Im Jurastudium ins Ausland – und wenn ja, wie?

Auslandsaufenthalte sind mittlerweile in vielen Studiengängen üblich, manchmal sogar verpflichtend. Anders im Jurastudium. Auf den Wunsch nach einem Auslandssemester oder Auslandsjahr folgt nicht selten ein skeptischer Blick von Kommiliton:innen oder Fachfremden. Was will man denn mit deutschem Recht im Ausland?

Für ein Auslandssemester gibt es viele Gründe, aber auch einige Punkte, die es zu beachten gilt. Mit diesem Überblick möchte ich Dir die Vor- und Nachteile eines Auslandsaufenthalts im Jurastudium aufzeigen und, falls Du dich dafür entscheidest, einen Überblick über wichtige To Dos geben. Dabei ist eine gewisser Voreingenommenheit nicht auszuschließen – ich schreibe diesen Beitrag aus Bogotá, Kolumbien, wo ich meinen zweiten Auslandsaufenthalt im Rahmen meiner „Jura-Karriere“ absolviere. Hier bin ich für meine Doktorarbeit. Nach dem Grundstudium hatte es mich außerdem für ein Semester nach Peking verschlagen. Deshalb sollen in diesem Beitrag neben generellen Informationen auch meine persönlichen Ratschläge und Erfahrungen Platz finden. 

Tipps fürs Jurastudium

Macht ein Auslandsaufenthalt für mich Sinn?

Im Jurastudium ein (oder mehrere) Auslandssemester zu absolvieren oder nicht zu absolvieren, ist eine sehr individuelle Entscheidung. Finanzielle, zeitliche und sonstige persönliche Faktoren spielen hier eine Rolle. Und während ich am liebsten jedem und jeder zu einer solchen Erfahrung raten möchte, weiß ich: Es gibt auch Gegengründe. Daher im Folgenden der Versuch einer möglichst ausgewogenen Darstellung der Vor- und Nachteile eines Auslandsaufenthalts im Jurastudium.

Nachteil: Der finanzielle und organisatorische Aufwand

Starten wir mit einem Punkt, der viele Studierende von einem Auslandsaufenthalt abhält. Es ist viel mehr Aufwand, als einfach weiterzustudieren. Auch, wenn die zuständigen Uni-Institutionen in vielerlei Hinsicht weiterhelfen, muss ein Auslandsaufenthalt eigeninitiativ organisiert werden. Das heißt: Studierende müssen rechtzeitig – oft viele Monate im Voraus – die notwendigen Anträge stellen, ggf. ihr Zimmer am Heimatort untervermieten, eines im Ausland suchen, möglicherweise Sprachtests absolvieren, ein Visum beantragen und die Finanzierung des Aufenthalts sicherstellen. Das alles ist machbar – aber eben doch mit etwas Arbeit verbunden. Je nach Aufenthaltsort kann es natürlich auch teurer werden als zuhause, dazu kommen die Kosten für An- und Abreise.

Nachteil: Der Faktor Zeit

Es ist Dir wichtig, Dein Studium in Regelstudienzeit zu beenden? Beispielsweise, weil Du auf BAföG angewiesen bist? In dem Fall solltest Du Dir klarmachen, dass ein Auslandsaufenthalt Dir zeitlich eher nicht in die Karten spielt. Ein Trostpflaster, wenn es Dir eher um den Freischuss geht: Hier werden Auslandssemester in aller Regel nicht angerechnet. Dazu ist oft ein Antrag beim zuständigen Justizprüfungsamt notwendig.

Ein weiterer negativer Punkt kann sein, dass deine Jura-Freund:innen, soweit sie nicht auch ins Ausland gehen, nach deiner Rückkehr ein Semester „weiter“ sind. Das würde bedeuten, dass Du nicht mehr mit den gleichen Leuten in der Vorlesung sitzt.

Nachteil: „Nicht examensrelevant“

Aller Wahrscheinlichkeit nach wirst Du Dir nicht alle im Ausland absolvierten Kurse anrechnen lassen können. Mir wurde im Rahmen meines Auslandssemesters in Peking genau ein (Grundlagen-)Kurs anerkannt. Ich habe unter anderem viel Interessantes über Chinas Geschichte gelernt – aber wesentlich für das deutsche Jurastudium ist das natürlich nicht. Im europäischen Ausland hast Du möglicherweise mehr Glück mit der Anerkennung Deiner Kurse. Beispielsweise im Europarecht. Trotzdem gilt: Rein bezogen auf ein schnelles, effektives Jurastudium ist ein Auslandsaufenthalt nicht die sinnvollste Maßnahme.

