„Public Domain Day“: Ab 1. Januar 2023 sind endlich alle Sherlock Holmes Geschichten gemeinfrei!

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Der Public Domain Day ist ein internationaler Aktionstag zum Erlöschen des Urheberrechts bekannter Werke und ihrem Übergang in die sog. Public Domain. In den USA wird der Tag normalerweise am 1. Januar eines jeden Jahres begangen. Doch auf Grund des Copyright Term Extension Acts von 1998 war das Urheberrecht 20 Jahre lang „eingefroren“, sodass für zwei Jahrzehnte keine Werke in die Public Domain übergehen konnten. Damit ist seit 2019 aber Schluss. Am 1. Januar 2023 werden so beispielsweise endlich alle Sherlock Holmes Geschichten gemeinfrei und noch viele weitere Werke bekannter Autor:innen gehen in den USA in die Public Domain über.

Micky-Maus-Schutzgesetz friert US-Urheberrecht 20 Jahre ein

Am 27. Oktober 1998 wurde in den USA der Copyright Term Extension Act verabschiedet, der auch Micky-Maus-Schutzgesetz, genannt wird. Das Gesetz verlängerte die Schutzdauer des Urheberrechts in den USA pauschal um 20 Jahre. Die bisherige Rechtslage sah vor, dass das Urheberrecht an einem Werk bis zu 50 Jahre nach dem Tod des:der Autor:in besteht. Danach ging das Werk in die Public Domain über, wurde also gemeinfrei. Der Copyright Term Extension Act verlängerte den urheberrechtlichen Schutz in den USA auf die heute noch geltenden 70 Jahre nach dem Tod des:der Autor:in. Werke, die im Eigentum eines Unternehmens stehen – z.B. Disney – werden sogar bis zu 95 Jahre geschützt.

Das Gesetz hatte auf Grund des „Einfrierens“ des Urheberrechts aber auch die kuriose Auswirkung, dass unter der neuen Regel keine Werke, die ab 1923 veröffentlicht wurden und deren Schutz 1998 noch nicht abgelaufen war, vor 2019 in die Public Domain übergingen. Während Werke aus dem Jahr 1922 bereits seit 20 Jahren gemeinfrei sind, folgten ihnen erst 2019 Werke aus dem Jahr 2023. Einer der größten Lobbyisten hinter dem neuen Gesetz war der Disney-Konzern, der sich spätestens ab 1990 aggressiv für eine Verlängerung des urheberrechtlichen Schutzes einsetzte. Der Copyright Term Extension Act sorgte schließlich dafür, dass die aller ersten Mickey-Mouse-Filme – der Charakter wurde 1928 erschaffen – länger urheberrechtlich geschützt waren. Daher auch die Bezeichnung als Micky-Maus-Schutzgesetz.

Mickey’s erster Auftritt in Steamboat Willie (1928)

Berner Übereinkunft sorgte für einheitliches Recht in Europa

In Europa war es bereits 1886 zur sog. Berner Übereinkunft gekommen. Deutschland, Belgien Frankreich, Großbritannien, Italien, Schweiz, Spanien und Tunesien garantierten in diesem Abkommen eine Schutzdauer von mindestens fünfzig Jahren über den Tod des:der Urheber:in (post mortem auctoris) hinaus. Außerdem wurden ausländische Urheber:innen mit inländischen Urheber:innen gleichgestellt. 1993 verlängerte die Europäische Union diese Periode auf 70 Jahre. Dem folgte 1998 dann auch die USA, die sich zuvor geweigert hatte, dem Berner Abkommen beizutreten.

Das Center for the Study of the Public Domain der Duke Law School feiert jedes Jahr den Public Domain Day. Auf ihrer Website erklären die Jurist:innen des Instituts, wieso viele Menschen von gemeinfreien Werken profitieren und welche neuen Werke jeweils zu Jahresbeginn in die Public Domain übergehen. Am 1. Januar 2023 sind das im Literaturbereich neben tausenden anderen Büchern beispielsweise:

Doch wieso ist es gerade eine Besonderheit, dass jetzt endlich alle Sherlock Holmes Geschichten in die Public Domain übergegangen sind? Weil der weltberühmte britische Detektiv und sein Sidekick Dr. Watson in der Vergangenheit bereits öfters die Gerichte beschäftigt haben. Das lag daran, dass die bisherige Rechteinhaberin, die Conan Doyle Estate Ltd., bis zuletzt darum kämpften, das Urheberrecht an allen Sherlock Holmes Publikationen zu erhalten. Aber von vorne: Sherlock Holmes und Dr. Watson sind eigentlich schon seit langem gemeinfrei. Sie wurden erstmals 1887 (in “A Study in Scarlet”) vom britischen Autor Sir Arthur Conan Doyle vorgestellt und traten in mindestens fünfzig Geschichten auf, an denen das Urheberrecht bereits abgelaufen war, bevor der Kongress 1998 die Urheberrechtsfrist verlängerte.

Das hielt die Conan Doyle Estate Ltd. jedoch nicht davon ab, Lizenzgebühren für das Wiederauftauchen der Figuren in einer Handvoll späterer Geschichten zu verlangen, die noch unter dem Urheberrecht standen. Die meisten Autor:innen zahlten also einfach eine Lizenzgebühr. Doch Leslie Klinger, ein Anwalt und Sherlock-Holmes-Forscher, wehrte sich gegen diese Praxis. Klinger ist Mitherausgeber eines Sammelbands mit neuen Sherlock-Holmes-Geschichten, die von Doyles Werken inspiriert waren. Der Nachlass von Doyle drohte, den Vertrieb des Buches zu blockieren und verlangte Lizenzgebühren in Höhe von 5.000 Dollar. Klinger zog stattdessen vor Gericht, um feststellen zu lassen, dass er die Figuren Holmes und Watson aus Doyles gemeinfreien Werken verwenden darf. Und er bekam Recht.

