Jurastudium: Der Schwerpunktbereich “Steuerrecht”

Willst du dir wirklich Steuerrecht antun? Das war die Reaktion meines Umfeldes, als ich noch nach dem Examen an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen meinen Schwerpunkt von Wirtschaftsstrafrecht zu Steuerrecht wechselte, da ich während des Examens bemerkte, dass mir Strafrecht so gar nicht lag. Was erwartet dich also im Schwerpunktbereich Steuerrecht? Das möchte ich dir hier erzählen.

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Warum Steuerrecht?

Als mir klar wurde, dass es wohl doch nicht Wirtschaftsstrafrecht werden würde, war natürlich die Frage: Was wird es denn dann? Eine Freundin von mir sagte zu diesem Zeitpunkt: „So, jetzt habe ich einen Juristen und einen Arzt in meinem Freundeskreis, jetzt fehlt nur noch ein Steuerberater!“ Irgendwie war das für mich direkt ein Appell, weil ich mir dachte: „Ja, also eine Steuererklärung muss ich sowieso irgendwann machen“. Steuerrecht wäre also auch für den eigenen Alltag sicherlich sehr nützlich. Ich sollte Steuerrecht machen. Gesagt, getan und ich besuchte unmittelbar danach die Steuerrechtsvorlesungen.

Was lernt man denn so im Steuerrecht?

Die Steuerrechtsvorlesungen an der Uni Tübingen setzen sich dabei im Wintersemester aus den Grundlagen des Steuerrechts, Systematik des Einkommensteuerrechts, AO/FGO, Bilanzrecht und Gewinnermittlung, Umsatzsteuerrecht, Gewerbesteuer und Bewertung, sowie Gesellschaftsrecht zusammen.

Im Sommersemester hört man dann noch erweiternd Einkommensteuerrecht und Unternehmenssteuerrecht. Da man für den Schwerpunkt 16 Semesterwochenstunden benötigt, um sich für die Schwerpunktprüfung anmelden zu können, wählen viele noch Internationalem Steuerrecht (nicht so beliebt, weil schwer) oder Erbschaft,- und Schenksteuerrecht hinzu. Es wird außerdem eine Fallbesprechung sowie ein Seminar im Steuerrecht angeboten. Eins davon sollte besucht werden, um auf die erforderlichen Stunden zukommen. Am Schluss darf man dann eine fünfstündige Examensklausur sowie eine 15-minütige mündliche Prüfung absolvieren.

Vorstellung des Schwerpunktbereichs Steuerrecht an der Universität Trier (Youtube-Video)

Und was genau macht man da jetzt?

Wenn man in der Materie nicht drin ist, dann sagen einem die oben genannten Vorlesungen vermutlich nicht viel und man fragt sich immer noch: “Ok und was macht man da jetzt genau? Wie sieht denn jetzt so eine Klausur im Steuerrecht aus?” Denn das ist ja letztendlich das Wichtigste.

Der Schwerpunkt im Steuerrecht liegt eindeutig im Einkommensteuerrecht und im Unternehmenssteuerrecht (was eigentlich nur eine Unterform des Einkommensteuerrechts ist). Klausurrelevant war bei uns auch noch das Umsatzsteuerrecht sowie die Abgabenordnung und (AO) und die Finanzgerichtsordnung (FGO), welche aber in der Klausurvorbereitung eher eine untergeordnete Rolle einnahm.

Ich habe es meinen Freunden immer so beschrieben, wenn ich gefragt wurde, was wir hier eigentlich machen: “Wir qualifizieren und sortieren (quantifizieren).” Und das trifft es eigentlich ganz gut, wie ich finde.

Der Sachverhalt ist meistens so (sehr vereinfacht), dass es sich um eine natürliche Person handelt, die z.B. einen Gewerbebetrieb unterhält und im Rahmen dieser Tätigkeit gewisse Einnahmen erzielt und Ausgaben tätigt. Es wird für den Betrieb ein Auto gekauft und nur für geschäftliche Zwecke verwendet (schwieriger wird es dann, wenn es auch für Privatfahrten verwendet wird), ein Computer angeschafft oder ein Fest für die Mitarbeiter veranstaltet. Eben ein ganz normales Jahr innerhalb des Betriebs. Die Frage ist dann natürlich, wie sich die Geschäftsvorgänge einkommensteuerrechtlich auswirken.

Und dann geht die Arbeit los: Es wird qualifiziert, also gefragt zu welcher Einkunftsart die Einnahmen gehören (hier gibt es nur sieben Einkunftsarten – sog. numerus clausus des Steuerrechts, § 2 I S1 Nr. 1-7 EStG) und wie diese Einkünfte zu ermitteln sind. Muss der Geschäftsmann einen qualifizierten Betriebsvermögensvergleich gem. §§ 4 I iVm. § 5 I EStG vornehmen, der sich gem. §§ 238 ff. HGB und §§ 140,141 AO nach dem Maßgeblichkeitsprinzip oder nach der Handelsbilanz richtet oder darf er eine Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) gem. § 4 III EStG erstellen?