Ähnlich sieht’s auch in Sachen Examensvorbereitung aus. Ein Nachteil hier ist, dass Du das in Deutschland Erlernte zumindest vorübergehend nicht mehr im Kopf haben wirst. Ich weiß noch genau, wie ich (zugegebenermaßen ziemlich schlecht vorbereitet) nach meinem Auslandsaufenthalt in einem Vorstellungsgespräch für einen Kanzlei-Nebenjob saß. Ich sollte eine AGB-Prüfung durchführen – in den ersten Semestern tausendmal durchexerziert – aber mein Kopf war buchstäblich wie leergefegt.

Vorteil: Neue Blickwinkel

So viel zu den Nachteilen eines Auslandssemesters oder Auslandsjahrs. Kommen wir jetzt zu den guten Nachrichten: Ein Auslandsaufenthalt während des Jurastudiums hat auch viele tolle Vorteile.

Vor allem – klingt heftig nach Klischee, ist aber wahr – ist es eine wahnsinnig bereichernde Erfahrung. Als deutsche:r Jurist:in einen Einblick in ein anderes Rechtssystem zu bekommen, kann meiner Meinung nach nur vorteilhaft sein. Denn durch einen anderen Blickwinkel werden einem auch die Eigenheiten des deutschen Rechts mehr bewusst. Gerade hier in Kolumbien empfinde ich den interdisziplinären und kritischen Ansatz meines Professors vor Ort als unglaublich ermutigend für meine eigene Arbeit. Auch der komplett unterschiedliche Aufbau des Studiums lässt mich hinterfragen, was ich in Deutschland als selbstverständlich hingenommen habe. Daneben lassen sich Kurse belegen, die an der Heimatuni nicht angeboten werden. Ein Auslandsaufenthalt während des Studiums erweitert den juristischen Horizont also in verschiedener Hinsicht.

Dazu kommt natürlich die Alltagsgestaltung in einem anderen Land. Die ist nicht selten herausfordernd, aber macht Studierende am Ende anpassungsfähiger und selbstständiger. Eine andere Sprache, andere Gepflogenheiten… im Ausland zu leben erfordert auch eine gewisse Änderung der Gewohnheiten. In China habe ich mir über Monate ein Zimmer mit einer anderen Person geteilt, war hier und da aufgrund der Sprachbarriere völlig verloren, habe das Essen lieben gelernt und Menschen mit ganz verschiedenen Hintergründen getroffen. Es war nicht immer alles easy, aber es hat sich gelohnt.

Vorteil: Eine Auszeit vor dem Examen

Machen wir uns nichts vor. Wer im Studium ins Ausland geht, wird unglaublich viel lernen – wenn auch nicht nur Examensrelevantes. Aber er oder sie wird höchstwahrscheinlich auch reisen und feiern und Freundschaften schließen. Auch das sollte im stressigen Jurastudium seinen Platz haben. Gerade vor der Examensvorbereitung kann ein bisschen frischer Wind helfen, danach mit dem notwendigen Fokus zurückzukehren.

Vorteil: Auslandserfahrung zeugt von Flexibilität

Auch aus beruflichen Gründen macht ein Auslandssemester häufig durchaus Sinn. Du möchtest später in einer international tätigen Kanzlei, NGO oder einem entsprechenden Unternehmen, in einer EU- oder UN-Institution oder beim Auswärtigen Amt arbeiten? Vielleicht sogar im Ausland? Dein zukünftiger Arbeitgeber wird deine Auslandserfahrung sicher positiv bewerten. Neben Flexibilität, Offenheit und interkultureller Kompetenz zeugt sie auch von Fremdsprachenkenntnissen.

Vorteil: Verbesserte Sprachkenntnisse

Und so kommen wir direkt zum nächsten Punkt. Höchstwahrscheinlich wirst Du auf einer anderen Sprache studieren, was Deine Fähigkeiten in dieser Hinsicht stark verbessern wird. Vor meinem Promotionsaufenthalt in Kolumbien waren meine Spanischkenntnisse eher verbesserungsfähig. In der Schule habe ich die Sprache nie gelernt, an der Uni in Deutschland dann zwei Semester lang Sprachkurse belegt. Jetzt, nach einem guten Monat, bin ich immer noch kein Profi, aber ich besuche Juravorlesungen auf Spanisch (und verstehe das meiste), kann flüssige Gespräche führen (mit ab und zu ein paar Nachfragen) und wissenschaftliche Literatur lesen (auch, wenn das manchmal ganz schön anstrengend ist). Ich denke, dass ich nach dem kompletten Semester recht gut Spanisch können werde. Einfach dadurch, dass ich der Sprache quasi ausgesetzt bin. Ist das nicht cool?

Was ist im Rahmen eines Auslandsaufenthalts im Studium zu beachten?

Du bist von den Vorteilen eines Auslandssemesters überzeugt? Dann ist es jetzt an der Zeit, ein paar wichtige Punkte zu klären.

Was ist der richtige Zeitpunkt für einen Auslandsaufenthalt?

