Jurastudium: Der Schwerpunktbereich Medizinstrafrecht

Die Wahl des Schwerpunktbereiches im Jurastudium ist wohl nicht immer ganz einfach. So macht doch die Note im Vergleich zum staatlichen Teil immerhin 30 Prozent aus. Aber wie wählt man den “richtigen” Schwerpunktbereich? Und was spricht für den Schwerpunkt Medizinstrafrecht?

Sollte man nach eigenen Interessen oder besser nach den zu erwartenden Noten entscheiden? Oder vielleicht eine Mischung aus Beidem? Meine persönliche Antwort: nach dem INTERESSE! Warum? Weil man im Gegensatz zu anderen Bundesländern an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg KEINE Klausur anfertigen muss, sondern “nur” eine wissenschaftliche Prüfungsarbeit in Form einer 6-wöchigen Hausarbeit (60%) und eine mündliche Prüfung (40%), die aus einem Kurzvortrag und einer Aussprache über die wissenschaftliche Prüfungsarbeit, sowie aus einem weiteren Prüfungsgespräch besteht. Hat man nun aber wenig Interesse an dem Fachgebiet, fällt es doch sehr schwer, sich umfänglich in das Thema einzuarbeiten und mit Spaß die Hausarbeit anzufertigen. Meine Wahl fiel deswegen auf den Schwerpunktbereich Kriminalwissenschaften mit dem Wahlbereich Medizin- und Biostrafrecht.

Tipps fürs Jurastudium

Aus welchen Vorlesungen besteht der Schwerpunktbereich Kriminalwissenschaften?

Grundsätzlich sind die verschiedenen Schwerpunktbereiche an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in einen Pflichtbereich und einen Wahlbereich unterteilt. Vorweg muss aber gesagt werden, dass gerade keine Anwesenheitspflicht in den Vorlesungen besteht. Ist man, wie ich zum Beispiel, kein auditiver, sondern ein visueller Lerntyp und liest den Stoff lieber selbst in einem Lehrbuch nach, ist es völlig legitim die Vorlesungen nicht zu besuchen. Das kann zu einer hohen Zeitersparnis führen!

Im Pflichtbereich werden die Vorlesungen Kriminologie (mit Wirtschaftskriminologie), Strafprozessrecht (Vertiefung) und Wirtschaftsstrafrecht angeboten.

Die Kriminologie befasst sich dabei mit den Ursachen der Kriminalität, der systematischen Erforschung komplexer Zusammenhänge und Lösungen und den Folgen von Kriminalität für Gesellschaft und Opfer. Die Wirtschaftskriminologie dehnt dies dann noch dahingehend aus, dass Grundlagen für das Verständnis der Bereicherungskriminalität gelegt werden.

Das Strafprozessrecht zählt auch schon zu dem Pflichtstoff für den staatlichen Teil. Im Rahmen der Vorlesung Strafprozessrecht II werden bereits bekannte Inhalte vertieft und verfestigt. So werden unter anderem die besonderen Verfahrensarten wie das Strafbefehlsverfahren, das beschleunigte Verfahren und das Wiederaufnahmeverfahren näher beleuchtet. Aber auch die Beteiligten des Strafverfahrens, sowie Beweisverbote und natürlich die Rechtsmittel finden eine erhöhte Beachtung.

In der Vorlesung Wirtschaftsstrafrecht wird die strafrechtliche Haftung für unternehmensbezogenes Handeln und typische Besonderheiten dieses Rechtsgebiets beleuchtet. In diesem Zusammenhang spielt auch der Einfluss des EU-Rechts eine Rolle. So kommt man im Rahmen dessen auch mit den, sonst im Studium nicht behandelten, §§ 73 ff. StGB (der Vermögensabschöpfung) und auch einer Haftung nach dem OWiG in Berührung.

Mein gewählter Wahlbereich des Medizin- und Biostrafrechts umfasst die Vorlesungen des Medizin- und Biostrafrechts und die der Forensischen Psychiatrie.

Erstere vermittelt Kenntnisse über das Recht am Lebensbeginn (Embryonenschutz, Schwangerschaftsabbruch, Leihmutterschaft und Samenspende, Genetisches Klonen, etc.) und am Lebensende (insbes. Sterbehilfe). Aber auch das Transplantationsrecht, die ärztliche Schweigepflicht, Beurteilung von Behandlungsfehlern und ähnliches, stellen ein Kernelement der Veranstaltung dar.

Die forensische Psychiatrie hingegen befasst sich mit der Willensfreiheit, sowie der Schuld und dem Umgang mit schuldlosen Straftäter:innen. Dabei spielt das Maßregelrecht nach den §§ 63 ff. StGB eine zentrale Rolle.

