HiWi und warum: Über das Dasein als Studentische Mitarbeiterin an einem Juristischen Lehrstuhl

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Uni Göttingen, Wintersemester 2017, Hörsaal 011. Vorlesung: Strafrecht AT. In den Reihen des gut gefüllten Hörsaals wird bereits getuschelt: Eine Stelle für Studentische Mitarbeitende wurde an einem Lehrstuhl ausgeschrieben. Bewerbe ich mich? Wenn ja, wie? Was erwartet mich dort – oder eher: Was wird von mir erwartet?

Genau diese Fragen habe ich mir am Ende meines ersten Jurasemesters gestellt. Die ersten Vorlesungen sind bereits gelaufen, die Klausurenphase naht. Einiges ist an der neuen Uni schon ganz vertraut geworden, doch vieles war im Gegensatz zur Schulzeit noch völlig fremd: universitäre Strukturen, Abläufe und Hintergründe. Wie es ist, als Studentische Mitarbeiterin an einem Juristischen Lehrstuhl zu arbeiten, möchte ich hier berichten. Willkommen in der Welt der Studentischen Mitarbeitenden!

Tipps fürs Jurastudium

Stichwort „Nebenjob“ – An der Uni spielt die Musik

Auf der Suche nach einem Nebenjob zwecks Studienfinanzierung findet man viele klassische Studi-Tätigkeiten wie Kellnern oder das Einräumen der Regale im nächstgelegenen Supermarkt. Auch schön – es lenkt vom vielen Sitzen in der Bibliothek und im Hörsaal ab und bietet gleichzeitig einen Ausgleich.

Warum aber nicht gleich in der Uni jobben, wenn man wochentags ohnehin bereits dort ist? Dort zu arbeiten, wo die Musik spielt, ist für mich das durchschlagende Argument gewesen. Die örtlich-zeitliche (aber auch nicht weniger wichtige inhaltlich-thematische) Nähe zum Tagesgeschäft in der Uni überzeugt, wenn man bedenkt, dass die Arbeitsstelle nur einen Steinwurf von Bib, Mensa und Hörsaal entfernt ist.

Schüler:in, Student:in, Studentische Mitarbeiter:in – Die Werdegang-Trias

Nachdem die Grundsatzfragen zum Thema Nebenjob geklärt wären, schließt unmittelbar der Werdegang an: Wie wird man eigentlich „HiWi”?[1]

Wie es sich im öffentlichen Dienst gehört, werden sämtliche freien Stellen ausgeschrieben. Von Ausschreibungen kann man über eine Bekanntmachung der Fakultät oder aber direkt über die Webseiten der jeweiligen Lehrstühle erfahren. Gelegentlich geben Professor:innen und Mitarbeiter:innen in den einschlägigen Vorlesungsveranstaltungen bekannt, dass Studentische Mitarbeitende gesucht werden.

In der Ausschreibung findet sich die genauere Ausgestaltung der offenen Stelle: Wer wird gesucht, welche Eigenschaften und Fähigkeiten sollte diese Person mitbringen, welche Anforderungen inhaltlicher Art werden an die Bewerber:in gestellt, mit wie vielen Stunden wird die Stelle besetzt und wie wird diese vergütet. Zudem finden sich dort Bewerbungsfristen und entsprechende Bewerbungsmodalitäten. Es ist also schwierig bis unmöglich, eine allgemeingültige und gleichzeitig genaue Auflistung der nötigen Eigenschaften aufzuführen, die man für einen Werdegang als HiWi innehaben sollte. Dennoch gibt es einige Eckpunkte, die für alle Bewerber:innen gelten dürften:

Je nach Lehrstuhl sollte das eigene Interesse unbedingt der jeweiligen Ausrichtung des Forschungs- und Tätigkeitsschwerpunktes entsprechen. Es ergibt – für beide Seiten – wenig Sinn, an einem rechtshistorisch ausgerichteten Lehrstuhl zu arbeiten, wenn man sich nicht für Geschichte interessiert. Weiterhin helfen Fremdsprachenkenntnisse in globalisierten Zeiten nicht nur dann, wenn der Lehrstuhl international orientiert ist. Zuletzt sollte man möglichst offen, motiviert und lösungsorientiert sein, um im Gefüge des Lehrstuhlteams zu guten Ergebnissen zu gelangen. Bringt man all dies mit, stehen die Chancen gut, wertvolle Einblicke hinter den Kulissen des Unilebens zu erhalten.

Behind the scenes: Mythos “Kopieren, Scannen und Kaffeekochen”

Und damit sei auch schon angesprochen, was denn nun die genauen Tätigkeiten von Studentischen Mitarbeitenden sind bzw. sein können. Hartnäckig hält sich das Gerücht des Kopierens – Scannens – Kaffeekochens. Weit verfehlt. Zumindest Letzteres.