Wann ein Auslandsjahr oder Auslandssemester Sinn macht, ist je nach Lebensumständen unterschiedlich. Viele Jurastudierende gehen nach dem vierten Semester, also nach Abschluss der Zwischenprüfung, ins Ausland. Und auch ich habe damit ziemlich gute Erfahrungen gemacht. Zum einen war mit dem Grundstudium schon ein Teil des Studiums geschafft, zum anderen musste ich nach meiner Rückkehr noch die großen Übungen absolvieren. Um wieder in den Lernstoff reinzukommen, hat das viel Sinn ergeben. Aber auch im Schwerpunkt ist ein Auslandsaufenthalt gut möglich.

Was muss ich wann erledigen?

Erkundige Dich auf jeden Fall bei deiner Universität nach den Voraussetzungen und Fristen für ein Auslandssemester. Teilweise müssen sich Studierende mehr als ein Jahr im Voraus bewerben. Für die Bewerbung sind verschiedene Unterlagen notwendig: Je nach Uni können das beispielsweise Lebenslauf, Noten- oder Sprachnachweise und/oder ein Motivationsschreiben sein. Behalte daneben unbedingt auch die Fristen für Stipendien im Auge – Empfehlungen dazu weiter unten. Für viele Länder im außereuropäischen Ausland brauchst Du außerdem ein Visum. Auch darum solltest Du Dich ein paar Monate im Voraus kümmern. Außerdem kannst Du möglicherweise ein Urlaubssemester beantragen und Dir so den Semesterbeitrag sparen.

Die Wohnungssuche gestaltet sich je nach Anforderungen und Zielort sehr unterschiedlich. Eventuell kannst Du Dich bereits um eine Unterkunft in einem Studierendenwohnheim oder auf dem Campus kümmern. Oder Du suchst vor Ort eine Wohnung und buchst für die ersten Tage ein Hostel o.ä. Ich habe beide Varianten mitgemacht: In Peking bin ich auf dem Campus meiner Uni untergekommen – kein Luxus, aber unkompliziert und sehr günstig. In Bogotá gab es diese Möglichkeit nicht, sodass ich mich erst vor Ort in die Wohnungssuche gestürzt habe. Zum Glück war es relativ leicht, schnell etwas zu finden.

Wie sieht’s mit der Finanzierung aus?

Die Finanzierung eines Auslandsaufenthalts im Studium will geplant sein. Generell empfiehlt es sich, dafür wenn möglich vorher schon ein wenig zu sparen. In manchen Ländern können Studierende auch vor Ort einen Nebenjob ausüben, beispielsweise in EU-Mitgliedsstaaten oder in Australien. Das ist jedoch nicht überall möglich. Eine Lösung könnte es sein, einen in Deutschland aufgenommenen Nebenjob in Remote-Form weiterzuführen.

Wer BAföG-berechtigt ist, kann dafür Auslands-BAföG beantragen. Die Förderung fällt hier höher aus als im Inland, sodass möglicherweise auch für Personen ein Förderbetrag übrigbleibt, die aufgrund der Einkünfte ihrer Eltern im Inland kein BAföG beziehen können. Daneben gibt es im Rahmen von ERASMUS-Aufenthalten im EU-Ausland oder bestimmten Drittländern zusätzliche Förderungen. 

Stipendien stellen eine weitere Finanzierungsmöglichkeit dar. Hier ist insbesondere das PROMOS-Stipendium des DAAD zu erwähnen, das über die Unis vergeben wird. Bei einigen Stipendien erfährst du allerdings erst recht spät, ob Du gefördert wirst. Natürlich kommt es in Sachen Lebenshaltungskosten auch stark auf das Zielland an. Daher ist es hilfreich, sich im Vorhinein zu informieren und Ausgaben grob durchzukalkulieren.

Was erwartet mich nach der Rückkehr?

Frisch aus Deinem Auslandssemester oder Auslandsjahr zurück, musst Du Dich natürlich erstmal wieder in der Heimat einfinden. Vielleicht erwartet Dich auch ein kleiner Kulturschock der anderen Art – schließlich sieht der Alltag zuhause vermutlich doch etwas anders aus.

Ansonsten solltest Du Dich jetzt um die Anrechnung der Auslands-Kurse an Deiner Heimatuni kümmern und Dein Freisemester beantragen, sodass Dir der Auslandsaufenthalt nicht auf den Freischuss angerechnet wird. Außerdem fordern manche Stipendien, dass Geförderte nach Rückkehr einen Erfahrungsbericht einreichen. Rufe Dir also ins Gedächtnis, welche To Dos jetzt noch auf Dich warten. Davon abgesehen: Hoffentlich kannst du noch lange von Deiner Auslandserfahrung und der Begegnung mit vielen Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt zehren.

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Helen Arling
Helen Arling
Doktorandin mit Schwerpunkt Völkerrecht, Kletterin, Katzenmensch.

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