Urheberrecht: Drei bekannte Künstlerinnen verklagen die Bild-KI Stable Diffusion

KI-Tools, die aus Texten neue Bilder erzeugen, sind in den letzten Monaten immer beliebter geworden. Künstliche Intelligenzen wie die von Stable Diffusion, Midjourney und Co. erzeugen dabei aus bestehendem Bildmaterial neue Werke. Doch das sorgt für bisher noch nie dagewesene Probleme beim Urheberrecht. Mit der Unterstützung des Anwalts und Designers Matthew Butterick gehen die Illustratorin Sarah Andersen, die Comic-Künstlerin Kelly McKernan und die Character Designerin Karla Ortiz jetzt gerichtlich gegen die Nutzung ihrer Werke durch KIs vor.

Seit letztem Jahr sind Bild-Generatoren für alle im Netz frei verfügbar. In die entsprechenden Tools können einfach Begriffe wie „Katze mit Hut“ oder „Fantasy Schloss bei Mondlicht“ eingegeben werden. Ein Algorithmus trägt daraufhin tausende passende Bilder aus dem Netz zusammen und berechnet aus diesen ein täuschend echtes neues Bild. Teilweise können sogar bestimmte Kunststile nachgebildet werden. Gibt man der KI beispielsweise den Befehl „Picasso“ oder „Monet“ erzeugt sie Kunstwerke, die denen der genannten Künstler:innen zum verwechseln ähneln. Diese Tools bieten ein enormes kreatives Potential. Gleichzeitig ergeben sich dadurch aber auch neue urheberrechtliche Fragen. Denn das Ausgangsmaterial, das die KI nutzt, musste von einem:r Fotograf:in fotografiert oder von einem:r Künstler:in gezeichnet werden. In ihre Arbeit stecken die Kreativen viel Zeit – für sie können frei verfügbare Bildgeneratoren deswegen das berufliche und finanzielle Aus bedeuten.

Füttert man deepai.org mit “Katzenkönig” bzw. “cat king” erhält man z.B. folgende Kunstwerke

Die bekannten Künstlerinnen Sarah Andersen, Kelly McKernan und Karla Ortiz möchten sich den „Missbrauch“ ihrer Werke durch KIs nicht länger gefallen lassen. Mit Hilfe des Anwalts und Designers Matthew Butterick haben sie deswegen Stability AI, das Start-up hinter dem populären Bild-Generator Stable Diffusion, verklagt (zum Volltext). Konkret werfen sie dem Unternehmen vor, dass es ihre Werke ohne ihr Einverständnis zum Training der KI genutzt hat. Sie verlangen Schadenersatz und Unterlassung.

Jedes Kunstwerk ist ein Remix

Rechtlich entscheidend dürfte dabei sein, inwiefern es sich bei den von der KI erzeugten Bildern um „neue“ Werke handelt. Und, ob man einen bloßen Kunststil rechtlich schützen kann.

Letzteres verneinte der Rechtsanwalt und Rechtswissenschaftler Till Kreutzer. Gegenüber Netzpolitik. KI-Systeme mit Werken aus dem Internet zu trainieren, sei rechtlich kein Problem. Künstler:innen hätten sich schon immer von anderen inspirieren lassen und aus ihren Eindrücken dann Neues geschaffen. So sei völlig unbestritten, dass sich der Schutz des geistigen Eigentums nie auf Kunststile erstreckt habe. Ansonsten hätte sich der erste Expressionist ein Monopol auf alle folgenden expressionistische Werke sichern können. Der KI-Befehl „zeichne eine Katze im Stil von Andy Warhol“ ist deswegen in Deutschland voraussichtlich unbedenklich.

§ 44b UrhG erlaubt sogar explizit das sog. „Data Mining“, also „die automatisierte Analyse“ von digitalen Werken, insbesondere um Muster zu erkennen und Trends abzuleiten. Die Justiziarin für die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, Anke Schierholz, sieht darin eine rechtliche Absicherung für das Training von Bildgeneratoren mittels vorhandener Kunst.