Gibt es noch andere Wahlbereiche?

Ja! Neben dem Wahlbereich Medizin- und Biostrafrecht stehen noch drei weitere Wahlbereiche zur Verfügung.

Zum einen besteht der Wahlbereich der speziellen Kriminologie, der sich mit den strafrechtlichen Sanktionen und dem Strafvollzugsrecht, sowie mit der Berufs- und Unternehmenskriminologie beschäftigt.

Zum anderen kann eine Vertiefung des Wirtschaftsstrafrechts durch gleichnamigen Wahlbereich erfolgen, welcher dann das Kapitalmarktstrafrecht und die besonderen Bereiche des Wirtschaftsstrafrechts vertieft.

Die dritte Variante besteht im Wahlbereich der Praxis der Strafverteidigung. Diese umfasst sowohl die Strategie und Taktik der Strafverteidigung, als auch das europäische Straf- und Strafverfahrensrecht.

Welche Zulassungsvoraussetzungen bestehen?

Um zur Schwerpunktbereichsprüfung zugelassen zu werden, bedarf es neben erfolgreicher Absolvierung der Zwischenprüfung, einer Schlüsselqualifikation und einer Mindeststudienzeit von fünf Semestern auch eines sog. Seminarscheins im gewählten Schwerpunktbereich. Dieses Seminar muss aber nicht im Wahlbereich erfolgen, sondern kann thematisch auch lediglich im Pflichtbereich liegen.

Das Seminar ist ähnlich aufgebaut wie die spätere wissenschaftliche Prüfungsarbeit. Die mündliche Prüfung besteht dagegen lediglich aus einer Aussprache zur Arbeit.

Allerdings muss angemerkt werden, dass der Bereich Kriminalwissenschaften in Halle (Saale) der einzig strafrechtlich geprägte Schwerpunktbereich ist. Das Strafrecht stößt aber so schon erfahrungsgemäß auf einen höheren Anklang als andere Rechtsgebiete, sodass der Andrang recht hoch ist. Manche Professor:innen nehmen daher nur Studierende an, die auch bei ihnen das Seminar absolviert haben. Um eventuellen Problemen aus dem Weg zu gehen, bietet es sich daher an, schon vor der Teilnahme an dem jeweiligen Seminar eine entsprechende Rücksprache mit den Lehrenden zu halten. Diese sind aber in der Regel sehr dankbar über Anfragen und freuen sich, Schwerpunktprüfungen betreuen zu dürfen.

Und wann kann ich den Schwerpunkt absolvieren? Der Schwerpunkt kann in Halle (Saale), unabhängig vom Bereich, viermal im Jahr abgelegt werden. Themenausgabe ist dabei jeweils der 01. Februar, 02. Mai, 01. August oder 01. November. Allerdings besteht für den Februar- und Augustdurchgang für Teilnehmende an der staatlichen Pflichtfachprüfung eine Ausnahme. Diese können beantragen, dass die Themenausgabe erst am 15. März bzw. 12. September erfolgt. Somit können Examenskandidat:innen den staatlichen und den universitären Teil nahtlos nacheinander absolvieren.

Sollte ich den Schwerpunkt vor oder nach dem staatlichen Teil absolvieren?

Antwort: Es kommt darauf an! Ich selbst habe den Schwerpunkt vor dem staatlichen Teil absolviert und bin anschließend direkt ins Repetitorium gestartet. Diese Entscheidung bereue ich auch nicht. Gerade der Schwerpunktbereich Kriminalwissenschaften bietet sich für eine vorangehende Durchführung an, da kein so umfängliches Grundverständnis in verschiedene Teilbereiche notwendig ist wie beispielsweise im Europa- oder Zivilprozessrecht. Mit dem Lernen für die mündliche Prüfung muss man zwingendermaßen schon den gesamten allgemeinen Teil des Strafrechts und einzelne Teile des besonderen Teils lernen. Dies stellt einen immensen Vorteil im Repetitorium dar, da man einen entsprechenden Wissensvorsprung hat und die Einheiten nicht so vertieft nacharbeiten muss. Die gewonnene Zeit kann man für andere Rechtsgebiete verwenden. Außerdem besteht auch schon ein gewissen Grundverständnis für dieses Rechtsgebiet.

In Halle (Saale) besteht außerdem auch nicht die Gefahr, dass der Freischuss verfällt, da das Semester, in dem der Schwerpunkt abgelegt wird, nicht auf den Freiversuch angerechnet wird. Ein weiterer Vorteil besteht auch darin, dass man sich nach dem staatlichen Teil direkt selbst ausrechnen kann, welche Gesamtnote man erhält. Man muss nicht auf eine gute Note im Schwerpunkt spekulieren oder hoffen, sondern hat schon Gewissheit.

