… und mit seinem Hinterteil eine Frau von ihrem Fahrrad geschubst. Die Pferdehalterin muss nun 6.000 Euro Schmerzensgeld, sowie Arzt- und Anwaltskosten zahlen. Das entschied das Landgericht (LG) Koblenz.
Im Jahr 2021 unternahm eine Frau gemeinsam mit ihrem Ehemann eine Radtour am Laacher See in Rheinland-Pfalz. Auf dem Weg kamen ihnen zwei Reiterinnen entgegen. Als sie an dem zweiten Pferd vorbeifahren wollte, stürzte die Frau und zog sich verschiedene Prellungen und einen Trümmerbruch der rechten Schulter zu. Sie kam in ein Krankenhaus und musste operiert werden. Die Pferdehalterin trug im Prozess vor, dass dies allein aus Unachtsamkeit der Radfahrerin passiert sei. Die Radfahrerin hingegen legte, für den zuständigen Richter glaubhaft dar, dass das Pferd sein Hinterteil gerade in ihre Richtung drehte, als sie vorbeifahren wollte und sie so vom Rad gestoßen wurde.
Gefährdungshaftung
Die vor dem LG geltend gemachte Anspruchsgrundlage ist § 833 S. 1 BGB. Danach haften Tierhalter:innen, wenn durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Der § 833 S. 1 BGB normiert dabei eine sogenannte Gefährdungshaftung. Das bedeutet, dass es auf einen Nachweis des Verschuldens und der Rechtswidrigkeit überhaupt nicht ankommt. Den bei der Tierhaltung handelt es sich um eine grundsätzlich erlaubte Tätigkeit, welche jedoch eine besondere Gefahrenlage schafft. Diese Gefahrenlage kann trotz Beachtung jeglicher Sicherheitsvorkehrungen entstehen, ohne dass ein Verschuldensvorwurf zu machen ist.
Voraussetzung ist jedoch, dass sich gerade eine tiertypische Gefahr verwirklicht. Das ist laut LG vorliegend so gewesen. Letztlich komme es nicht einmal darauf an, ob es tatsächlich zu einer Berührung zwischen dem Pferd und der Radfahrerin gekommen sei, so das Gericht. Es wäre sogar bereits ausreichend gewesen, wenn das Pferd plötzlich mit seinem Hinterteil den Weg versperrt hätte und die Fahrerin hierdurch abrupt hätte bremsen müssen. Ein Mitverschulden der Radfahrerin gem. § 254 Abs. 1 BGB konnte das Gericht im konkreten Fall nicht feststellen.
Keine Exkulpation möglich
Bei einer Gefährdungshaftung ist grundsätzlich keine Enthaftung des:der Schädiger:in möglich, da anders als bei der Verschuldenshaftung das Verschulden nicht vermutet wird, sondern überhaupt nicht vorliegen muss. Gemäß § 833 S. 1 i.V.m. S. 2 BGB wäre eine sog. Exkulpation (Enthaftung) nur bei einem Haustier möglich. Nun könnte man annehmen, dass nach dem allgemeinen Sprachgebrauch jedes Tier als Haustier anzusehen ist, welches mit in einem Haushalt lebt. Jedoch schränkt § 833 S. 2 BGB den Begriff des Haustieres dahingehend ein, dass es dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt zu dienen bestimmt sein muss. Somit muss es sich vielmehr um ein sog. Nutztier handeln. Dies konnte das Gericht hier aber gerade nicht feststellen, sodass das Pferd in diesem Fall ein sog. Luxustier darstellt. Somit blieb es bei der Gefährdungshaftung gem. § 833 S. 1 BGB.
Angesichts der erheblichen Verletzungen an der Schulter mit einer dauerhaften Bewegungseinschränkung hielt das Gericht ein Schmerzensgeld von 6.000 Euro für angemessen.
Entscheidung: LG Koblenz, Urt. v. 14.10.2022, Az. 9 O 140/21
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