Falsche Interpunktion in Gesetz führt zur Legalisierung von LSD-ähnlichen Substanzen

Dem Gesundheitsministerium unter Karl Lauterbach ist ein folgenschwerer Fehler unterlaufen. Eine falsche Interpunktion im Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) führt dazu, dass gefährliche LSD-Derivate plötzlich legal sind.

Update: Inzwischen stimmte der Bundesrat der Vierten Verordnung zur Änderung der Anlage des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes ((NpSG) zu. Die neue Regelung tritt demnächst in Kraft. Die LSD-Variante “1V-LSD” ist dann vom Verbot umfasst.

Im Moment kursiert in den einschlägigen Web-Shops die Variante 1D-LSD. Von der neuesten Verordnung ist diese nicht erfasst.

Auf ihrer Website lsd-legal.de bewirbt die Cofana GmbH das neueste Produkt „1D-LSD“ mit den Worten „Kaufe jetzt das neue legale LSD Derivat“. Zwar weist der Verkäufer bei dem konkreten Produkt in einem Herstellerhinweis darauf hin: „Nicht für den menschlichen Konsum bestimmt!“ Dass das Produkt in Deutschland grundsätzlich legal ist, steht aber direkt auf der Titelseite der Website in den sog. FAQs. Andere Firmen werben dabei schon deutlich offensiver wie bspw. die Gutmenschen GmbH aus Berlin. Sie schreibt auf ihrer Website lsd.shop: „Einfach das legale LSD-Derivat 1D-LSD online kaufen. Drei Dosierungen für den All-Tag. 1D-LSD kann ihr Leben verbessern.“ Zwar führt auch die Gutmenschen GmbH Warnhinweise an, diese erschöpfen sich aber lediglich in einer Bitte: „Bitte konsumieren Sie nicht gedankenlos 1D-LSD: Forschen Sie achtsam und mit Verstand. Erfahren Sie eine außergewöhnliche Wunder-Welt.“

Konsumenten können Farben hören

LSD-Derivate sind im Unterschied zum reinen LSD (Lysergsäurediethylamid) solche Substanzen, die von der Struktur des LSD abgeleitet werden. Durch diese teils nur geringen Abweichungen sollen sie der Wirkung der „Mutterdroge“ LSD möglichst in nichts nachstehen. LSD ist ein starkes Halluzinogen, das bereits in sehr geringen Mengen stark wirken kann. Die Wirkung setzt bei der oralen Einnahme meist nach etwa 30 Minuten ein und hält bis zu zwölf Stunden an. Zu Beginn des Rausches steigt der Blutdruck und Herzrasen, sowie Übelkeit können eintreten. Optische und akustische Halluzinationen, sowie intensivierte und veränderte Farbwahrnehmungen sind typisch für LSD, auch Acid genannt. Allerdings kann es auch zu sog. Horrortrips kommen, die zu schwerwiegenden psychischen Schäden wie bspw. Psychosen führen können.

NpSG erfasst Ableitungen

Das reine LSD ist wie andere illegale Substanzen vom Betäubungsmittelgesetz (BtMG) erfasst, sodass die Herstellung, der Erwerb und der Besitz strafrechtlich relevant sind. Die wirkungsgleichen LSD-Derivate hingegen fallen seit 2016 nicht unter das BtMG, sondern unter das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG).

Der Gesetzgeber hat das NpSG eingeführt, weil mit der Zeit immer mehr neue Stoffe auf den Markt kamen, die in ihrer Wirkungsweise den „Mutterdrogen“ glichen, aber nicht vom BtMG erfasst waren. Das NpSG erfasst deshalb nicht nur einzelne Stoffe, sondern ganze Stoffgruppen. Wie auch das BtMG enthält das NpSG Straftatbestände, die den Handel, die Herstellung und den Besitz der Substanzen unter Strafe stellen.

Letztendlich kommt es zu einem stetigen Schlagabtausch zwischen Chemiker*innen bzw. Anbietern und dem Gesetzgeber. Chemiker*innen entwickeln ein neues Derivat, woraufhin in aller Regelmäßigkeit das NpSG bzw. dessen Anlage geändert wird. Darauffolgend, werden neue Derivate entwickelt und das Spiel beginnt von vorn. Um sich nicht fortlaufend strafbar zu machen, sind die Anbieter darauf angewiesen, die Strafbarkeitslücken ausnutzen und nach Gesetzesänderung wieder eine neue Variante anzubieten.

Änderung 2022 führte zu Re-Legalisierung

Die letzte Änderung des Gesetzes im Oktober 2022 ging aber gewaltig in die Hose. Statt einer beabsichtigen Erweiterung des Verbots sei eine versehentliche „Re-Legalisierung“ und „Generalsamnestie“ in Bezug auf eine Reihe neuer psychoaktiver Stoffe vorgenommen worden. Ein Interpunktionsfehler führte dazu, dass eine Reihe von LSD-Derivaten nachträglich legalisiert wurden. Das veröffentlichen Dr. Sebastian Sobota, Strafrechtler und Kriminologe an der Uni Heidelberg, Chemikerin Dr. Annika Klose und Materialwissenschaftler Dr. Lukas Mirko Reinold Mitte März in der Ausgabe der Fachzeitschrift „Strafverteidiger“.

Laut Sobota, Klose und Reinold hat die falsche Interpunktion fatale Auswirkungen: „Er führt nicht nur dazu, dass 1V-LSD – entgegen der Absicht des Gesundheitsministeriums – gar nicht verboten wurde und auch sein Nachfolger 1D-LSD nicht erfasst ist, sondern darüber hinaus wurden sogar bereits verbotene LSD-Derivate durch die Änderung versehentlich ‘re-legalisiert’, beispielsweise 1P-LSD und 1cP-LSD. […] Im Ergebnis führt der redaktionelle Fehler zu einer Generalamnestie für alle Verstöße gegen § 4 NpSG, die sich auf den Umgang mit den genannten Tryptaminen [darunter auch LSD-Derivate] beziehen und noch nicht rechtskräftig abgeurteilt worden sind. Etwa bereits Verurteilte könnten einen Gnadenantrag stellen”, so heißt es auf LTO.

Rückwirkungsverbot im Strafrecht

Nach dem Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB kann eine Tat nur dann bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Selbst wenn die Tat zum Tatzeitpunkt strafbar war und nun re-legalisiert wurde und innerhalb des Verfahrens wieder durch eine Korrektur des NpSG strafbar wird, muss aber gem. § 2 Abs. 3 StGB das mildeste Gesetz angewendet werden. Das mildeste Gesetz ist in diesem Fall aber das aktuell geltende NpSG. Ergebnis: Freispruch.

Aufgrund der Komplexität und der Abstraktheit der Anlage des NpSG ist der nächste Interpunktionsfehler und damit die nächste Re-Legalisierung aber wohl nur eine Frage der Zeit.

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Florentine Scheffel
Florentine Scheffel
Rechtsreferendarin in Thüringen.

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