Jurastudium: Mein Praktikum bei der Großkanzlei Jones Day

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Großkanzleien zählen zu den beliebtesten Arbeitgebern unter angehenden Jurist:innen. Gleichermaßen viele Mythen ranken sich um sie. Um herauszufinden, was dahintersteckt, habe ich im Rahmen eines Praktikums sechs Wochen bei Jones Day in Düsseldorf verbracht.

Tipps fürs Jurastudium

Wie bekommt man eine Praktikumsstelle?

Ich habe mich im ersten Semester für ein Praktikum nach dem zweiten Semester beworben und wurde angenommen, ohne irgendwelche Klausurergebnisse vorweisen zu können. Ein Großkanzleipraktikum ist also teilweise auch ohne neun Punkte in der Zwischenprüfung möglich. Vor allem in fortgeschrittenen Studienabschnitten kann es aber sein, dass bei einer Bewerbung auch auf die bisherigen Leistungen im Studium geschaut wird.

Aus meiner Sicht ist es hilfreich, im Vorhinein mit der Kanzlei in Kontakt zu kommen (etwa durch ELSA-Events, Karrieremessen oder andere Karriereveranstaltungen). Ich bin durch eine solche Veranstaltung mit zwei Anwälten der Kanzlei ins Gespräch gekommen und konnte deshalb sowohl im Motivationsschreiben, als auch im Bewerbungsgespräch relativ gut verkaufen, weshalb ich gerade dort ein Praktikum machen wollte.

Das Bewerbungsgespräch lief dann folgendermaßen ab: Coronabedingt fand ein Online-Meeting mit dem HR-Partner der Kanzlei statt. Nach einer kurzen Einführung in die Tätigkeiten der Kanzlei wurden typische Fragen eines Bewerbungsgespräches gestellt: Warum wollen Sie ein Praktikum bei einer Wirtschaftskanzlei absolvieren? Warum bei Jones Day? Anschließend wurden organisatorische Fragen geklärt, z. B. in welchen Arbeitsbereichen ich eingesetzt werden will und in welchem Zeitraum das Praktikum absolviert wird. Am Ende des Gesprächs gab es bereits eine Zusage für die Praktikumsstelle bei Jones Day.

Wie sieht der Arbeitsalltag in einer Großkanzlei aus?

Der Tag begann zwischen neun und zehn Uhr morgens und endete zwischen 17 und 19 Uhr abends. Vereinzelt war ich bis kurz nach 20 Uhr im Büro. Das war aber keine zwingende Anforderung der Kanzlei! Klar ist aber auch, dass der Arbeitsalltag von Praktikant:innen deutlich lockerer und kürzer gestaltet ist, als die Anforderungen, die in Großkanzleien später an Anwält:innen gestellt werden.

Ich habe von Praktikant:innen anderer Großkanzleien gehört, dass sie weniger gearbeitet haben, im Gegenzug aber auch kein oder viel weniger Geld bekamen. Die Praktikumsvergütung in einer Großkanzlei liegt, sofern Ihr eine erhaltet, zwischen 300 und 1000 Euro im Monat.

Ihre Zeit verbringen die Praktikanten bei Jones Day größtenteils mit Recherchen. D. h. nach einem kurzen Gespräch mit dem:der Ausbilder:in bekommt Ihr Zeit, Beck-Online und Juris nach Urteilen, Anmerkungen, Aufsätzen und Kommentaren zu durchsuchen. Anschließend werdet Ihr Eure Ergebnisse in der gewünschten Form darstellen (Vermerk, PowerPoint, E-Mail, im persönlichen Gespräch, am Telefon…). Wenn Ihr sorgfältig arbeitet, passiert es schnell, dass die Rechtsanwält:innen Euch mehr zutrauen und auch umfangreichere Gutachtenentwürfe erstellen lassen.

Ich durfte ferner bei dem Pro-Bono Projekt der Kanzlei mithelfen, bei dem ukrainische Flüchtlinge kostenlos beraten werden. Das lief so ab: zweimal wöchentlich wurden Mitarbeiter der Kanzlei zum sog. “Welcome Point 2 ” der Diakonie Düsseldorf geschickt. Dort kamen die Hilfesuchenden mit Problemen aller Art hin. Zur Vereinbarung eines Arzttermins, bezüglich der Schulanmeldung ihrer Kinder oder wegen der Kündigung eines Telefonvertrags. Erheblich erleichtert wurde unsere Arbeit durch die ukrainischen Mitarbeitenden der Kanzlei, welche die Sprachbarriere überwinden konnten.

Hinzu kamen fachbereichsspezifische Aufgaben. Im Gesellschaftsrecht werdet Ihr Euch sehr intensiv mit dem Handelsregister beschäftigen. Dazu zählt sowohl das Heraussuchen der richtigen Auszüge, als auch der Entwurf von Handelsregisteranmeldungen oder Gesellschafterbeschlüssen. Zu einzelnen Terminen im Notariat oder bei der Bank durfte ich eine der Rechtsanwältinnen ebenfalls begleiten. Es kam gelegentlich auch vor, dass ich deutschsprachige Vertragsdokumente ins Englische übersetzen und korrekt formatieren oder Templates überarbeiten sollte.

Fachlich ist das alles interessant, wird Euch jedoch lediglich fragmentarische Einblicke in das Rechtsgebiet und den Arbeitsalltag in einer Großkanzlei gewähren. Bedeutender ist der Einblick in die Kanzlei. Ihr seid eine begrenzte Zeit dort und könnt Euch ein erstes Bild davon machen, ob dieses Arbeitsumfeld für Euch interessant ist. Ihr lernt die Abläufe kennen und kommt mit den Mitarbeitenden der Kanzlei in Kontakt. Wenn Euch die Arbeit interessiert, findet Ihr nirgendwo bessere Ansprechpartner:innen.

Raum für Gespräche bieten die zahlreichen sozialen Veranstaltungen: die gemeinsamen Essen zu Beginn und Ende des Praktikums, das Fußballturnier, das Sommerfest, die Jubiläumsfeier oder das Networking-Event. Zwischen den Zeilen wurde bereits klar: Die Arbeitsatmosphäre bei Jones Day war sehr angenehm. Fast alle haben sich untereinander geduzt, mit manchen Mitarbeitenden und den anderen Praktikant:innen hat man sich in seiner Freizeit getroffen und es wurde deutlich mehr gelacht, als ich es im Vorhinein erwartet hätte.

Lohnt sich ein Praktikum in einer Großkanzlei?

Man kann definitiv eine entspanntere Zeit in den Semesterferien haben. Für diejenigen, die einfach ihr Pflichtpraktikum absolvieren wollen, wird ein Großkanzleipraktikum einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellen. Gerade, wenn man neben dem Praktikum noch eine Haus- oder Seminararbeit schreiben muss, ist das eine zeitliche Herausforderung. Zeit für einen Urlaub bleibt da kaum noch.

Wer jedoch die Arbeit in einer Großkanzlei ernsthaft als Berufsmöglichkeit in Betracht zieht, wird nicht enttäuscht werden. Das Praktikum ist eine gewinnbringende Erfahrung und öffnet Euch viele Türen. Im Kleinen: eine Stelle als studentische Hilfskraft oder ein nettes Add-on für den Lebenslauf und im größeren Rahmen: ein leichteres Wiederkommen als wissenschaftlicher Mitarbeitende oder Referendar:in.

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Noah Gehrke
Noah Gehrke
Student der Rechtswissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

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