da die Initiative die gesammelten Unterschriften für das Bürgerbegehren als Druckmittel nutzte. Denn ein Bürgerbegehren wollte der Stadtrat nicht zuletzt wegen der Kosten vermeiden. Darüber hinaus lenkte der Klimaentscheid die Aufmerksamkeit der Lokalpresse auf die Missstände in Sachen Klimaschutz, die in der Stadt Bayreuth vorlagen. 

Mit diesem Zwischenerfolg war die Initiative jedoch nicht zufrieden. Das Datum des Grundsatzbeschlusses liegt nicht nur zehn Jahre hinter dem geforderten Klimaneutralitätsdatum 2030, sondern mit diesem Datum wird das Pariser 1,5-Grad-Ziel auch nicht eingehalten. Daher entschloss sich die Initiative, die gesammelten Unterschriften im Juni 2022 trotzdem einzureichen.

Wie läuft ein Bürgerbegehren ab? 

Das Bürgerbegehren ist für den Freistaat in § 18a GemO Bayern geregelt. Nachdem eine Initiative die nötigen Unterschriften bei der Stadt eingereicht hat, wird zunächst über die rechtliche Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entschieden. Hierzu legt das Rechtsamt der Stadt ein Gutachten vor, welches die formelle und materielle Zulässigkeit des Begehrens prüft. Der Stadtrat entscheidet dann auf Grundlage dieses Gutachtens über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens (§ 18 a VIII GemO). Der Stadtrat Bayreuth hat das Bürgerbegehren in einer Stadtratssitzung Ende Juni für materiell unzulässig erklärt. Dem ging eine lebhafte Debatte voraus, bei der sich auch viele Stadtratsmitglieder dafür stark gemacht haben, nicht für die Beschlussvorlage des Rechtsamts, sondern für die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu stimmen. Es kamen in der Stadtratssitzung teils Zweifel auf, ob die Einschätzung des Rechtsamts einer gerichtlichen Überprüfung sicher standhalten würde. 

Da die Unzulässigkeitserklärung auf Grund der vorhergegangenen Gesprächen mit dem Stadtrat vom Klimaentscheid schon antizipiert wurden, hat die Initiative sich frühzeitig mit der Option einer Klage auseinandergesetzt (§ 18 a VIII GemO). Dabei wurden sie von der Bayreuther Rechtsanwältin Veronika Thalhammer aber auch von Professorin Dr. Eva Julia Lohse (Lehrstuhl für Öffentliches Recht III) der Universität Bayreuth und verschiedenen wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen untersützt. 

Stadt Bayreuth behauptet Unzulässigkeit des Begehrens

Wie begründet das Rechtsamt der Stadt Bayreuth die Unzulässigkeit? Welche Chancen sieht der Klimaentscheid in einer Klage?

1. Die Stadt Bayreuth begründet die Ablehnung u.a. damit, dass die Forderung zu unbestimmt sei. Gefordert wird im Bürgerbegehren, dass ein verbindlicher Maßnahmenplan erstellt wird, dass dieser anschließend in einer Bürgerversammlung mit den Bürger:innen diskutiert, überarbeitet und schließlich umgesetzt wird.

Nach Ansicht der Stadt sei es widersprüchlich, einen verbindlichen Maßnahmenplan zu fordern, wenn dieser anschließend anhand von Bürgeranregungen nochmal überarbeitet werde. Zudem sei nicht erkennbar, welche Bürgeranregungen berücksichtigt werden müssten. Dies sieht der Klimaentscheid anders. Es dürfte für jeden Unterzeichnenden eindeutig erkennbar sein, dass es darum geht, dass der Plan eben am Ende verbindlich ist und dass die Anregungen der Bürger:innen dabei berücksichtigt werden – wobei der Stadt ein Gestaltungsspielraum zukomme, welche Anregungen sie einfließen lässt. Die Rechtsauffassung der Stadt verkennt nach Auffassung der Initiative die wohlwollende Auslegung, die nach der gefestigten Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte gelte.

2. Zudem behauptet die Stadt Bayreuth, dass man sie nicht auf einen Maßnahmenplan verpflichten könne, dessen Inhalt noch nicht feststehe.

Hier bestehen aufgrund der relativ großzügigen Rechtsprechung zu ähnlichen Grundsatzbeschlüssen in Bürgerbegehren durchaus gute Argumentationsmöglichkeiten für die Zulässigkeit. Relevant ist v.a., dass der Stadt gerade nicht ein fremdbestimmter Plan auferlegt wird, sondern ihr ein sehr weiter Gestaltungsspielraum gelassen wird, welche Maßnahmen sie selbst für die Zielerreichung für zweckmäßig erachtet.

3. Außerdem hat die Stadt Bayreuth angedeutet, dass nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne, ob es bei der Realisierung des Maßnahmenplans zu einem Verstoß gegen Haushaltsgrundsätze kommen könnte.

Auch hier sieht der Klimaentscheid sehr gute Argumente auf seiner Seite. Insbesondere gäbe es bereits Rechtsprechung, wonach es ausdrücklich nicht genügt, wenn ein Verstoß gegen Haushaltsgrundsätze nicht ausgeschlossen werden kann. Vielmehr sei ein Bürgerbegehren nur dann unzulässig, wenn ein solcher Verstoß zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung schon sicher feststehe. Derartiges wird die Stadt nur schwerlich belegen können, zumal sie es selbst in der Hand habe, möglichst kosteneffiziente Maßnahmen zu wählen. Zudem habe die Initiative eine Reihe von Argumenten gegen einen solchen Verstoß gegen Haushaltsgrundsätze in der Hand. So könne beispielsweise argumentiert werden, dass ein möglicher hoher CO2-Preis in Zukunft noch viel teurer wäre als Maßnahmen zur Treibhausgasemissionsminderung. Weiter gäbe es viele Maßnahmen, die in Investitionen bestehen, die sich nach ein paar Jahren finanziell für die Stadt auszahlen würden – um nur zwei beispielhafte Argumente zu nennen.

Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht

Der Klimaentscheid hat sich dafür entschieden diesen Schritt der Klage zu gehen, weil er das Potential bietet, auch über Bayreuth hinaus eine Wirkung zu entfalten. Mit einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts zur Frage, ob eine Stadt dazu verpflichtet werden kann, bis 2030 klimaneutral zu werden und wie viel ihr dabei abverlangt werden kann, könnte ein Präzedenzfall geschaffen werden. Das ist vor allem auch für andere Klimaentscheide sehr relevant. Zum einen kann die mit der Klage verbundene Öffentlichkeitsarbeit andere Klimaentscheide ermutigen, bei Widerständen seitens der Stadträt:innen nicht aufzugeben. Zum anderen wird die Klage unabhängig vom Ausgang des Verfahrens mehr Klarheit schaffen, wie klimabezogene Forderungen in Bürgerbegehren aus rechtlicher Sicht formuliert werden sollten. Darüber hinaus bleibt somit das Thema in Bayreuth auf dem Tisch und wird weiterhin vom Stadtrat diskutiert. 

Die Klage ist am Verwaltungsgericht Bayreuth rechtshängig. Ein Termin zur Hauptverhandlung wurde noch nicht bestimmt.

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