Zwischen Leid und Leidenschaft: Der etwas andere Weg zum Jurastudium

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Das Jurastudium folgt einem strengen Muster – und diesem Muster müssen sich augenscheinlich auch die Studierenden fügen. Abschätzige Blicke, teure Kleidung, gutes Elternhaus; so zumindest das Klischee.

Zudem winken gute Karriereaussichten und ein Lifestyle wie aus dem amerikanischen Kassenschlager “Suits”. Es ist also vollkommen klar, wieso man Jura studieren möchte. Prestige, Geld, Luxus – die Jurist:innen von heute haben vor allem eines: große Ambitionen. Belächelt werden dagegen diejenigen, die für “mehr Gerechtigkeit“ studieren. Idealistische Weltverbesserer, die für ihre kindliche Naivität oft den Hohn und Spott ihrer Kolleg:innen auf sich ziehen.

Ich bin einer dieser Weltverbesserer und möchte dir mit einem Einblick in meine Geschichte zeigen, wieso wir ein wenig mehr Gerechtigkeit – auch im Jurastudium – doch ganz gut gebrauchen könnten.

Tipps fürs Jurastudium

Der Anfang vom Rest meines Lebens

Es war ein heißer Sommertag Mitte August. Die Sonne knallte, das Thermometer zeigte 42 Grad Celsius im Schatten und ich saß auf dem Boden eines vollklimatisierten Fitnessstudios als mich eine Nachricht aus meinem Workout riss.

Ihr Bewerbungsstatus hat sich verändert, bitte kehren Sie zu Ihrem Postfach zurück.”

Mein Herz fing sofort an zu pumpen. Es standen nicht mehr viele Rückmeldungen von Universitäten aus. Nur noch die jener Universität, von der ich mir geschworen hatte, dass sie mich für mein Jurastudium beherbergen würde. Eine recht große Universität in einer für meine Verhältnisse kleinen Stadt – natürlich mit Exzellenztitel. Bundes- und weltweit renommiert und allen, die sich etwas auskannte, als die Universität schlechthin bekannt. Ich hatte im vergangenen Monat mein Abitur mit Bravour bestanden. Objektiv gab es keinen Grund, wieso ich hätte abgelehnt werden können – aber die Angst, dass der Kampf umsonst war, blieb.

“Wir freuen uns Ihnen mitteilen zu können, dass wir Ihnen ein Zulassungsangebot machen können.“

Freude, Stolz, aber auch Sorge überkamen mich. Ich stand sofort auf und sprintete zu meinem Vater, um ihm die freudige Nachricht mitzuteilen. Kurz darauf rief ich meine Mutter in Deutschland an. Beide freuten sich. Auch wenn sie nicht wussten, was mich erwartete. Das ahnte ich selbst jedoch auch nicht.

Zwischen Abitur und Abschiebung

Mein Start ins Jurastudium war nicht nur geographisch kein normaler. Ich wollte eigentlich nie Jura studieren. Viel eher sah ich mich im Lehramt oder in der Politikwissenschaft. Ich hatte schon immer ein besonderes Interesse an Politik, vor allem dank meinen Eltern, die beide als Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Im Besonderen wollte ich dabei der Frage nachgehen, wieso sich meine Lebensrealität so sehr von der eines:r Durchschnittsdeutschen unterscheidet.

Ich wollte verstehen, wie es sein kann, dass ein einziger Mensch über mein Schicksal in Deutschland entscheiden kann, obwohl wir beide in derselben deutschen Stadt zur Welt kamen. Wie es sein kann, dass man mich alle zwei Jahre in eine dunkle und graue Behörde zwingt, um eine Erklärung darüber abzugeben, wieso ich in Deutschland bleiben will. Wie es sein kann, dass ein Kind überhaupt so viele Amtsgänge machen muss. Ich erkannte schon früh, dass das nicht gerecht war; und als der Tag kam, an dem ich für meine Einbürgerung einen Rechtsbeistand hinzuziehen musste, änderte sich mein Leben auf einen Schlag.

Was machst du, wenn dir keiner helfen kann?

Die kleine Kanzlei meines Anwalts lag mitten in der Innenstadt. Ein hübsches Büro, auch wenn es nicht sonderlich groß war. Der bereits ergraute, ältere Herr hörte sich mein Belangen geduldig an, zog die Nase hoch und gab mir die Worte mit, die meinen Berufswunsch und den Rest meines Lebens ändern sollten.

