Das Letzte, woran ich nach meinem erfolgreichen Abschluss des ersten Juristischen Staatsexamens gedacht hatte, war das zweite Juristische Staatsexamen. Ich persönlich war zunächst unendlich erleichtert und glücklich, dass ich nach fünfeinhalb Jahren Studium endlich einen Abschluss in der Tasche hatte! Doch bereits wenige Tage später musste ich mir Gedanken dazu machen, wie es denn mit meiner Zukunft weitergeht, immerhin gab es eine Anmeldefrist, die eingehalten werden wollte…
Zweites Examen – ist das überhaupt was für mich?
Alle Jurastudierenden wissen, dass man nach dem ersten Examen noch das zweite Examen absolvieren muss, um Volljurist:in zu werden. Was wir aber auch alle wissen: man muss kein:e Volljurist:in sein, um eine erfolgreiche, brotbringende Karriere zu haben. Ich musste also wirklich ernsthaft darüber nachdenken, was für mich nun am sinnvollsten ist.
Ehrlicherweise war ich nach dem ersten Examen ziemlich ausgebrannt, weshalb ich beschlossen habe, ein halbes Jahr zu pausieren. Ich habe gejobbt und war viel unterwegs und den einzigen Stress, den ich in dieser Zeit kannte, war Freizeitstress.
Mit etwas Abstand überlegte ich mir, wie ich meine Zukunft gestalten möchte. Bezüglich des Examens dachte ich immer, dass ich nach dem ersten Examen sicher auch das zweite Examen schreiben würde, doch jetzt war ich mir nicht mehr so sicher. Zum einen ist mir klar geworden, dass ich später gerne im journalistischen Bereich tätig wäre – dort muss man nicht notwendigerweise Volljuristin sein. Zum anderen war die Examensvorbereitung kraft Natur der Sache und dank Corona sehr stressig. Mir ging es, wie vielen Kommiliton:innen, nicht besonders gut und der immense Druck zu bestehen, machte die Zeit nicht leichter. Wollte ich mir das also nochmal antun? Diesmal mit viel mehr Stoff und Praxisaufgaben und am Ende neun Klausuren?
Da ihr meinen Beitrag zum Ref-Einstieg lest, habe ich mich offensichtlich dafür entschieden. Mein wohl wichtigster Grund: als Volljuristin stehen mir so viele Arbeitsbereiche zur Auswahl, da muss ich mich nicht jetzt schon entscheiden, was ich den Rest meines Arbeitslebens machen möchte. Damit geht natürlich auch die kommende Praxiserfahrung einher, die ich zumindest noch nicht wirklich habe. Und außerdem war ich noch nicht bereit für eine 40-Stunden-Woche. Corona ist glücklicherweise nicht mehr so schlimm, weshalb ich die Hoffnung habe, dass die Examensvorbereitung im zweiten Examen besser werden wird.
Anmeldung, Zuteilung und Vorbereitung
In Bayern gibt es pro Jahr zwei Starttermine für das Ref: im April und im Oktober. Ich habe mich also fleißig durch alle Anmeldeunterlagen gekämpft, um mich für den Herbstjahrgang anzumelden. Dafür habe ich Passbilder anfertigen lassen, mein Führungszeugnis beantragt und alle Formblätter ausgefüllt und auch wieder einen handgeschriebenen Lebenslauf hinzugefügt. Nachdem ich also meine Unterlagen (per Einschreiben – ich bin da immer paranoid) ans OLG Nürnberg verschickt habe, habe ich mich gefragt, was als nächstes passiert.
Im Internet kann man sich ganz gut über den groben Aufbau des Referendariats informieren. In Bayern starten alle mit der Zivilstation, die fünf Monate dauert. Darauf folgt die Strafstation mit drei Monaten. Danach ist man für vier Monate in der Verwaltungsstation. Mit neun Monaten nimmt die Anwaltsstation die längste Zeit ein. Direkt anschließend daran finden die schriftlichen Examensprüfungen statt (Juni und November/Dezember jeden Jahres). Und zu guter Letzt gibt es noch die Wahlstation. Diese endet mit den mündlichen Prüfungen. Neben den Stationen gibt es AGs, die Möglichkeit einen Nebenjob zu machen und natürlich die Examensvorbereitung in Form vom Assessor-Rep (RIP, ich dachte auch, ich müsste nicht mehr zu Hemmer, A/S und Co.).
Nach der Recherche hatte ich zwar einen Überblick, aber dennoch extrem viele Fragen. Da ich aber einige Freund:innen habe, die bereits vor mir mit dem Ref angefangen habe, habe ich diese immer wieder abwechselnd mit meinen Fragen genervt (Dank geht raus!). Ich wusste also, dass ich mich frühzeitig um meine Verwaltungsstation kümmern sollte, da die Plätze in der Umgebung hier heiß begehrt sind. Auch wurde mir erklärt, welche Kommentare ich brauchen werde und dass ich zunächst nicht die neueste Auflage brauche. In Bayern benötigt man für die Zivilstation erst mal nur die Formularsammlung, den Thomas/Putzo (ZPO), und den Grüneberg (BGB). Alles andere kann erst mal warten (zu den Literaturempfehlungen für das Ref). Die Kommentare kann man über ebay-Kleinanzeigen oder von anderen Referendar:innen beziehen. Da die Anschaffung der Kommentare durchaus kostspielig sein kann, lohnt es sich wirklich, zu recherchieren. Zudem kann man die Ausgaben in der Steuererklärung absetzen.
