Typisch deutsch: Hecke nicht geschnitten? Ab in den Knast?

Der Einwohner einer Gemeinde in Hessen kam seiner Verpflichtung, seine Hecke zu stutzen, nicht nach. Deswegen beantragte die Gemeinde eine Ersatzzwangshaft. Ins Gefängnis, weil man seine Hecke nicht geschnitten hat? Kann das sein?

Mit dieser Frage musste sich das Verwaltungsgericht Gießen befassen. Eine Satzung der Gemeinde hatte vorgeschrieben, dass überhängende Äste und Zweige von Bäumen und Sträuchern über Gehwegen bis zu einer Höhe von 2,40 Metern, über einer Fahrbahn sogar bis zu einer Höhe von 4,50 Metern Höhe entfernt werden müssen. Dieser Verpflichtung war der Einwohner nicht nachgekommen. Deswegen setzte die Gemeinde mehrfach Zwangsgelder gegen den Mann fest, die ihn jedoch nicht dazu bewegten, seine Hecke zu stutzen. Im Januar 2022 führte die Gemeinde die Arbeiten schließlich selbst – auf Kosten des Mannes – aus. Insgesamt entstanden so Kosten in Höhe von 2.000 Euro. Das Problem: Der Mann war vermögenslos, sodass die eingeleitete Zwangsvollstreckung gegen ihn ins Leere lief.

Die Gemeinde beantragte daraufhin beim Verwaltungsgericht die Anordnung von Ersatzzwangshaft. Damit wollte die Gemeinde den Einwohner zukünftig zur Erfüllung seiner Verpflichtung bewegen. Kann das rechtens sein? Natürlich nicht! Auch nicht im ach so perfekten Deutschland. Das VG lehnte den Antrag der Gemeinde ab. Die Ersatzzwangshaft sei unverhältnismäßig. Eine Abwägung der Grundrechte des Mannes mit den Rechten der Gemeinde, ergab, dass die Freiheit des Mannes vorliegend überwiege. Außerdem sei eine Anordnung von Ersatzzwangshaft “auf Vorrat”, damit der Mann in Zukunft seine Hecke schneide, rechtlich nicht zulässig.

Examensrelevantes Wissen

  • Ersatzvornahme: Die Ersatzvornahme ist die Vornahme einer vertretbaren Handlung anstelle und auf Kosten des Handlungspflichtigen durch einen Dritte (hier: das Schneiden der Hecke durch einen Dritten)
  • Zwangsgeld: Das Zwangsgeld ist ein Beugemittel, mit dem sowohl unvertretbare als auch vertretbare Handlungen durchgesetzt werden können. Es zielt damit auf die Herbeiführung eines rechtmäßigen Verhaltens in der Zukunft (hier: die Anordnugn von Zwangsgeld, die aber wegen Mittellosigkeit nicht vollstreckt werden konnte)
  • Unmittelbarer Zwang: Ultima-ratio-Maßnahme, wenn andere Zwangsmittel nicht in Betracht kommen oder keinen Erfolg versprechen oder unzweckmäßig sind (das Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen).
  • Ersatzzwangshaft: Die Ersatzzwangshaft ist ein unselbstständiges Zwangsmittel zur Durchsetzung einer Handlung, Duldung und Unterlassung im Verwaltungsvollstreckungsverfahren, wenn ein Zwangsgeld uneinbringlich ist.

VG Gießen, Beschl. v. 25.01.2023, Az. 4 L 2623/22.Gl
Pressemitteilung: https://verwaltungsgerichtsbarkeit.hessen.de/

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