Rechter Referendar darf nicht von rechtem Anwalt ausgebildet werden

Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat entschieden, dass ein Rechtsreferendar aus dem Oberlandesgerichtsbezirk Dresden, der Mitglied bei der rechtsextremen Kleinpartei “Der III. Weg” ist, nicht von einem Rechtsanwalt ausgebildet werden darf, der Vorsitzender der “Freien Sachsen” ist.

Nach bestandenem ersten Staatsexamen müssen angehende Jurist:innen das zweijährige Rechtsreferendariat durchlaufen. In diesem werden sie in verschiedenen Stationen für die Praxis ausgebildet. Eine der Stationen ist die sog. Anwaltsstation, welche die Rechtsreferendar:innen in einer Sozietät oder bei einem Einzelanwalt ableisten müssen. Der Referendar Matthias B. wollte seine Anwaltsstation beim Chemnitzer Rechtsanwalt Martin Kohlmann absolvieren, der auch Vorsitzender der “Freien Sachsen” ist.

Partei wird vom Verfassungsschutz beobachtet

Das Problem: Mathias B. fiel bereits in der Vergangenheit als rechtsextrem auf. Er war in der NPD tätig und ist inzwischen Mitglied der rechtsextremen Kleinpartei “Der III. Weg”. Die Partei gilt als demokratiefeindlich und rechtsextrem. So ließ “Der III. Weg” im Wahlkampf beispielsweise Plakate aufhängen, auf denen „Hängt die Grünen!“ stand. Die Plakataktion wurde von mehreren Gerichten als rechtswidrig eingestuft (JURios berichtet). Die Partei ist zwar nicht verboten, wird aber vom Verfassungsschutz beobachtet. Denn sie vertrete eine “fundamental ablehnende Haltung gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat”.

Auf Grund seiner rechtsextremen Gesinnung war bereits strittig, ob Mathias B. überhaupt zum Rechtsreferendariat zugelassen werden soll. Nachdem sich Mathias B. durch mehrere Instanzen geklagt hatte, entschied am Ende der Verfassungsgerichtshof in Leipzig, dass er in Sachsen sein Referendariat antreten darf (JURios berichtet). Zur Begründung führte das Gericht an, dass eine Nichtzulassung tief in die Berufsfreiheit des angehenden Juristen eingreifen würde. Denn das Rechtsreferendariat und das Bestehen des daran anschließenden zweiten Staatsexamens ist in Deutschland Voraussetzung, um als Richter:in, Staatsanwält:in oder Anwält:in arbeiten zu dürfen.

Zulassung als Rechtsreferendar mit Auflage verbunden

Und so musste das Land Sachsen den Referendar zulassen. Es verband die Zulassung aber mit Auflagen. So behielt sich das Land vor, den Rechtsreferendar einer geeigneten Ausbildungsperson zuzuweisen, falls die von ihm selbst ausgesuchte Person nicht geeignet sein sollte. Mit dieser Begründung lehnte das für seine Ausbildung zuständige OLG Dresden den Antrag des Referendars für eine neunmonatige Ausbildungsstation beim Chemnitzer Rechtsanwalt Martin Kohlmann dann schließlich ab. Denn dieser sei “Akteur der rechtsextremen Szene in Chemnitz”. Zudem sei die Partei “Freie Sachsen” vom Sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft worden und sie werde bundesweit vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet.

Gegen diese Entscheidung legte der Referendar erfolglos Widerspruch ein und zog schließlich vor das VG Chemnitz. Zur Begründung führte der Referendar an, die politische Tätigkeit seines Wunschausbilders sei für dessen Anwaltstätigkeit nicht von Bedeutung. Die Entscheidung stelle eine unzulässige politische Diskriminierung dar. Der Eilantrag blieb jedoch ohne Erfolg. Die Richter:innen urteilten, dass im vorliegenden Fall das Interesse an der Absicherung der “Funktionsfähigkeit der Rechtspflege” im juristischen Vorbereitungsdienst gegenüber der freien Auswahl des Ausbilders überwiege. Dazu diene die vom OLG vorgesehene Auflage.

Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und Vertrauen in Justiz

Dazu heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts: „Die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege setzt voraus, dass gesellschaftliches Vertrauen nicht nur in die einzelne Richterpersönlichkeit, sondern in die Justiz insgesamt existiert, was auch die Justiz als die für den Juristischen Vorbereitungsdienst verantwortliche Stelle einschließt. Dieses Vertrauen kann durch eine Vielzahl von Umständen gestärkt oder beeinträchtigt werden, wobei dem Staat die Aufgabe der Optimierung zukommt.“

Das VG betonte in seiner Entscheidung, dass Zweifel an der Verfassungstreue von Referendar und Rechtsanwalt bestünden. Diese Zweifel hinsichtlich der Verfassungstreue würden Umstände schaffen, „die das gesellschaftliche Vertrauen in die Justiz beeinträchtigen können, wenn ein Referendar einem Rechtsanwalt zur Ausbildung zugewiesen würde, ohne dass die Möglichkeit einer ‘Reglementierung’ besteht.“ Die Zuweisung an einen anderen vom OLG ausgesuchten Chemnitzer Anwalt anstelle von Kohlmann sieht das VG deswegen “nicht als offensichtlich falsch” an. 


Entscheidung: VG Chemnitz, Beschl. v. 27.10.2022, Az. 3 L 455/22
Pressemitteilung: https://www.justiz.sachsen.de/

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