Circa zwei Monate vor dem Ref-Beginn habe ich dann Post bekommen, dass ich im Jahrgang aufgenommen wurde. Und circa zwei Wochen vor dem ersten Tag habe ich nochmal Post erhalten. Diesmal musste ich Personalbögen und Co. ausfüllen. Außerdem wurde ich einer Gruppe zugeteilt und habe erfahren an welchen Gerichten ich die Zivil- und Anwaltsstation machen werde. Der Stundenplan stand auch schon fest und für den ersten Tag gab es ebenfalls Informationen.
Der erste Tag (und die danach)
Und da wären wir auch schon beim ersten Tag. Wir sollten alle um 8.30 Uhr im Sitzungssaal sein. Da ich mit einer Freundin zusammen angefangen habe, sind wir auch gemeinsam dorthin gefahren. Leider kannten wir uns im OLG überhaupt nicht aus und haben den Saal nicht gefunden. Schlau wie wir sind, haben wir natürlich einen Puffer eingebaut und sind nach einer Zeit des Herumirrens endlich zum Sitzungssaal gekommen. Im Saal saßen bekannte Gesichter, die sich miteinander unterhielten. Wir kamen im schwarzen Blazer und Büroschuhen, die meisten anderen waren ähnlich gekleidet (zum Dresscode im Ref). Wir wurden eingeschworen und bekamen unsere Urkunden überreicht. Dann hörten wir uns Reden des OLG-Präsidenten und der AG-Leiter:innen an und durften wieder gehen.
Der zweite Tag begann mit allen möglichen organisatorischen Einführungen durch unseren AG-Leiter. Jede Station beginnt mit Lehrgängen, während denen es eine Urlaubssperre gibt. Nach den Lehrgängen gibt es regulären AG-Unterricht nach Plan. Es werden Zusatzveranstaltungen wie z.B. Rhetorikkurse, Englischkurse und den Besuch des Nürnberger Memoriums angeboten. In der AG werden auch Klausuren geschrieben. Die Klausurnoten bilden einen Teil der Note für das Stationszeugnis. Der andere Teil der Note hängt von den Praxis-Ausbilder:innen (zugeteilte Richter:innen) ab. Bei unseren Praxis-Ausbilder:innen müssen wir an Verhandlungen teilnehmen und eine bestimmte Anzahl an Aufgaben erledigen.
Um uns besser kennenzulernen, gab es eine kleine Vorstellungsrunde und dann ging es auch schon los mit dem Unterricht. Zunächst mit der Klageschrift und dem Klageeingang. Einige Dinge wusste man noch (mehr oder weniger) vom ersten Examen, andere Dinge waren uns völlig neu.
Die ersten zwei Wochen vergingen wie im Flug und damit war auch unser erster Lehrgang geschafft. Nun konnten wir endlich unsere Praxisausbilder:innen kennenlernen. Ich wurde einer Richterin am Amtsgericht zugeteilt. Dort habe ich bereits zwei Akten bearbeitet und Urteile geschrieben (nur zu Übungszwecken!) und mündliche Verhandlungen gesehen. Wenn es zeitlich passt, darf ich hoffentlich bald eine Beweisaufnahme leiten.
Die ersten Seminare haben wir auch schon belegt, die erste Klausur ist geschrieben und korrigiert worden. Bis Weihnachten werden wir noch zwei weitere Klausuren schreiben und an einem Planspiel teilnehmen.
Fazit und Tipps
Alles in allem bin ich sehr zufrieden mit meiner Entscheidung. Die Inhalte sind bisher überwiegend spannend, die Fälle sind interessant und die Aufgaben machbar. Hinzu kommt, dass ich Glück mit meinen Ausbilder:innen habe. Meine Ref-Gruppe ist entspannt und ich habe tolle neue Leute kennengelernt.
Das Referendariat wirkt erst einmal beängstigend und kompliziert, aber zum einen bekommt man zu Beginn einen wirklich guten Überblick durch die AG-Leiter:innen und zum anderen habt ihr ja jetzt diesen Beitrag.
Einen letzten Tipp, den ich von unserem AG-Leiter gestohlen habe, lautet: „Lernen, Laufen, Leben!“. Damit ist gemeint, dass man zwar, wie schon im ersten Examen, viel lernen muss, aber daneben sollte man nicht vergessen, regelmäßig Sport zu machen bzw. sich zu bewegen. Zuletzt sollte man auch mal auf ein Feierabendbier (oder nicht-alkoholisches Getränk) mit seinen neuen Kolleg:innen ausgehen.
Vergesst nicht, dass ihr auch dieses Mal nicht allein seid. Das erste Examen ist geschafft, und so schaffen wir gemeinsam auch noch das zweite Examen. Und diesmal fangen wir auch wirklich rechtzeitig an zu lernen, versprochen…