Internet in der Sicherungsverwahrung?!

Mit seinem aktuellen Beschluss (vom 6.10.2022 – 2 Ws 260/22) stärkt das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe die Rechte von Inhaftierten in puncto Mediennutzung. Umso mehr lohnt sich ein Blick aufs Detail, insbesondere darauf, wie der praktische Vollzug der Sicherungsverwahrung aussieht und welche Rolle das Internet dabei spielt.

Kosten der Sicherheitsüberprüfung

Gegenstand der Rechtsbeschwerde war die Frage, ob ein Sicherungsverwahrter an den Kosten für die sicherheitstechnische Überprüfung eines von ihm bestellten internetfähigen TV-Geräts beteiligt werden kann. Der OLG-Senat verneint dies und weist zutreffend darauf hin, dass es in Baden-Württemberg bereits an einer Rechtsgrundlage „für die Kostenbeteiligung des Sicherungsverwahrten für die Überprüfung eingebrachter Elektrogeräte fehlt“.

Eine echte Novität ist dabei die Feststellung des Gerichts, dass nicht auf die Regelung des § 52 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 JVollzGB V zurückgegriffen werden kann, der eine ausnahmsweise Kostenbeteiligung für „die Überlassung von Geräten der Unterhaltungs- und Informationstechnik“ vorsieht. Denn es handelt sich bei dem Fernseher zwar um ein Gerät der Unterhaltungstechnik. Nach Auffassung des Senats kann jedoch von einer Überlassung im Falle der Sicherheitsüberprüfung keine Rede sein. Dem ist zuzustimmen. Denn mit „Überlassung“ ist eine Leistung gemeint, die dem Sicherungsverwahrten unmittelbar zugutekommt. Die Überprüfung des Fernsehers, einschließlich der Verplombung, ist dagegen eine Maßnahme, die den Sicherungsverwahrten weder unmittelbar betrifft noch ihm einen leistungsbedingten Vorteil bietet, sondern sie dient – so das Gericht – allein dem „Sicherungsbedürfnis der Vollzugsanstalt“.

Abstandsgebot und Internet

Ein weiterer Punkt, den auch das OLG thematisiert, ist die Sonderrolle von Sicherungsverwahrten beziehungsweise das vom Bundesverfassungsgericht formulierte Abstandsgebot, demzufolge „die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Praxis der Unterbringung“ (BVerfGE 128, 326) bestimmen muss. Richtig ist, dass aus diesem verfassungsrechtlichen Gebot keine unmittelbaren Ansprüche der Inhaftierten (auf Einzelmaßnahmen) hergeleitet werden können. Dennoch lohnt es sich, an dieser Stelle genauer hinzusehen. Denn wie die Entscheidung des OLG Karlsruhe zeigt, lautet in Baden-Württemberg das vollzugliche „Credo“ noch immer: Das Internet ist generell gefährlich. TV-Geräte sollen nicht über WLAN oder Bluetooth-Funktionen verfügen. Sie müssen deshalb überprüft, Funktionen deaktiviert und das Gehäuse verplombt werden. So weit, so sicher.

Gleichzeitig wirft diese restriktive Haltung Fragen auf. Nämlich: Wie verhält es sich mit dem Abstandsgebot in Bezug auf die Internetnutzung? Und: Sollte ein freiheitsorientierter Vollzug der Sicherungsverwahrung angesichts der technischen Entwicklungen in der Außenwelt (Stichwort: Digitalisierung) das Internet weiterhin aussperren? Ein Blick in das JVollzGB lässt die Beantwortung dieser Fragen nur drängender erscheinen. So ist in § 2 Abs. 3 JVollzGB V die Rede davon, dass das Leben im Vollzug „den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen“ und der „Bezug zum Leben außerhalb des Vollzugs“ zu erhalten ist. Auch ist für andere Medien, wie etwa das Telefon, der Abstand zum Strafvollzug normativ bereits hergestellt, während es in puncto Internetzugang an einer Regelung im JVollzGB generell fehlt.

Bezieht man in diese Betrachtung ferner die Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahre 2019 (Beschluss vom 27.6.2019 Vf. 64-IV-18) mit ein, in der vom Gerichtshof die besondere Bedeutung des Internets für die Informationsfreiheit der Sicherungsverwahrten betont wurde, dann beschleicht einen das Gefühl, dass im baden-württembergischen Konzept der Sicherungsverwahrung etwas nicht stimmt.

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Dr. Lorenz Bode
Dr. Lorenz Bode
Der Beitrag gibt ausschließlich seine persönliche Auffassung wieder.

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