„Frauen werden nicht angezeigt, wenn sie vergewaltigt wurden“ – diese Regelungen gelten bei der Fußball-WM in Katar

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Die Fußball-WM in Katar steht in vielerlei Hinsicht in der Kritik. Klimaschützer:innen kritisieren, dass das Fußballereignis in einem der heißesten Länder der Welt stattfindet und der Energieverbrauch zum Kühlen der Stadien enorm sei. Menschenrechtsorganisationen sind entsetzt, weil seit der Vergabe der WM an Katar mehrere tausend Arbeitsmigrant:innen getötet wurden. LGBTQ+-Aktivist:innen kritisieren hingegen den Umgang des Regimes mit Homosexuellen sowie Trans-Personen. Und um die Frauenrechte im Wüstenstaat steht es gewohnt schlecht – sie existieren faktisch nicht. Ein Regelwerk, das passend zur WM an Polizei und Sicherheitskräfte herausgegeben wurde, führt jetzt zu weiterer Kritik.

Wer genau das Dokument verfasst hat, ist unklar. Es soll sich dabei aber um eine Einigung der Fifa und des katarischen Safety & Security Operations Committee handeln, das den Umgang der Polizei und des Sicherheitspersonals mit Fußball-Fans regelt.

Frauenrechte nicht existent

Bei dem Satz „Frauen werden nicht angezeigt, wenn sie vergewaltigt wurden“ handelt es sich leider um keinen Fehler. Frauen werden in Katar in allen Bereichen des Lebens diskriminiert. Mit teils erschreckenden Konsequenzen. Die Gesetzgebung in Katar schreibt vor, dass jede Frau einen männlichen Vormund haben muss. Das ist im Normalfall der Vater und mit der Heirat der Ehemann. Bei diesem müssen Frauen sich die Erlaubnis für so ziemlich alles einholen – beispielsweise, wenn sie das Haus verlassen, für einen Arzttermin oder, wenn sie eine Arbeit aufnehmen wollen. Gynäkologische Untersuchungen werden nur mit dem Einverständnis des Ehemannes vorgenommen – das gilt natürlich auch für Abtreibungen.

Und auch die Kinder, die aus der Ehe hervorgehen, stehen unter der Vormundschaft ihres Vaters. Frauen dürfen über die Belange ihrer eigenen Kinder nicht mitbestimmen. Stirbt der biologische Vater und gibt es keine anderen männlichen Familienmitglieder, übernimmt der Staat diese Vormundschaft. Zwar hat Katar 2009 die UN-Frauenrechtskonvention von 1979 unterzeichnet, die völkerrechtlich bindend ist und jegliche Form der Diskriminierung von Frauen verbietet, in Realität hält sich der Wüstenstaat aber nicht daran. So sehen die Gesetze Katars ein Ende der männlichen Vormundschaft mit 18 Jahren vor, dies wird in der Praxis jedoch anders gehandhabt.

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Noch schlimmer trifft es nur die weiblichen Arbeitskräfte. Mindestens 84.000 Migrantinnen, mehrheitlich aus Süd- und Südostasien, leben und arbeiten als sogenannte Hausangestellte in Katar. Sie sind mehr oder weniger rechtelos, werden ausgebeutet und misshandelt. Manche Frauen arbeiten bis zu 100 Stunden pro Wochen, ohne einen einzigen freien Tag, so Amnesty International. Körperliche Gewalt und Vergewaltigungen stehen an der Tagesordnung.

Vergewaltigung als außerehelicher Sex

Was hat es jetzt aber mit dem Satz „Frauen werden nicht angezeigt, wenn sie vergewaltigt wurden“ auf sich? Er bezieht sich auf die geltende Rechtslage in Katar und soll westliche Besucher:innen der WM in dieser Hinsicht beruhigen. Denn: Frauen, die sexuelle Übergriffe anzeigen, riskieren in Katar, wegen „unerlaubter Beziehungen“ bzw. „sexueller Beziehungen außerhalb der Ehe“ angeklagt zu werden, was mit mehreren Jahren Gefängnis und/oder Peitschenhieben bestraft wird.

