Wie muss ich mir die “klassischen” juristischen Berufsbilder vorstellen?

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„Mit einem Jurastudium kann man alles machen“, so oder so ähnlich lautet die Antwort, wenn man nach den Berufsmöglichkeiten nach dem Jurastudium fragt. Doch genau diese Aussage macht es den Jurastudierenden schwer, sich für einen Beruf zu entscheiden bzw. den Überblick über alle Möglichkeiten, die durch das Studium geboten werden, zu behalten. Daher zeigen wir Dir hier einen Einblick in die klassischen Berufe, die Du nach Deinem Jurastudium anstreben kannst und was genau dort gemacht wird.

Ein Artikel zu eher ausgefallenen juristischen Berufen und Juraberufen abseits des Mainstreams folgt in Kürze.

Tipps fürs Jurastudium

Rechtsanwält:in

Wir beginnen mit dem Klassiker, den rund 80 Prozent aller angehenden Jurist:innen ergreifen: Der Beruf des:r Rechtsanwält:in. Im Mittelpunkt der Tätigkeit in der Anwaltschaft steht die Aufgabe, Mandant:innen mit rechtsstaatlichen Mitteln zu unterstützen und zu ihrem Recht zu verhelfen.

Zu den typischen Aufgaben von Anwält:innen gehören:

  • Ausarbeitung und Verhandlung von Geschäftsvereinbarungen und Verträgen
  • Verhandlung von außergerichtlichen Vergleichen
  • Vertretung von Mandant:innen während der Verhandlungen vor Gericht
  • Durchsetzung fallspezifischer Ansprüche
  • Einholen von Zeugenaussagen und Sammeln von Beweismitteln
  • Formulierung rechtlich gültiger Unterlagen und formelle Abwicklung rechtlicher Schritte
  • Kommunikation mit den Anwält:innen, der Gegenpartei, dem:r Richter:in, der Polizei sowie anderen Verfahrensbeteilgten (Jugendgerichtshilfe, Notariat, Geschäftsstelle, Versicherung)

Als Rechtsanwält:in, muss man somit viele verschiedene Aufgaben und Anforderungen erfüllen, sodass viele auch außerhalb der üblichen Bürozeiten arbeiten. Wer zudem gerne verreist, ist hier richtig aufgehoben, da regelmäßig auch Gerichtstermine in anderen Bundesländern und Treffen mit Mandant:innen z.B. auch in der Justizvollzugsanstalt auf der Tagesordnung stehen.

Als Rechtsanwält:in kommen nicht nur juristische Aufgaben auf dich zu, sondern auch administrative. Das ist vor allem dann der Fall, wenn man sich als Rechtsanwält:in mit einer eigenen Kanzlei selbständig machen möchte. Um in Deutschland als Anwält:in tätig zu sein, braucht man zwei Staatsexamen. Die Noten im Staatsexamen sind dabei vor allem dann ausschlaggebend, wenn man in einer Großkanzlei anfangen will.

Staatsanwaltschaft

Man kennt Staatsanwält:innen als stets selbstbewusst und redegewandt aus vielen Filmen. Dort halten sie das Plädoyer am Ende eines Strafprozesses. In Deutschland vertritt die Staatsanwaltschaft als Organ der Rechtspflege den Staat vor Gericht.

Ein:e Staatsanwält:in hat vor allem drei Aufgaben: Dazu gehört das Agieren als Ermittlungsbehörde, Anklagebehörde sowie Vollstreckungsbehörde. Alle drei Aufgaben ziehen allerdings eine ganze Reihe an verschiedenen Tätigkeiten mit sich.