Im Dezember 2013 bestätigte ein US-Gericht in Illinois, dass alle Elemente der nicht mehr urheberrechtlich geschützten Sherlock-Holmes-Geschichten “frei für die öffentliche Nutzung” sind (Urteil im Volltext). Es erklärte: “Wenn ein Autor dieselbe Figur in einer Reihe von Werken verwendet hat, von denen einige gemeinfrei sind, steht es der Öffentlichkeit frei, Storyelemente aus den gemeinfreien Werken zu kopieren.”

Ende gut, alles gut? Mitnichten! 2020 kam es zu einer weiteren kuriosen Klage. Diesmal gegen die Enola Holmes Jugendkrimis und den ersten Enola Holmes-Film von Netflix, in denen es um die jugendliche Schwester des berühmten Sherlock Holmes geht. Die Doyle-Erben führten an, dass in den Büchern und dem Netflix-Film spezielle Charakterzüge der Figur Sherlock Holmes verwendet werden, die in den noch immer Copyright-geschützen Werken vorkommen. Holmes habe Charaktermerkmale, die sich erst in den späteren Werken zeigen. So werde er erst in diesen “zur Freundschaft fähig”, begann, “Gefühle auszudrücken” und “Frauen zu respektiere“ und zeige erst jetzt ein “großes Interesse an Hunden”. Das Gericht urteilte jedoch, dass allgemeine Eigenschaften wie Wärme, Einfühlungsvermögen, Respekt und hündische Begeisterung nicht schützbare Ideen seien. Die Berufung gegen das Urteil war ebenfalls nicht erfolgreich.

Wieso gemeinfreie Werke Kultur & Kreativität fördern

Auch der Song “The Best Things in Life are Free” wird 2023 gemeinfrei. Dies nimmt Jennifer Jenkins, die Direktorin des Duke’s Center for the Study of the Public Domain zum Anlass, zu erklären, wieso wir die Gemeinnützigkeit feiern sollten. Wenn ein Werk gemeinfrei wird, kann es legal weitergegeben werden, ohne Genehmigung oder Gebühr. Kommunale Kinos können die Filme vorführen. Jugendorchester können die Musik öffentlich aufführen ohne Lizenzgebühren zu zahlen. Online-Angebote wie Internet Archive, Google Books und die New York Public Library können die Werke dann vollständig online verfügbar machen. Auf diese Weise wird der Zugang zu Kulturgütern ermöglicht, die andernfalls der Geschichte zum Opfer fallen könnten, so Jenkins. „1927 ist lange her. Die große Mehrheit der Werke aus dem Jahr 1927 ist nicht mehr im Umlauf. Wenn sie im Jahr 2023 gemeinfrei werden, kann jede:r sie aus der Vergessenheit holen und zugänglich machen, damit wir alle sie entdecken, genießen und ihnen neues Leben einhauchen können.“

Und weiter: „Die Gemeinfreiheit ist auch eine Quelle der Kreativität. Der Sinn des Urheberrechts besteht darin, die Kreativität zu fördern, und die Public Domain spielt dabei eine zentrale Rolle. Das Urheberrecht verleiht den Urheber:innen wichtige Rechte, die die Kreativität und die Verbreitung fördern – das ist eine sehr gute Sache. Aber es stellt auch sicher, dass diese Rechte nur für eine “begrenzte Zeit” gelten, so dass die Werke nach ihrem Auslaufen in die Public Domain übergehen, wo künftige Autor:innen auf legale Weise auf der Vergangenheit aufbauen können – indem sie die Bücher neu interpretieren, sie verfilmen, die Lieder und Filme adaptieren. Auch das ist eine gute Sache!“

Nachdem F. Scott Fitzgeralds The Great Gatsby (1925) im Jahr 2021 gemeinfrei wurde, erschienen neue Ausgaben des Werkes mit Einführungen und Analysen berühmter Literaturkritiker:innen. Das Buch wurde als Graphic Novel adaptiert und unter dem Titel „The Gay Gatsby“ parodiert. Unter dem Titel „The Great Gatsby Undead“ erschien eine Vampirgeschichte, die sich stark am Original anlehnt. Das gleiche geschah, als Winnie Pooh 2022 gemeinfrei wurde. Das meiste Aufsehen erregte “Winnie-the-Screwed”, eine Werbung des US-Netzwerkbetreibers Mint Mobile mit Ryan Reynolds sowie der Horrorfilm „Winnie-the-Pooh: Blood and Honey“.

„Werden all diese neuen Werke von Kritik:innen gelobt oder sind sie etwas, das die Rechteinhaber:innen gutheißen würden? Nein. Aber sie sind immer noch Teil unserer Kultur, und die Zeit wird zeigen, ob sie auf dem Markt Erfolg haben und eine dauerhafte Anziehungskraft ausüben werden. Und so wie „Pride and Prejudice and Zombies“ den Glanz des Romans von Jane Austin nicht geschmälert haben (zumindest für mich), bleibt auch das Original von Winnie-the-Pooh intakt“, schreibt Jennifer Jenkins.

Jenkins freut sich schon auf den nächsten „Public Domain Day“, wenn Mickey Mouse und Minnie Mouse am 1. Januar 2024 gemeinfrei werden.


Fundstelle: https://web.law.duke.edu/cspd/publicdomainday/2023/
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