Jurastudium: Mein Gruppenpraktikum bei der Staatsanwaltschaft

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Das Semester verabschiedet sich mitsamt seinen Vorlesungen und seiner Klausurenphase und mündet in die vorlesungsfreie Zeit. “Semesterferien” sind uns angehenden Juristen und Juristinnen aber ja bekanntlich fremd. Damit den Studierenden in ihrer wohlverdienten Freizeit also nicht allzu langweilig wird, heißt es in § 5a Abs. 3 S. 2 DRiG: “Während der vorlesungsfreien Zeit finden praktische Studienzeiten von insgesamt mindestens drei Monaten Dauer statt.“ In der vorlesungsfreien Zeit werden damit nicht nur die Haus- und Seminararbeiten geschrieben, sondern auch die Pflichtpraktika absolviert. Dies birgt natürlich die Gefahr, dass das Pflichtpraktikum eher als eine lästige Verpflichtung, denn als spannende Möglichkeit, Praxiserfahrung zu sammeln, wahrgenommen wird.

Tipps fürs Jurastudium

Dabei sind die Pflichtpraktika so viel mehr als bloße Zulassungsvoraussetzung für das erste Staatsexamen! Vor allem bieten sie den Studierenden die Gelegenheit, fernab vom Hörsaal erstmalig Praxisluft zu schnuppern und so ihren Interessen nachzugehen. Die Voraussetzungen, wie die drei Monate der praktischen Studienzeit genau gestaltet werden müssen, findet ihr in der jeweiligen Prüfungsordnung eures Bundeslandes. In Sachsen bestimmt § 19 Abs. 2 SächsJAPO beispielsweise, dass die praktische Studienzeit im In- und Ausland bei der Justiz, bei der Verwaltung, bei einem Rechtsanwalt, bei einem Notar oder bei einer sonstigen geeigneten Stelle abgeleistet werden kann. Sächsische Studierende können damit frei wählen, ob sie ihre praktische Studienzeit beispielsweise bei einem “Wald-und-Wiesen-Anwalt“, der JVA, der Großkanzlei, bei verschiedenen Gerichten oder eben bei der “objektivsten Behörde der Welt“ verbringen – der Staatsanwaltschaft. Bei letzterer habe ich im vergangenen Semester ein spannendes Gruppenpraktikum absolviert, über welches ich euch im Folgenden berichten werde.

Praktikum bei der Staatsanwaltschaft – Nur etwas für Strafrechtsinteressierte?

Wer sich für die Staatsanwaltschaft entscheidet, entscheidet sich für das Strafrecht? Nun, ganz so final ist die Entscheidung für ein Praktikum bei der Staatsanwaltschaft dann doch nicht. Ganz im Gegenteil! Auch Studierenden ohne großen Hang zum Strafrecht möchte ich vorab die Teilnahme an einem Gruppenpraktikum bei der Staatsanwaltschaft empfehlen. Ich selbst wusste schon vor meiner Bewerbung, dass der Beruf der Staatsanwältin wohl eher nichts für mich ist. Dennoch wollte ich mir ein Bild davon machen, was hinter den Türen der “objektivsten Behörde der Welt“ so alles passiert. Denn wenn gleich man selbst zwar nicht allzu gern damit in Berührung kommt, stellt das Strafrecht vermutlich das Rechtsgebiet dar, das auf viele Menschen die größte Faszination ausübt. Doch auch abgesehen vom eigenen Interesse für das Strafrecht, bietet ein Gruppenpraktikum bei der Staatsanwaltschaft viele Vorteile:

Studierendenfreundliches Praktikum – Zwischen Pflichtveranstaltungen und Eigeninitiative

So lief die Bewerbung um einen Praktikumsplatz bei der Staatsanwaltschaft Leipzig recht unkompliziert ab. Die Informationen zu den Gruppenpraktika im Bereich der Rechtspflege werden jedes Semester vom Landesjustizprüfungsamt des Freistaates Sachsen ausgehändigt. Darin sind die einzelnen Stellen, die Platzanzahl, der Zeitraum des Praktikums und vor allem die Anmeldefristen enthalten. In Leipzig müsst ihr bei der euch interessierenden Stelle einen Zulassungsgesuch mit den wichtigsten Daten zu eurer Person stellen – ohne Lebenslauf, Notenübersicht oder Vorerfahrungen. Damit eignet sich ein Gruppenpraktikum bei der Staatsanwaltschaft schon für die jüngeren Semester. Die Platzvergabe erfolgt nach dem Windhundprinzip und die Plätze sind rar – also frühzeitig bewerben!