Natürlich gehören das Kopieren und Scannen von relevanter Literatur eigens zu den wesentlichen Aufgaben, um den Forschungsbetrieb aufrecht zu erhalten. Wie sonst soll eine Vielzahl von Mitarbeiter:innen (zum Teil simultan) an diversen Projekten arbeiten, wenn trotz mittlerweile vieler Open Access-Angebote die meisten Werke konventionell als Printversion in der Bibliothek darauf warten, gelesen zu werden. Es gehört für Studentische Mitarbeitende demnach dazu, den reibungslosen Lehr- und Forschungsbetrieb durch das Bereitstellen und Aufarbeiten von einschlägigem Material zu gewährleisten.

Dies ist aber bei weitem nicht die einzige Aufgabe. Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Unterstützung bei Recherchearbeiten für das nächste Buchvorhaben oder für den als nächstes zu publizierenden Aufsatz dar. Hierfür kann es notwendig sein, Recherchearbeiten inhaltlicher Art im Internet oder in der Bereichsbibliothek anzustellen. Wenn, wie oben plädiert, das eigene Interesse der Forschungsausrichtung des Lehrstuhl entspricht, kann das auch ganz schön spannend und interessant sein. Hierdurch wird man unausweichlich ein Puzzleteil des gerade entstehenden Werkes. Sei es ein Aufsatz, der in einer bekannten Zeitschrift erscheint, sei es das Buch, das später in der Bibliothek zu finden sein wird. Die Mitarbeit am Entstehungsprozess einer Publikation durch Recherche, Fußnotenkorrektur oder Dokumentformatierung wird belohnt, sobald man das Endergebnis online abrufen kann oder es gar in den Händen hält.

Schließlich findet die Arbeit von Studentischen Mitarbeitenden Eingang in der Unterstützung und Durchführung der Lehre: Das Bereitstellen der Vorlesungsfolien und der damit einhergehenden Kommunikation „nach außen“ zu den teilnehmenden Studierenden an der Vorlesung stellen neben der Assistenz hinsichtlich der Hörsaaltechnik am Vorlesungstag die wesentlichen Eckpfeiler dar.

All dies führt summa summarum dazu, dass man sein Studium „behind the scenes“ bestreitet. Man ist tagtäglich nicht nur Student:in auf dem Weg zum Staatsexamen, sondern lernt nebenbei diejenigen Strukturen und Abläufe kennen, die normalerweise im Hintergrund von Forschung und Lehre ablaufen und für Studierende auf den ersten Blick nicht sichtbar sind. Zu wissen, wie die PowerPoint-Folie an die Wand kommt und wie das Lehrbuch entstanden ist, ehe man es zum Lernen verwendet, hat mir sehr dabei geholfen, die Universität und das Studium als Organismus besser zu verstehen.

Personal Benefits: Das Beste kommt zum Schluss

Wertvoll waren alle Erkenntnisse soweit. Aber es kommt noch besser: Natürlich sind persönliche Kontakte und Begegnungen das A und O. Regelmäßig arbeiten verschiedene Personen in verschiedenen Lebenslagen mit verschiedenen Karrierezielen an einem Lehrstuhl: Student:innen in unterschiedlichen Semestern, wissenschaftliche Mitarbeiter:innen sowie Doktorand:innen, Habilitand:innen und natürlich Professor:innen. Dadurch ist es vielfach möglich, auf bereits vorhandenes Erfahrungswissen anderer Mitarbeitender zuzugreifen. Ein Ratschlag von jemandem in einem höheren Semester zur anstehenden Klausurenphase oder die individuellen  Erfahrungen anderer Mitarbeitender zum ersten oder zweiten Staatsexamen sind kostbare Quellen, die bei der eigenen Laufbahn weiterhelfen. Auf einen Streich hat man demnach in den Reihen des Lehrstuhlkollegiums viele Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln und Hilfe – eben auch bei Unifragen – zu erhalten. Durch die Kombination mit Begegnungen weiterer inspirierender Persönlichkeiten im Rahmen von beispielsweise Gastvorträgen durch Gastprofessor:innen wird der eigne Horizont optimal erweitert.

Eines sei gesagt: Eine Bewerbung kann sich lohnen – wie gezeigt nicht nur dafür, um anfänglichen Berührungsängsten mit universitären Strukturen zu begegnen. In diesem Sinne: Viel Erfolg und frohes Schaffen!


[1] Sensibilisierung: Obwohl die Bezeichnung „HiWi“ für Mitarbeitende im universitären Kontext durchaus noch geläufig ist, ist diese Abkürzung durch die Verwendung im Zweiten Weltkrieg unter anderem durch die SS („Hilfswillige“ bzw. „Hilfskraft“) negativ konnotiert. Aus diesem Grund wird auf diesen Begriffsgebrauch im Folgenden verzichtet und stattdessen die Bezeichnung „Studentische Mitarbeitende“ gewählt.

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Alina Sviridenko
Alina Sviridenko
Studentin der Rechtswissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen mit dem Schwerpunkt Kriminalwissenschaften.

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