Die Ausnahmeregelung geht vermutlich auf den Fall einer 27-Jährigen zurück. Paola S. war für den “Obersten Rat für Organisation und Nachhaltigkeit in Katar”, einer Partnerorganisation der FIFA, tätig. Sie wurde im Sommer 2021 vergewaltigt und zeigte die Vergewaltigung den Behörden in Katar an. Daraufhin wurde sie verhaftet. Der Täter gab an, er habe eine Affäre mit der 27-Jährigen gehabt und der Sex sei einvernehmlich gewesen. Daraufhin wurde Paola S. wegen „außerehelichem Sex“ angeklagt. Sie sollte zu sieben Jahren Haft und 100 Peitschenhieben verurteilt werden. Wohl auch, um weitere Kritik zu vermeiden, wurde die Anklage nach fast einem Jahr, fallengelassen und Paola S. freigelassen.

Auch nichtverheiratete Paare, die Katar während der WM besuchen, müssen strenggenommen auf (außerehelichen) Sex verzichten. Das gleiche gilt für One-Night-Stands zwischen Fans.

Homosexualität wird streng bestraft

In Katar ist Homosexualität verboten. Nach Artikel 285 des Strafgesetzbuchs wird Sodomie mit bis zu sieben Jahren Freiheitsstrafe bestraf. Theoretisch können Homosexuelle sogar zum Tode verurteilt werden. Das ist in Deutschland spätestens seit der umstrittenen Äußerung des FIFA-Präsidenten Sepp Blatter bekannt. Dieser forderte homosexuelle Fans auf, aus Respekt vor dem Gastgeberland auf Sex während der WM zu verzichten, so lange sie sich in Katar befinden. Und von diesem Gesetz gibt es auch für ausländische Tourist:innen und WM-Besucher:innen keine Ausnahme. Homosexualität bleibt strafbar.

Mit der Anweisung „Personen, die die Regenbogenflagge tragen, werden nicht strafrechtlich verfolgt“ will der Wüstenstaat seinen westlichen Gästen jetzt wohl zumindest etwas entgegenkommen. Das Zeigen und Tragen der Regenbogenflagge wird demnach nicht geahndet. Ein lächerlicher Trost. Generalmajor Abdulasis Abdullah Al Ansari hatte davor noch damit gedroht, Regenbogenflaggen konfiszieren zu lassen. Denn: Menschen, die öffentlich eine Regenbogenflagge zeigen, könnten von Einheimischen attackiert werden. Das sind ja tolle Aussichten!

Alkoholverbot in der Öffentlichkeit

Auch zum Dresscode der Fans lassen sich Regelungen in dem Dokument finden. So sollen insbesondere keine Fans, die im Thawb, der katarischen Nationaltracht, herumlaufen, festgenommen werden. Nur Zuschauer:innen, die sich ausziehen und intime Körperteile enthüllen, können aufgefordert werden, die Kleidung wieder anzuziehen.

Ebenfalls verboten ist der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit sowie die Einfuhr von Alkohol nach Katar. Das dürfte die einzige katarer Eigenheit sein, die das WM-Ereignis deutlich angenehmer macht als in anderen Ländern. Endlich keine Fans mehr, die durch Alkohol völlig enthemmt sind, in die Ecke kotzen oder ihre Mitmenschen belästigen. Anders als im benachbarten Saudi-Arabien ist Alkohol in Katar allerdings nicht gänzlich verboten, wird aber nur sehr eingeschränkt etwa in Bars und bestimmten Hotels ausgeschenkt. In den Fußballstadien wird es nach jetzigem Stand deswegen nur alkoholfreies Bier geben.

Was ist bei der WM in Katar dann überhaupt noch erlaubt? Darüber informiert man sich am besten auf der Seite des Auswärtigen Amtes: https://www.auswaertiges-amt.de/

Oder noch besser: Man verzichtet (nicht nur während der WM) auf den Besuch eines Landes, das über 50 Prozent seiner Einwohner:innen systematisch diskriminiert, gegen jegliche Menschenrechte verstößt und außerdem den Klimawandel überdurchschnittlich stark befeuert.

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