Der Umhang von Doctor Strange – ein gefährliches Werkzeug im Sinne des Strafrechts?

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Spätestens seit dem gleichnamigen Marvel-Film, der im Jahr 2016 in die Kinos kam, ist Doctor Strange nicht nur ein Teil des Marvel Cinematic Universe (MCU), sondern auch einem großen deutschen Publikum bekannt. Fester Bestandteil seines Auftretens ist sein schwebender Umhang, ein magisches Relikt, das seinem Herrn überall hin folgt. Der Umhang ist in der Lage, Widersacher:innen zu fesseln, sie festzuhalten, gegen Wände zu werfen und zu würgen. Handelt es sich damit beim schwebenden Umhang von Doctor Strange um ein gefährliches Werkzeug im Sinne des StGB?

Dr. Stephen Vincent Strange arbeitet als erfolgreicher Neurochirurg in New York. Er ist selbstbewusst, arrogant und von seinem Talent als Chirurg fest überzeugt. Doch sein Leben ändert sich schlagartig, als er die Kontrolle über seinen Sportwagen verliert, einen schweren Autounfall hat und selbst im Krankenhaus landet. Dort können die Ärzte zwar sein Leben retten, Stephen Strange trägt jedoch bleibende Nervenschäden an den Händen davon, die es ihm unmöglich machen, weiter als Chirurg zu arbeiten. Seine letzte Hoffnung ist eine Reise nach Kathmandu, wo ein geheimnisvoller Ort namens Kamar-Taj Heilung verspricht. Doch Stephen Strange findet in der Tempelstadt nicht nur eine Kur für seine Hände, sondern wird von „der Ältesten“ in den magischen Künsten ausgebildet. Der Meister der mystischen Mächte Wong offenbart Stephen Strange, dass es die Aufgabe der Magier sei, die Welt vor Gefahren mystischer Art zu schützen. Und genau das tut Stephen Strange alias Doctor Strange in den weiteren Marvel-Filmen auch. Zuletzt in „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ (2022).

Umhang der Levitation mit eigenem Willen

Seinen legendären Umgang erhält Doctor Strange direkt im ersten Film. Als er in einem Tempel voller magischer Artefakte von dem Zauberer und Superschurken Kaecilius angegriffen wird, stürzt er in eine Vitrine, die einen dunkelroten, bodenlangen Umhang beinhaltet. Doch der Umhang ist nicht irgendein Umhang, sondern der Umhang der Levitation. Und sehr zum Erstaunen “der Ältesten” wählt der Umhang Doctor Strange als neuen Herrn aus – eine Ehre, die den aller mächtigsten Magiern vorbehalten ist. Trägt Doctor Strange diesen Umhang, kann er fliegen. Und das Kleidungsstück hat noch weitere Tricks in petto. Unter anderem wickelt es die Gegner:innen von Doctor Strange regelmäßig ein und würgt diese. Damit rettet er Doctor Strange mehr als einmal das Leben. Doch der Umhang ist genauso widerspenstig wie sein Träger. Manchmal macht er sich selbstständig und tut Dinge, die Doctor Strange so nicht geplant hatte. Am Ende kehrt der schwebende Umhang jedoch immer wieder zu seinem Meister zurück und steht ihm treu zur Seite.

By: AndromedaDualitas (Deviant Art)

Damit handelt es sich bei dem schwebenden Umhang nicht nur um ein wertvolles magisches Artefakt, sondern auch um ein Mittel, das Doctor Strange im Kampf gegen seine Widersacher:innen einsetzt. Die tragen bei den Begegnungen natürlich die eine oder andere Verletzung (§ 223 ff. StGB) davon. Ist der Umhang der Levitation damit ein gefährliches Werkzeug im Sinne des Strafrechts?

Umstrittener Begriff des „gefährlichen Werkzeugs“

Der Begriff des “gefährlichen Werkzeugs” wird an verschiedenen Stellen im StGB verwendet. Ein gefährliches Werkzeug gem. § 224 I Nr. 2 StGB ist jeder Gegenstand, “der nach seiner Beschaffenheit geeignet ist, bei der konkreten Art der Verwendung als Angriffs- oder Verteidigungsmittel erhebliche Verletzungen herbeizuführen”. Da die Körperverletzung hier „mittels“ des gefährlichen Werkzeugs auch tatsächlich begangen wird, ist es leicht, festzustellen, ob die konkrete Art der Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Diese Definition kann nach herrschender Meinung auch auf § 250 II Nr. 1 StGB übertragen werden, da das gefährliche Werkzeug hier bei der Begehung des Raubes ebenfalls tatsächlich verwendet wird.