Je nach dem müssen dann Besonderheiten bei der Gewinnermittlung beachtet werden. Bei der EÜR gilt gem. § 11 EStG das Zu- und Abflussprinzip, bei der Pflicht zur Erstellung einer Bilanz das Realisationsprinzip.

Für wen ist Steuerrecht etwas?

Wer sind denn diese Leute, die da im Steuerrecht sitzen? Mir kam es immer so vor, als wäre das Steuerrecht ein bisschen die Elite der Schwerpunkte gewesen. Immer, wenn man erzählt hat, dass man Steuerrecht macht, ging ein kleines Raunen durch den Raum. Oh, Steuerrecht, das ist bestimmt schwierig, oder? Aber ist es das denn wirklich oder ist es einfach nur anders? Ich würde sagen, es ist einfach anders!

Im Steuerrecht ist man nicht die ganze Zeit am Definitionen lernen (auch wenn man mit vielen neuen Begriffen wie “Welteinkommensprinzip” oder “Gewinn- und Verlustrechnung”, kurz GuV, konfrontiert wird). Steuerrecht ist tatsächlich logisch. Man fragt sich vor seinem inneren Auge immer, wie sich der Geschäftsvorfall auf die Bilanz auswirkt und ob er erfolgswirksam ist? Dann kann ich ihn steuerrechtlich geltend machen oder ist er erfolgsneutral, dann kann ich ihn nicht steuerrechtlich geltend machen. Es ist immer eine bilanzielle Überlegung im Hintergrund, die, wenn man sie verstanden hat, keinen Bedarf für viel Auswendiglernen hat.

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Natürlich ist es auch hier unerlässlich sich viele Fälle anzuschauen, zu lösen und auch Einzelprobleme zu kennen. Ihr braucht jedoch keine Sorge vor dem mathematischen Aspekt zu haben. Dieser steht nicht im Vordergrund und es geht eher um die rechtliche Einschätzung der Geschäftsvorfälle. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn nachher auch richtig gerechnet wird, aber sollte das mal nicht der Fall sein, so ist das auch kein Genickbruch.

Würde ich es wieder tun?

Nach dem die Schwerpunktklausur geschrieben war, stellten meine Kommilitonen und ich uns alle dieselbe Frage: “Würden wir noch mal Steuerrecht wählen?”

Ich persönlich würde es wieder tun! Durch den Schwerpunkt habe ich wirklich viel gelernt, nicht nur für den späteren Beruf, sondern auch für das private Leben. Was ist alles steuerlich absetzbar? Welche Einkünfte sind überhaupt steuerbar? Auch wenn das Steuerrecht zum öffentlichen Recht gehört und man wie im Verwaltungsrecht auch eine Anfechtungsklage gegen den Steuerbescheid (besonderer Verwaltungsakt) prüfen muss, so hat das Steuerrecht große Verflechtungen mit dem Zivilrecht. Ein Professor meinte einmal: „Man kann nur ein guter Zivilrechtler sein, wenn man auch weiß, wie sich die Vorgänge steuerrechtlich auswirken. Nur dann kann man allumfassend beratend tätig werden.“

Das habe ich so auch nach dem Schwerpunkt empfunden und kann diesen Schwerpunkt gerade für Studierende, die sich überlegen als Anwalt im Zivilrecht tätig zu werden oder die z.B. beim Finanzamt arbeiten möchten, empfehlen. In Baden-Württemberg kann dieser Schwerpunkt auch im zweiten Examen erneut gewählt werden. Man schlägt sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe. Mit diesem Schwerpunkt stehen einem also sehr viele Türen offen. Ob im öffentlichen Recht oder im Zivilrecht.

An welchen Unis gibt es den Schwerpunkt Steuerrecht

Den Schwerpunktbereich Steuerrecht gibt es an fast jeder Juristischen Fakultät. Es ist deswegen nicht nötig, die Uniwahl von diesem Schwerpunktbereich abhängig zu machen. An einigen Fakultäten wird das Steuerrecht gemeinsam mit dem Wirtschaftsrecht gelehrt. Mit einem Klick auf die Links landet Ihr direkt auf den jeweiligen Seiten des Schwerpunktbereichs Steuerrecht an der jeweiligen Universität:

Universität Augsburg
Universität Bayreuth
Freie Universität Berlin
Ruhr-Universität Bochum
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Bucerius Law School
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Universität Hamburg
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Universität zu Köln
Universität Leipzig
Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Universität Mannheim
Ludwig-Maximilians-Universität München
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Universität Osnabrück
Universität Passau
Universität Potsdam
Universität des Saarlandes
Universität Trier
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

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