Habt ihr dann einen der begehrten Plätze ergattert, erwartet euch ein studierendenfreundliches Praktikum. Täglich Kopieren, Kaffee kochen oder Akten sortieren steht im Rahmen des Gruppenpraktikums bei der Staatsanwaltschaft nämlich nicht auf dem Plan. Stattdessen bekommt ihr vorab einen festen Ablauf, der die einzelnen Veranstaltungen und Termine, zu denen ihr erscheinen müsst, festlegt. Dazwischen habt ihr “frei”, dürft eigenständig Verhandlungen besuchen oder eben an eurer Hausarbeit schreiben. Dies hat den großen Vorteil, dass das Praktikum nicht zum zusätzlichen Stressfaktor mutiert, durch welchen man seine anderen universitären Pflichten vernachlässigen muss. Stattdessen habe ich den Besuch der Verhandlungen und die Teilnahme an den Pflichtveranstaltungen immer als willkommene Abwechslung zu meinem Schreibtisch empfunden. Und damit wären wir auch schon bei dem größten Vorteil, den euch ein Gruppenpraktikum bei der Staatsanwaltschaft bietet: Die spannenden Veranstaltungen!

JVA und Obduktion – Was das Praktikum alles zu bieten hat

Wann sonst hat man schon einmal die Chance, Staatsanwält:innen und Strafverteidiger:innen über ihren Job auszufragen, eine Justizvollzugsanstalt zu besuchen oder gar an einer Obduktion teilzunehmen? Im Folgenden habe ich euch ein paar der Veranstaltungen aufgelistet, an denen ich im Rahmen meines Gruppenpraktikums bei der Staatsanwaltschaft teilnehmen durfte:

  • Besuch der DEKRA:

Unser erster Veranstaltungstermin führte uns in die Leipziger Niederlassung der DEKRA. Bei der DEKRA handelt es sich um eine deutsche Prüfgesellschaft im Sachverständigenwesen. Im Falle von Verkehrsunfällen mit Sach- oder Personenschäden, bei denen Straftaten im Raum stehen, erstellen die Sachverständigen der DEKRA unfallanalytische Gutachten für die Staatsanwaltschaft. Uns wurden verschiedene Computersimulationen echter Unfälle gezeigt, anhand derer beispielsweise Bremsspuren oder Sitzpositionen der Fahrzeuginsassen rekonstruiert wurden. Straftaten wie Sachbeschädigung sowie Verkehrs- oder gar Tötungsdelikte können so aufgeklärt werden.

  • Besuch des Sozialen Dienstes der Justiz:

Noch in derselben Woche besuchten wir den Sozialen Dienst der Justiz. Dieser ist im Rahmen der ambulanten Strafrechtspflege tätig, also in den Bereichen der Bewährungshilfe, der Führungsaufsicht, der Gerichtshilfe sowie dem Täter-Opfer-Ausgleich. Unser Referent brachte uns außerdem die therapeutischen Hilfsangebote für strafffällig gewordene Personen sowie die elektronische Überwachung (sog. Fußfessel) von als besonders gefährlich eingestuften Straftätern näher.

  • Austausch mit einem Fachanwalt für das Strafrecht und verschiedenen Staatsanwält:innen

Schließlich hatten wir die Möglichkeit, einem Strafverteidiger unsere Fragen zu seinem Berufsfeld, den Abläufen einer Verhandlung oder seinen moralischen Ansichten zu stellen. Gibt es Straftaten, die Sie als Rechtsverteidiger nicht verteidigen möchten? Für wen eignet sich der Beruf des Strafverteidigers, für wen nicht? Hier könnt ihr alles fragen, was euch interessiert. Das Praktikum sieht außerdem vor, dass ihr in Kleingruppen einem Staatsanwalt oder einer Staatsanwältin zugeordnet werdet, denen ihr ebenfalls Fragen stellen dürft.