So weit, so einfach. Probleme ergeben sich jedoch bei Paragraphen, in denen das gefährliche Werkzeug nicht verwendet, sondern nur „bei sich geführt“ wird. Die Definition des gefährlichen Werkezeugs i.S.d. § 244 II Nr. 1 lit. a Alt. 2 StGB, § 250 1 Nr. 1 a) Alt. 2 StGB ist deswegen höchst umstritten. Einigkeit besteht nur insoweit, dass der Maßstab des § 224 I Nr. 2 StGB darauf nicht übertragen werden kann, da gerade keine Verwendung des Werkzeugs voraussetzt wird, auf deren konkrete Gefährlichkeit man abstellen könnte.

Im Wesentlichen werden hier deswegen subjektive und objektive Kriterien herangezogen, um den Begriff zu bestimmen. Die subjektiven Ansichten stellen auf eine Verwendungsabsicht gerade als gefährliches Werkzeug ab. So können Alltagsgegenstände herausgefiltert werden, die der Täter nur zufällig – und mit anderer Motivation als der Tatbegehung – mit sich führte. Die Gegenauffassung grenzt den Begriff objektiv ein, indem eine „Waffenähnlichkeit“ verlangt wird. Nach der Rspr. des BGH ist die Gefährlichkeit auf Grundlage einer Einzelfallprüfung der objektiven Umstände zu beurteilen.

Körperverletzung „mittels“ eines schwebenden Umhangs

Verletzt Doctor Strange im Kampf seine Widersacher:innen mit dem schwebenden Umhang – beispielsweise, indem der Umhang einen Gegner:innen bis zur Bewusstlosigkeit würgt, erfüllt er unproblematisch den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gem. § 224 I Nr. 2 StGB. Denn der Umhang ist nach seiner Beschaffenheit geeignet, bei der konkreten Art der Verwendung als Angriffs- oder Verteidigungsmittel erhebliche Verletzungen herbeizuführen. So wickelt sich der Umhang beispielsweise um den Kopf des bösen Zauberers Lucian Aster, würgt ihn und wirft ihn gegen eine Wand.

Dieses Ergebnis bestätigte jetzt auch nochmals das Kammergericht Berlin. Zwar nicht im Hinblick auf einen magischen Umhang, jedoch in Bezug auf eine einfache Jacke. Ja, richtig gehört. Bei einer handelsüblichen – nichtmagischen – Jacke kann es sich um ein gefährliches Werkzeug iSd. § 224 I Nr. 2 StGB handeln.

By:pencilHead7 (DeviantArt)

Eine Jacke als gefährliches Werkzeug

Im Urteil ging es um einen Mann, der seine Lebensgefährtin, nachdem sich diese von ihm trennte, aufs übelste misshandelte. Er schlug und würgte sie bis zur Bewusstlosigkeit. Als sie das Bewusstsein wiedererlangte, trat er mit seinen mit Sportschuhen beschuhten Füßen auf Kopf, Bauch und Unterleib der Frau. Als sie um Hilfe rief, presste er seine Jacke auf ihr Gesicht, wodurch sie abermals für kurze Zeit das Bewusstsein verlor. Zur Frage, ob es sich bei der Jacke um ein gefährliches Werzeug handelt, führte das Kammergericht aus:

„Für die ganz h.M. kommt es maßgeblich auf den gefährlichen Gebrauch eines solchen Werkzeuges und nicht auf dessen objektive Beschaffenheit an […]. Daran gemessen ist auch eine Jacke in der im amtsgerichtlichen Urteil festgestellten Verwendung als gefährliches Werkzeug zu qualifizieren. Fehlende Feststellungen zur objektiven Beschaffenheit der Jacke stehen dem nicht entgegen. Denn nach den Urteilsausführungen war ihr Gebrauch (festes Drücken auf das Gesicht der Geschädigten) geeignet, erhebliche Verletzungen herbeizuführen (Atemnot und kurzfristiger Verlust des Bewusstseins).“ (KG, Urt. v. 25.07.2022, Az. 3 Ss 34/22, (3) 161 Ss 93/21 (34/22)).

Wir merken uns also: Auch eine einfache Jacke (also ein an sich harmloser Alltagsgegenstand) kann ein gefährliches Werkzeug sein. Und: Bei der Definition muss unterschieden werden, ob das Werkzeug tatsächlich verwendet oder nur bei sich geführt wird. Doctor Strange hat jedenfalls großes Glück, dass seine Machenschaften nicht von deutschen Strafverfolgungsbehörden verfolgt werden. Denn dann müsste er sich neben diversen (gefährlichen) Körperverletzungen auch für die eine oder andere Sachbeschädigung verantworten.

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