Als Ermittlungsbehörde arbeitet der Staatsanwalt:in meist eng mit der Polizei zusammen, hier geht es darum bei Straftaten oder potenziellen Straftaten zu ermitteln. Zu den Ermittlungshandlungen gehören zum Beispiel:

  • Die Vernehmung von Zeug:innen und Sachverständigen
  • Die Durchsuchung von Räumlichkeiten
  • Die Beschlagnahme von Gegenständen
  • Die vorläufige Festnahme von Verdächtigen

Die Staatsanwaltschaft als Anklagebehörde: Bei Offizialdelikten hat die Staatsanwaltschaft ein Anklagemonopol, denn nur sie kann in diesen Fällen wegen einer Straftat Anklage erheben. In der Hauptverhandlung vor Gericht vertritt die Staatsanwaltschaft dann den Staat. Dazu gehört:

  • Das Verlesen der Anklageschrift,
  • Das Vorbringen von Beweisen,
  • Die Befragung von Zeug:innen,
  • Das Vortragen des Schlussplädoyers sowie das Stellen eines Antrags zum Urteil

Die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde: In der Funktion als Vollstreckungsbehörde kümmert sich ein:e Staatsanwält:in um alle Maßnahmen, die mit der Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung zusammenhängen. Das kann zum Beispiel die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Geldstrafe sein, aber auch die Vollstreckung von Fahrverboten und das Eintreiben von Ordnungs- und Zwangsgeldern.

Die Aufgabenbereiche der Staatsanwaltschaft sind sehr umfangreich, daher sollte man wie auch in den meisten anderen juristischen Berufen belastungsfähig sein, aber auch gerne mit Menschen kommunizieren und gut argumentieren können. Staatsanwält:innen müssen nur innerhalb ihres beschränkten Bezirks reisen. Um als Staatsanwält:in arbeiten zu können. benötigt man beide Staatsexamina; in den meisten Bundesländern wird ein Prädikat (oder zumindest 2x acht Punkte) vorausgesetzt.

Richter:in

Richter:innen gibt es in der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Zivilrecht/Strafrecht), aber auch in anderen Gerichtszweigen (z.B. Verwaltungsgerichtsbarkeit, Arbeitsgerichtsbarkeit, Finanzgerichtsbarkeit). Je nach Aufgabenbereich tritt man als Einzelrichter:in oder in einer Kammer/Senat gemeinsam mit Kolleg:innen auf. Während einer Gerichtsverhandlung hat ein:e Richter:in den Vorsitz; die Hauptaufgabe besteht darin, die während eines Gerichtsverfahrens vorgetragenen Beweise und Sachverhalte juristisch einzuordnen und aus diesen ein rechtskonformes Urteil abzuleiten und dieses zu begründen. Dabei muss der:die Richter:in stets neutral und unabhängig bleiben.

Ein Großteil der Arbeitszeit nimmt die Vorbereitung der jeweiligen Gerichtsverhandlungen ein. Dabei werden Akten gesichtet und detailliert alle Sachverhalte aus juristischer Sicht geprüft. Neben der Sichtung von Akten gehört auch die enge Zusammenarbeit mit der eigenen Geschäftsstelle z.B. bei der Terminierung der Verhandlungen zur Tätigkeit am Gericht. Richter:innen können auch als Ermittlungsrichter:innen eingesetzt werden, wo sie mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten.

Um als Richter:in arbeiten zu können, benötigt man beide Staatsexamina; in den meisten Bundesländern wird ein Prädikat (oder zumindest 2x acht Punkte) vorausgesetzt.

Notar:in

Ob ein:e Notar:in an einem Rechtsgeschäft mitwirken muss, ist im deutschen Recht genau festgelegt. Unbedingt notwendig ist eine notarielle Beglaubigung von Urkunden unter anderem bei:

  • Grundstückskaufverträgen,
  • Gesellschaftsgründungsvertägen,
  • Erbverträgen.

Testamente dagegen können von einem Notar beglaubigt werden, müssen es aber nicht. Dadurch ergeben sich für das Notariat verschiedene Aufgaben, wie z.B.:

  • Die Beurkundung von Rechtsgeschäften (z.B. Grundstücksübertragungen)
  • Die Beglaubigung von Unterschriften.

Darüber hinaus berät ein:e Notar:in alle Beteiligten juristisch über den Inhalt eines Vertrages oder einer Urkunde, damit unerfahrene Beteiligte nicht benachteiligt werden.

Anders als bei den oben genannten Berufsbildern muss ein:e Notar:in nicht nur zwei Staatsexamen vorweisen, sondern auch je nach Bundesland nach der juristischen Ausbildung noch einen dreijährigen Anwärterdienst als Notarassessor:in ableisten. 