  • Besuch des Bundesverwaltungsgerichts:

Nicht nur Leipziger Studierenden sollte das Bundesverwaltungsgericht ein Begriff sein. Das anmutige Gebäude, hat eine lange Geschichte, welche durch die Weimarer Verfassung, die Zeit des Nationalsozialismus und der Deutschen Demokratischen Republik führt. Seit 2002 beherbergt das Gebäude das Bundesverwaltungsgericht, dessen Entscheidungen uns allen aus der Verwaltungsrechtsvorlesung geläufig sein sollten. Während unseres Besuches bekamen wir eine Führung durch die historischen Räume von einem der wissenschaftlichen Mitarbeiter. Anschließend durften wir einer Sitzung des 4. Senates des Bundesverwaltungsgerichts beiwohnen.

  • Besuch einer Justizvollzugsanstalt:

Hinter welche Kulissen man als rechtschaffene Studierende (im besten Fall) nicht so einfach blicken kann, sind die einer Justizvollzugsanstalt. Auch diesen Besuch ermöglichte uns das Praktikum bei der Staatsanwaltschaft. Selbstverständlich immer von den Gefangenen separiert, bekamen wir eine Führung durch die einzelnen Gebäude. Dabei bekamen wir einen Einblick in die Wohn- und Lebensverhältnisse der Gefangenen sowie den Freizeit- und Weiterbildungsangeboten, welche die Einrichtung bereithält und statteten auch dem Kriseninterventionsraum (ugs. Gummizelle) einen Besuch ab.

Erfahrungsbericht: Das Praktikum in einer Justizvollzugsanstalt

  • Besuch des Institutes der Rechtsmedizin der Universität Leipzig

Das Beste kommt zum Schluss? Dies mag wohl angesichts dessen, was jetzt kommt, nicht jede:r so sehen, aber für mich war der Besuch des Institutes der Rechtsmedizin eines der “Highlights” meines Praktikums bei der Staatsanwaltschaft. Denn jeder Studierende sollte sich einmal klar machen, dass der Beruf des Staatsanwalts nicht nur Aktenberge, Verhandlungen oder Zeugenvernehmungen bereithält, sondern mit großer Sicherheit auch die ein oder andere Obduktion. Eine Obduktion meint die Öffnung einer Leiche. Diese Untersuchung wird von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht angeordnet, wenn eine natürliche Todesursache auf den ersten Blick ausscheidet oder der Verdacht einer Straftat besteht. Vorab: Der Besuch des rechtsmedizinischen Institutes wurde uns im Vorfeld von dem uns betreuenden Staatsanwalt freigestellt. Wer also nicht an einer Obduktion teilnehmen will, muss dies auch nicht. Des Weiteren kann man seine Meinung auch vor Ort jederzeit wieder ändern und das Institut verlassen.

Im konkreten Fall sollte durch die Obduktion abgeklärt werden, ob bei der erfolglosen Wiederbelebung eines hochbetagten Mannes ein ärztlicher Behandlungsfehler aufgetreten war. Dies war nicht der Fall, wie die behandelnde Rechtsmedizinerin schnell feststellte. Wie genau sie dies in Erfahrung bringen konnte, erspare ich euch an der Stelle. Nur so viel: Die Teilnahme an einer rechtsmedizinischen Obduktion ist eine spannende und lehrreiche Erfahrung, die für jeden Rechtsstudierenden zu empfehlen ist. Für mich bleibt es jedoch auf jeden Fall bei diesem einmaligen Erlebnis. 

Fazit – Für wen eignet sich ein Praktikum bei der Staatsanwaltschaft?

Ein Gruppenpraktikum bei der Staatsanwaltschaft lohnt sich nicht nur wegen der Abarbeitung der praktischen Studienzeit. Stattdessen nimmt man an interessanten Veranstaltungen teil, bei denen man sonst nicht so einfach dabei sein dürfte. Das Praktikum ist außerdem hervorragend mit dem Schreiben von Hausarbeiten, einem Nebenjob oder dem Repetitorium vereinbar, da die Veranstaltungen nicht für jeden Tag angesetzt sind. Im Gegensatz zum Praktikum in einer Kanzlei muss man als Praktikant bei der Staatsanwaltschaft wenig für seine Praktikumsbescheinigung tun.

Dies heißt aber auch, dass derjenige, der in seiner praktischen Studienzeit gern selbst helfen, richtig mitarbeiten und erlerntes Wissen praktisch anwenden will, bei einem Gruppenpraktikum der Staatsanwaltschaft an der falschen Adresse ist. Für diejenigen, die einfach mal neue, originelle Erfahrungen machen wollen, ist das Gruppenpraktikum bei der Staatsanwaltschaft dagegen perfekt geeignet.

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