Weiberfastnacht: Darf ich fremden Personen die Krawatte abschneiden?

An Weiberfasnacht oder auch Weiberfasching wird am Donnerstag vor Aschermittwoch der Übergang vom Sitzungs- zum Straßenkarneval gefeiert. Zum „Schmotziger Dunschtig“ gehört auch, dass Frauen symbolisch das Regiment überlassen wird. Das zeichnet sich traditionell unter anderem dadurch aus, dass sie Männern die Krawatten abschneiden „dürfen“. Doch Moment, „dürfen“ sie das denn auch rechtlich? Oder handelt es sich dabei um eine Sachbeschädigung?

Darüber musste bereits 1988 das Amtsgericht Essen (Urt. v. 03.02.1988, Az. 20 C 691/87) entscheiden. Schon der Sachverhalt liest sich kurios. Ein Mann betrat ein Reisebüro in einem Einkaufszentrum. Dort trat eine Angestellte auf ihn zu und „versuchte, ohne den Kläger zu fragen, ihm die Krawatte abzuschneiden, die dabei so beschädigt wurde, daß sie nicht mehr tragbar ist.“ Der Kunde hatte nicht bedacht, dass Weiberfasnacht war. Denn kluge Männer tragen an diesem Tag ihre älteste und hässlichste Krawatte.

Krawatte hatte 98 DM gekostet

Der Mann legte stattdessen eine Quittung über 98 DM vor. So viel hatte seine Krawatte angeblich gekostete – und verlangte von der Angestellten, Schadensersatz zu leisten. Doch es kommt noch schlimmer: Der Mann hatte an diesem Tag einen wichtigen geschäftlichen Termin, den er auf Grund des Krawatten-Debakels nicht wahrnahm. Auch hierfür verlangte er Ersatz – insbesondere für die Fahrtkosten, die zum Nachholen des Termins anfielen.

Die Parteien trafen sich schließlich vor Gericht wieder, wo sich die Angestellte mit folgender Argumentation wehrte: „Es entspreche nämlich allgemeiner Gepflogenheit am Weiberfastnachtstag, Herren die Schlipse abzuschneiden. überdies habe sie wohl kaum den Kläger unter Ausnutzung einer körperlichen Überlegenheit zur Duldung des Abschneidens gezwungen. Der Kläger habe vielmehr die Möglichkeit gehabt, dieser Handlung zu widersprechen und sie zu verhindern.“

Das Gericht sprach dem Kunden einen Schadensersatzanspuch aus § 823 I BGB wegen der Verletzung seines Eigentums an der Krawatte zu. Die Frau habe vorsätzlich gehandelt. Das Verhalten sei auch rechtswidrig, insbesondere entfalle die Rechtswidrigkeit nicht wegen Sozialadäquanz.

Rechtswidrigkeit entfällt nicht wegen Sozialadäquanz

Dazu heißt es im Urteil: „Dabei kann dahinstehen, ob aus Gründen der Sozialadäquanz, des verkehrsrichtigen Verhaltens ausnahmsweise die Rechtswidrigkeit der Eigentumsverletzung nicht indiziert wird, da die Beklagte bei ihrem Tun unstreitig bewußt und damit vorsätzlich hinsichtlich des objektiven Tatbestandes gehandelt hat. In diesem Falle ist es aber nach der herrschenden Rechtsprechung, der sich das Gericht anschließt, unzweifelhaft, daß nicht aus Gründen der Sozialadäquanz dem verwirklichten Erfolg der Unrechtsgehalt abgesprochen werden kann.“

Trotz Weiberfasnet könne man auch keine (mutmaßliche) Einwilligung in das Abschneiden der Krawatte annehmen. „Unstreitig geschah die Zerstörung der Krawatte ohne Einwilligung des Klägers. Auch für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung ist kein Raum. Denn eine mutmaßliche Einwilligung im Zivilrecht kommt nur dann als Rechtfertigung in Betracht, wenn das betroffene Opfer nicht in der Lage ist, ausdrücklich die Einwilligung selbst zu erklären. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall gewesen.“

Irrtum über Einwilligung unerheblich

Selbst wenn die Frau auf Grund des Datums irrtümliche eine Einwilligung angenommen hätte, führe dies weder zur Rechtfertigung noch zum Schuldausschluss. „Die Beklagte selbst hat nicht dargelegt, daß sie selbst bei äußerster Anspannung der Sorgfaltspflichten nicht das Fehlen der Einwilligung hat erkennen können. Schon leichte Fahrlässigkeit reicht zur Verwirklichung des Verschuldenstatbestandes aus, § 276 BGB.“

Im Ergebnis bedeutet das für alle Krawattenabschneiderinnen: Erst fragen, dann schneiden! Oder zu den Konsequenzen des eigenen Handelns stehen und hoffen, dass die Krawatte nicht allzu teuer war.

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