Verwaltung

Als Volljurist:in erwirbt man automatisch die Befähigung zum Höheren Verwaltungsdienst. Deswegen werden Jurist:innen in Kommunen, Landratsämtern, Regierungspräsidien und Ministerien gerne eingestellt. Ein:e Verwaltungsjurist:in erfüllt eine rechtsberatende, gestaltende und verwaltende Funktion in einer Behörde. Üblicherweise benötigt man hier zwei Staatsexamina mit mindestens 6,5 Punkten. Der Beruf erfordert keinerlei Reisetätigkeit und ist damit sehr familienfreundlich.

Die Beschäftigung ist vielfältig und hängt inhaltlich davon ab, in welcher Behörde und welchem Dezernat man eingesetzt wird. Man erstellt rechtliche Gutachten, schreibt Verfügungen und Verwaltungsakte und unterstützt Rechtssuchende (z.B. Bauherren im Baurecht oder Kommunen bei der Wasserversorgung). Der Einstieg erfolgt häufig als Regierungsrät:in, die verbeamtet sind und mit der Gruppe A13 besoldet werden. In großen Behörden ist der:die Regierungsrät:in meist einem:r Referatsleiter:in unterstellt und agiert als Vorgesetzter der übrigen (nichtjuristischen) Mitarbeitenden eines Referates.

Von der Verwaltung ist oft auch der Weg in die Politik nicht weit. Denn wenn man bereits in einem Ministerium arbeitet, hat man zwingend auch immer wieder mit den Minister:innen sowie Abgeordneten zu tun. Es gibt dann beispielsweise die Möglichkeit, sich in eine andere Position abordnen zu lassen. Zum Beispiel als Referent:in in eine politische Fraktion.

Forschung und Lehre

Wer sich für juristische Forschung und/oder Lehre interessiert, dem steht nach dem Jurastudium der Weg in die Wissenschaft offen. So kann man beispielsweise Juraprofessor:in werden oder als Repetitor:in arbeiten. Für eine Jura-Professur braucht man im Normalfall zwei Prädikatsexamina und schreibt danach eine Doktorarbeit (“Promotion”) und eine Habilitation. Wer sich habilitiert hat, erhält für seine Spezialgebiete die Lehrbefugnis. Damit kann man sich dann auf freie Professuren bewerben.

Als Lehrbeauftragte:r kann man an einer Universität oder Hochschule hingegen auch ohne Promotion und Habilitation arbeiten. Eine Zwischenstellung nimmt der oder die Proffessor:in an einer Hochschule ein. Ein Doktortitel ist hier zwar auch erforderlich, jedoch keine Habilitation.

Den Werdegang direkt vom Studium zum:r Repetitor:in gibt es hingegen selten. Die meisten Repetitor:innen sind Praktiker:innen. Repetitor:innen brauchen sehr gute Kenntnisse des materiellen Rechts, müssen jedoch gleichzeitig auch praktisches Verständnis vermitteln können. Zudem muss man hier ein gutes Gespür für die Studierenden haben und sicher in freier Rede auftreten können, um die Inhalte gut vermitteln zu können.

Es ist wichtig, sich schon frühzeitig mit den möglichen Arbeitsfeldern auseinanderzusetzen. Gerade weil das Jurastudium zu sehr vielen Berufen befähigt, sollte man schon früh überlegen, wo die eigenen Stärken und Interessenschwerpunkte liegen. Durch Praktika in verschiedenen Bereichen kann man einen Einblick gewinnen und später die eigenen Interessen im Schwerpunkt vertiefen. Zuletzt bietet das zweijährige Referendariat nach dem Ablegen des ersten Staatsexamens eine sehr gute Grundlage, um den Wunschberuf zu konkretisieren, da dort fast alle Stationen der klassischen juristischen Berufe besucht werden können und wertvolle Erfahrung gesammelt wird.

Denn wie oben angemerkt, sind die aufgeführten “klassischen” Berufsbilder noch bei weitem nicht alle, die einem als Volljurist:in offenstehen. Viele Wege führen nach Rom und in diesem Fall zum persönlichen Juristenglück!

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Jana Borochowitsch
Jana Borochowitsch
Autorin, Studentin der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

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