Der BGH und das Pippi-Langstrumpf-Urteil: Darum sind Kostüme und Cosplay heute möglich

Jedes Kind kennt Pippi Langstrumpf. Das freche Mädchen mit den roten Zöpfen und den Sommersprossen aus der Kinderbuch-Reihe der schwedischen Schriftstellerin Astrid Lindgren. Pippi Langstrumpf haben wir es auch zu verdanken, dass Karnevals-Kostüme bekannter Buch- und Filmcharaktere sowie das beliebte Verkleidungshobby „Cosplay“ heute in Deutschland problemlos erlaubt sind. Ausschlaggebend dafür sind zwei BGH-Urteil aus den Jahren 2013 und 2015.

Der Rechtsstreit, den der BGH beilegte, zog sich seit 2011 zwischen den Erben der 2002 verstorbenen Kinderbuchautorin und dem Discounter Penny hin. Penny hatte damals Karnevalskostüme unter dem Namen “Püppi” verkauft. Das Kostüm bestand aus einem grünen T-Shirt-Kleid und langen Ringelstrümpfen und spielte ersichtlich auf den Buchcharakter „Pippi“ an. Auf der Verpackung bewarb man das Kostüm mit dem Foto eines Mädchens mit roten Zöpfen. Zwar entsprach die Verkleidung nicht einmal weitgehend der Schilderung Astrid Lindgrens, doch eine gewisse Ähnlichkeit war unverkennbar.

Die Schwedin Astrid Lindgren gehört mit einer Gesamtauflage von etwa 165 Millionen Büchern zu den bekanntesten Kinder- und Jugendbuchautor:innen der Welt. Ihre Werke wurden in über 100 Sprachen übersetzt und alleine in Deutschland verkauften sich ihre Bücher über 20 Millionen Mal. Astrid Lindgren starb am 28. Januar 2002 im Alter von 94 Jahren in Stockholm. Seitdem werden die Rechte an ihren Werken von der The Astrid Lindgren Company verwaltet, der die Kinder und Enkel:innen Lindgrens angehören.

The Astrid Lindgren Company klagt gegen Penny

Und genau diese Gesellschaft wehrte sich gerichtlich gegen das im Jahr 2010 von Penny verkaufte Püppi-Kostüm. Und zunächst hatte The Astrid Lindgren Company in Deutschland damit auch Erfolg. Das Landgericht Köln entschied 2011, Pippi Langstrumpf sei als Figur auch außerhalb der Bücher urheberrechtlich geschützt. Diese Rechte habe Penny durch das Kostüm verletzt und müsse daher zahlen. Das Oberlandesgericht Köln bestätigte diese Entscheidung 2012. Denn: Einer fiktiven Figur komme Urheberrechtsschutz zu, wenn diese „der Phantasie des Urhebers entsprungen, ausreichend individuell ist und auch außerhalb der konkreten Geschichte eine charakteristische und unverwechselbare Persönlichkeit aufweist“. So neben Pippi auch bei Pumuckl, Donald Duck, Bambi oder Asterix und Obelix.

Dagegen legte Penny Revision zum BGH ein und bekam 2013 überraschend Recht. Im Leitsatz der Entscheidung heißt es: “Für eine nach § 23 UrhG verbotene Übernahme eines Charakters ist es mithin nicht ausreichend, dass eine Abbildung (hier: Abbildung von Personen in Karnevalskostümen) lediglich einzelne äußere Merkmale der literarischen Figur übernimmt. Diese Elemente mögen zwar die äußere Gestalt der Romanfigur prägen. Sie genügen aber für sich genommen nicht, um den Urheberrechtsschutz an der Figur zu begründen und nehmen daher auch nicht isoliert am Schutz der literarischen Figur teil.”

Und weiter: „Wird aus den angegriffenen Abbildungen deutlich, dass sich die abgebildeten Personen für Karnevalszwecke nur als die literarische Figur verkleiden und somit lediglich in ihre Rolle schlüpfen wollen, spricht dies für die Annahme eines inneren Abstands zum Werk und damit für eine freie Benutzung gemäß § 24 Abs. 1 UrhG.“

Screenshot aus dem Tatbestand des BGH-Urteils

Vollständiges Bild Pippis entsteht erst im Kopf der Betrachter:innen

Das vollständige Bild Pippis kommt also in der Abbildung auf der Verpackung des Penny-Kostüms noch nicht zum Ausdruck, sondern entsteht erst im Kopf des:r Betrachte:in. Es werde gerade deutlich, dass die verkleideten Personen nur in die Rolle der Kinderbuchheldin schlüpfen wollen, weswegen hinreichend klar sei, dass die Abbildung gerade nicht Pippi Langstrumpf zeige. Urheberrechtliche Ansprüche schieden damit aus.

In der Klage ging es außerdem um wettbewerbsrechtliche Ansprüche, insbesondere den sog. “ergänzenden Leistungsschutz” aus § 4 Nr. 9 UWG. Dieser besagt, dass Nachahmungen von Produkten unlauter sind, wenn Abnehmer:innen über die Herkunft des Produkts getäuscht werden oder die Wertschätzung des Originals unangemessen ausgenutzt oder beeinträchtigt wird. Diesen Teil der Klage wies der BGH an das OLG zurück, das 2014 eine „Nachahmung“ des Buchcharakters bejahte. Trotzdem verneinten die Richter:innen am Ende die Gefahr einer Herkunftstäuschung wegen der von Penny gewählten Bezeichnung “Püppi”. Das Urteil bestätigte der BGH 2015 im Ergebnis. Das Karlsruher Gericht sah aber – anders als das OLG – in den von Penny angebotenen Kostümen nicht einmal eine Nachahmung Pippis. Auch in dieser Hinsicht ging The Astrid Lindgren Company also leer aus.

Zum Glück aller Cosplayer und Karnevalist:innen. Denn diese dürfen sich nun völlig unbesorgt auch in Deutschland wie ihre Lieblingscharaktere aus Literatur und Film verkleiden. Und können deren Kostüme sogar ganz legal käuflich erwerben.


BGH, Urt. v. 17.07.2013, Az. I ZR 52/12
BGH, Urt. v. 19.11.2015, Az. I ZR 149/14

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