Ein Problem mit dem Urheberrecht entsteht also nur dann, wenn das KI-System ein urheberrechtlich geschütztes Bild aus dem Internet kopiert bzw. mehrere davon so zu einer Collage zusammenfügt, dass die ursprünglichen Bilder weiterhin deutlich erkennbar sind.

Größter Kunstraub der Geschichte

Bislang gibt es weder in Deutschland noch in den USA eine höchstrichterlichen Entscheidungen, ob derartige Bildgeneratoren gegen das Urheberrecht verstoßen. Dem will die Sammelklage in den USA jetzt abhelfen. Auf seinem Blog vergleicht der Anwalt Matthew Butterick das Vorgehen der KI-Generatoren mit dem größten Kunstraub der Geschichte. Denn die KI-Tools würden Millionen urheberrechtlich geschützter Werke „verarbeiten“:

Er schreibt: „Selbst wenn man von einem nominalen Schadenersatz von einem Dollar pro Bild ausgeht, würde sich der Wert dieser Unterschlagung auf etwa fünf Milliarden Dollar belaufen. (Zum Vergleich: Der größte Kunstraub aller Zeiten war der Diebstahl von 13 Kunstwerken aus dem Isabella Stewart Gardner Museum im Jahr 1990 mit einem geschätzten Wert von 500 Millionen Dollar).“

Fair-Use-Klausel des US-Urheberrechts

Doch im Gegensatz zu den Klägerinnen, gehen die Macher:innen der KI-Generatoren davon aus, dass ihr Verhalten rechtlich nicht zu beanstanden sei. Sie berufen sich dabei auf die sog. Fair-Use-Klausel. Eine Besonderheit des US-Urheberrechts, wonach eine „angemessene Verwendung“ urheberrechtlich geschützter Werke keinen Verstoß gegen die Rechte der Urheberrechtsinhaber darstellt. Auch das Training von KI-Algorithmen unterfiele dem Fair-Use.

Für die Frage, ob etwas eine faire Nutzung darstellt, gibt es eine Reihe von Kriterien. Als besonders entscheidend sieht Daniel Gervais, Professor an der Vanderbilt Law School, der auf das Recht des geistigen Eigentums spezialisiert ist, dabei folgende zwei Faktoren: Was ist der Zweck oder die Art der Nutzung und welche Auswirkungen hat sie auf den Markt? Mit anderen Worten: Verändern Bildgeneratoren das Wesen des Materials in irgendeiner Weise und bedroht das die Existenz der ursprünglichen Urheber:innen, indem das neue Werk mit den ursprünglichen Werken konkurriert?

Das bloße Trainieren der KI sei deswegen ähnlich wie im deutschen Recht eher unproblematisch. Fraglich sei aber, was mit dem Output passiert, den die KI-Bildgeneratoren erzeugen, also den neuen Werken. “Wenn Sie einer KI zehn Stephen-King-Romane geben und sagen: ‘Produziere einen Stephen-King-Roman’, dann stehen Sie in direktem Wettbewerb mit Stephen King. Wäre das eine faire Nutzung? Wahrscheinlich nicht”, erklärt Gervais gegenüber The Verge.

Eine KI als Künstler:in

Doch wie sieht die Rechtslage eigentlich umgekehrt aus? Kann ein KI-Tool Urheber:in eines Kunstwerks sein? Hier fällt die Antwort eindeutig aus. Das Urheberrecht ist ein personenbezogenes Schutzrecht. Es gilt nur für persönliche geistige Schöpfungen eines Menschen. Reine KI-Werke sind also nicht urheberrechtsfähig. Erstellt ein Bildgenerator also ein besonders hübsches, neues Katzenbild bestehen daran mangels Mitwirkung eines Menschen keine Urheberrechte. Auch in den USA besteht an Werken, die ausschließlich KI-generiert sind kein Urheberrecht.

The Verge schreibt zusammenfassend: “Die beängstigende Wahrheit über das KI-Urheberrecht ist, dass niemand weiß, was als nächstes passieren wird.”


Ganz ähnliche Probleme mit der Fair-Use-Klausel ergeben sich auch bei dem Musiker Weird Al Yankovic, der die Songs anderer Künstler:innen parodiert. Ist das legal? (JURios berichtet)

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