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Allerdings kann auch eine Absolvierung nach dem staatlichen Teil sinnvoll sein, wenn man noch kein hinreichendes Grundverständnis hat. Besteht man außerdem dem staatlichen Teil nicht, nützt einem auch der Schwerpunkt nichts. Wobei dieses Argument auch umgekehrt gilt. Man muss sich aber auch bewusst sein, dass nach dem staatlichen Teil oftmals “die Luft raus” ist. Absolviert man die Schwerpunktprüfung direkt vor dem Repetitorium, ist man noch sehr motiviert. Außerdem gelangt man zwingendermaßen schon in einen Lernrhythmus, der mit Beginn des Repetitoriums benötigt wird. Somit besteht wiederum ein Vorteil, da es einem leichter fällt konstant zu lernen.

Kann ich den Schwerpunktbereich weiterempfehlen?

Ich empfehle den Schwerpunktbereich allen Studierenden, die Spaß und ein Interesse an Strafrecht haben! Bezüglich des Wahlbereichs sollte vielleicht auch zumindest geringes Interesse an der Medizin bzw. die Auswirkung des Rechts auf diese bestehen.
Vor allem ist dieser Schwerpunktbereich jedem zu empfehlen, der einen Praxisbezug sucht und das Strafrecht nicht nur an starren Sachverhalten erleben will.

Würde ich selbst den Schwerpunktbereich nochmals belegen? Definitiv Ja! Der Schwerpunktbereich macht sehr viel Spaß und weckt das Interesse am Fach. Man lernt nicht nur weitere Schemata von Straftatbeständen, sondern befasst sich auch mit dem Menschen, der hinter einer Straftat steht. Warum werden Menschen straffällig? Wann handeln Menschen schuldlos? Wie muss mit ihnen verfahren werden? Es macht Spaß, sich auch mit unbekannten Themen zu beschäftigen und bereits Bekanntes wiederzuerkennen.

Welche beruflichen Chancen bieten sich?

Der Schwerpunktbereich orientiert sich an einem Rechtsanwalt, der präventiv Unternehmen berät, aber auch an der Praxis der Strafverteidigung, in und außerhalb der Hauptverhandlung.Außerdem vermittelt der Bereich Kenntnisse, die als Staatsanwält:in oder als Richter:in von Nutzen sind. In Verbindung mit dem Wahlbereich ist aber auch eine Tätigkeit im Gesundheitssektor und die Beratung und Vertretung von medizinischem Personal denkbar.

Wem ein Schwerpunktstudium im Bereich Medizin- und Biostrafrecht nicht ausreicht, kann auch an der Martin-Luther-Universität den Master im Medizin- und Ethikrecht anhängen.

Mein Fazit

Der Schwerpunkt des Medizin- und Biostrafrechts ist sicherlich selten. Die Martin-Luther-Universität bietet aber die Möglichkeit, diesen zu absolvieren und einen möglichen Grundstein für eine spätere Karriere zu legen. Das doch immer als kleines Rechtsgebiet bezeichnete Strafrecht, entfaltet plötzlich eine unendliche Weite. Man wagt einen Blick über den Tellerrand hinaus. Ich kann es jedem nur weiterempfehlen.

Wähle deinen Schwerpunkt aber nach deinem Interesse. Wenn du Spaß am Lernen hast, fällt dieses doch umso leichter. Jura soll und kann auch Spaß machen!

An welchen Unis gibt es den Schwerpunkt Medizinstrafrecht?

Den Schwerpunktbereich Medizinstrafrecht gibt es nur an sehr wenigen Juristischen Fakultäten. Man sollte sich deswegen gut überlegen, ob man vielleicht sogar die Uniwahl von diesem Schwerpunktbereich abhängig macht. Oder, ob man bei bestehendem Interesse beispielsweise die Uni für diesen Schwerpunkt bereich wechselt. Mit einem Klick auf die Links landest Du direkt auf den jeweiligen Seiten des Schwerpunktbereichs Medizinstrafrecht an der jeweiligen Universität:

Universität Augsburg
Universität Bremen
Heinrich Heine Universität Düsseldorf
Georg-August-Universität Göttingen
Universität Greifswald
Leibniz Universität Hannover
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Philipps-Universität Marburg
Ludwigs Maximilians Universität München

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Florentine Scheffel
Florentine Scheffel
Rechtsreferendarin in Thüringen.

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