#FirstWorldProblem: Urlaub im 3er-BMW statt im Porsche ist zumutbar

Ist es einer Porscheliebhaberin zumutbar, mit einem 3er BMW in den Urlaub zu fahren, weil ihr geliebtes Porsche Turbo S Cabriolet in einer Garage eingeparkt wurde? Diesen Streit trug eine Porschefahrerin bis zum Bundesgerichtshof (BGH). Und verlor mit Ach und Krach.

Die Eigentümerin eines Porsche Turbo S Cabriolet hatte ihren Wagen in einer Garage geparkt. Im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Mieter und dem Vermieter der Garage hatte eine Dritte Person ihr Auto in die Ausfahrt gestellt, sodass die Porsche-Fahrerin ihren Wagen nicht nutzen konnte. Genau in diesem Zeitraum wollte sie jedoch für vier Tage mit dem Porsche an den Gardasee fahren. Allerdings besaß die Eigentümerin des Porsches auch noch einen Zweitwagen. Nämlich einen 3er BMW Kombi, den sie ersatzweise für die Reise nutzte. Trotzdem verlangte die Frau später auf grund der Blockade ihres Fahrzeugs eine Nutzungsausfallentschädigung von 175 Euro pro Tag; insgesamt 2.450 Euro. Der BMW und der Porsche seien nicht gleichwertig, so das Argument der Porscheliebhaberin.

Das Amtsgericht (AG) Leipzig, das Landgericht (LG) Leipzig als Berufungsinstanz und nun auch der Bundesgerichtshof (BGH) lehnten einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB aber ab.

Eigentumsbeeinträchtigung durch Nutzungsentziehung

Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB setzt zunächst eine Rechtsgutsverletzung an einem der durch den Paragraph geschützten Rechtsgüter voraus. Diese kann beispielsweise in der Beschädigung von Eigentum liegen. Der VI. Zivilsenat sah im vorliegenden Fall eine Eigentumsverletzung in Form einer sog. Nutzungsbeeinträchtigung durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten als gegeben an.

Die Frage der Nutzungsbeeinträcchtigung geht auf einen berühmten historischen Fall zurück. Im sog. Fleet-Fall (BGH, Urt. v. 21.12.1970, Az. II ZR 133/68) aus dem Jahr 1970 hatte der BGH die grundsätzliche Möglichkeit der Eigentumsbeeinträchtigung in Form einer Nutzungsentziehung erstmals bejaht. Inhaltlich ging es um eine Wasserstraße (“Fleet”), die durch Bauarbeiten blockiert wurde, sodass Schiffe eine Mühle nicht anfahren konnten, wodurch ein Verdienstausfallschaden entstand. Im Fleet-Fall wurde festgestellt, dass eine Eigentumsbeeinträchtigung in Form einer Nutzungsbeeinträchtigung nur dann vorliegt, wenn eine Einwirkung auf die Sache selbst gegeben ist. Indem der Porsche im vorliegenden Fall in der Garage “eingesperrt” war und nicht genutzt werden konnte, lag eine solche vor.

Zweitwagennutzung zumutbar

Das Vorliegen eines Schadens verneinte der BGH aber. Ersatzfähig ist grundsätzlich nur der Vermögensschaden (materieller Schaden). Gemäß § 253 Abs. 1 BGB kann Entschädigung für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist (immaterieller Schaden), nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden, wie etwa das Schmerzensgeld gemäß § 253 Abs. 2 BGB oder die Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit gemäß § 651n Abs. 2 BGB. Diese Voraussetzungen seien hier aber nicht erfüllt, da die Klägerin ein Zweitwagen zur Verfügung stand, dessen Nutzung ihr auch zumutbar war.

Nach dem VI. Zivilsenat ist bei der Prüfung, ob nach der Verkehrsauffassung der vorübergehende Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Gegenstandes als wirtschaftlicher Schaden gewertet werden kann, ein strenger Maßstab anzulegen. Dies ergebe sich aus § 253 BGB wonach ein immaterieller Schaden nur in den gesetzlich geregelten Fällen ersetzbar ist. Stellt sich nun aber der zeitweise Verlust nicht als wirtschaftlicher Schaden, sondern als “individuelle Genussschmälerung” dar, handelt es sich nicht um einen ersatzfähigen immateriellen Schaden, so der BGH.

Kein fühlbarer Nutzungsausfall

Grundsätzlich bejaht der BGH zwar eine Entschädigung für entgangene Gebrauchsvorteile, verlangt aber insbesondere bei Fahrzeugen das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. So muss die ständige Verfügbarkeit des Fahrzeugs für die “eigenwirtschaftliche Lebensführung” eine zentrale Bedeutung haben, es muss ein Eingriff in den Gegenstand des Gebrauchs vorliegen und dieser Eingriff muss zu einer fühlbaren Beeinträchtigung führen. Diese liegt vor, wenn ein Nutzungswille und eine hypothetische Nutzungsmöglichkeit besteht. Besteht aber gerade die Möglichkeit einen Zweitwagen zu nutzen, ist die Nutzungsbeeinträchtigung nicht “fühlbar”, da die Eigentümerin den Wagen für ihre alltägliche Lebensführung nicht wirklich gebraucht hatte, so der Senat.

Keine Unzumutbarkeit bei einem 3er BMW

Der Frau sei es außerdem nicht unzumutbar, ihren 3er BMW statt den eingeparkten Porsche zu nutzen. In den Worten des BGH hört sich das so an: “Die Unzumutbarkeit der Nutzung des weiteren Fahrzeugs und damit ein Schaden lassen sich nicht mit dem Argument begründen, dass das Fahrzeug, dessen Nutzung vorübergehend entzogen ist, gegenüber dem Zweitfahrzeug eine höhere Wertschätzung des Geschädigten erfahre, etwa weil ihm ein höheres Prestige zukomme, es ein anderes Fahrgefühl vermittle oder den individuellen
Genuss erhöhe. Denn dabei geht es um die Lebensqualität erhöhende Vorteile, die keinen ersatzfähigen materiellen Wert darstellen.”
Das Fahren mit einem 3er BMW als Zweitwagen war somit zumutbar.

Darüber hinaus sah der BGH auch den Tatbestand des § 858 Abs. 1 BGB, die verbotene Eigenmacht, als erfüllt an, sodass auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 858 Abs. 1 BGB in Betracht kam. Aber auch jenen, sowie auch § 826 BGB, lehnte der Senat mangels Schadens ab.


Entscheidung: BGH, Urt. v. 11.10.2022, Az. VI ZR 35/22

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Florentine Scheffel
Florentine Scheffel
Rechtsreferendarin in Thüringen.

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