“Menschen wie Sie sind hier Menschen zweiter Klasse. Das ist ein Prinzip. Vergessen Sie das nicht und überlegen Sie sich gut, ob eine Ausbildung nicht besser zu Ihnen passt.”

Geschockt blickte ich zu meinen Eltern, die ebenso fassungslos waren. Dem Anwalt gegenüber verzog ich dabei aus Stolz keine Miene. Meine harte Fassade konnte ich jedoch nur so lange wahren, bis wir sein Büro verlassen hatten und ich vor der Kanzlei in Tränen ausbrach. Ich weinte, weil mir seine Worte näher gingen, als sie sollten. Aber ich fasste auch einen Entschluss. Den Entschluss, mir selbst zu helfen.

“Wenn kein Anwalt mir helfen kann, dann muss ich es eben selbst tun.“

Das war der Leitgedanke, der mich durch die restlichen Wochen und Monate trug. Und ich sollte Recht behalten: Egal welche Kanzlei wir ansteuerten, egal wie viele Kommentare die Anwält:innen mitverfasst hatten und egal wie renommiert die Person war – keiner konnte helfen. Oder besser gesagt, keiner wollte helfen. Das Belangen sei zu kompliziert und der Rechtsweg zu lang, hieß es dabei immer wieder. Ich müsse das einfach akzeptieren. Widerstand sei zwecklos.

Der Weg ist das Ziel

Und nun fand ich mich einige Jahre später hier in Erbil, im Norden des Iraks und der Heimat meines Vaters, mit zitternden Händen wieder. Das kleine, verletzte Kind würde wohl toben, wenn es wüsste, wo es heute steht. Aber es wusste auch, dass es sein Versprechen einlösen muss. Für sich selbst und für andere.

Und so nahm ich das Angebot meiner Wunschuniversität an und fand mich wenige Monate später im Hörsaal wieder. Es war ein typisch kalter und regnerischer deutscher Herbsttag, aber eben auch der Beginn eines neuen Lebensabschnitts, der alles ändern sollte.

Natürlich war ich auch in einem Hörsaal mit mehreren Hunderten Menschen – man möchte meinen einem Querschnitt der Gesellschaft – Teil einer Minderheit. Mir war auch klar, dass ich es als “Arbeiterkind” nicht leicht haben würde. Denn egal, was ich euch erzähle – die Realität des Jurastudiums kann ich nicht leugnen. Was ich jedoch tun kann, ist euch zu ermutigen es zu probieren, auch wenn alle äußeren Umstände gegen euch zu sein scheinen.

Es ist nicht leicht, sich in einem Studium mit Menschen wiederzufinden, deren größter Schicksalsschlag es war, dass ihr MacBook Pro mal den Geist aufgegeben hat, während man selbst jahrelang um seine Existenz bangen musste. Das ist verständlich. Es ist jedoch aus diesem Grund umso wichtiger, sich selbst treu zu bleiben und niemals aus Angst nicht reinzupassen, einen Teil der eigenen Identität zu leugnen.

Keine Zukunft ohne Vergangenheit

Fragt man mich, weshalb ich Jura studiere, sage ich die Wahrheit – selbst wenn das bedeutet, von Anfang an “anders“ sein zu müssen. Deshalb möchte ich alle, die sich in diesen Zeilen ansatzweise wiederfinden können, dazu ermutigen, es mir aller Zweifel zum Trotz gleich zu tun.

In der Zwischenzeit konnte ich mir selbst Abhilfe verschaffen und mein Belangen auch ohne Rechtsbeistand aus der Welt schaffen. Dabei fasste ich den Entschluss, dass später kein Mensch jemals die Türen meiner Kanzlei im Glauben, es gäbe keine Lösung, weinend verlassen würde. “Geht nicht gibt´s nicht.” Sich dies stetig vor Augen zu führen, mag schwer sein. Es hat jedoch einen Grund, weshalb gerade die härtesten Aufstiege zu den schönsten Aussichten führen.  

Ich hoffe, dass ich mein Versprechen anderen gegenüber, die ähnliches erlebt haben, eines Tages als Anwältin einlösen kann. Sollte dem nicht so sein, werde ich trotzdem einen Weg finden. Und ihr sicherlich auch.

Bis dahin, alles Gute.

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