Jurastudium: Über die Nützlichkeit von Erstsemester-Tutorien und Arbeitsgemeinschaften

Die erste Woche im Jurastudium ist aufregend und spannend. Alles ist neu, in den meisten Fällen kennt man noch keinen, zieht in eine neue Stadt und muss sich plötzlich selbst organisieren. An vielen Universitäten werden Einführungswochen für die Erstis angeboten, um sich an der Uni, aber auch an dem Studienstandort selbst besser zurechtzufinden.

Außerdem gibt es auch Angebote, die dir das Lernen im Jurastudium und den Umgang mit dem Gutachtenstil bei der Fallbearbeitung näherbringen sollen.

Tipps fürs Jurastudium

Erstsemester-Tutorien

Die juristischen Fakultäten bieten meist sogenannte Erstsemester-Tutorien an. Wie diese genau ausfallen, ist jedoch von Fakultät zu Fakultät unterschiedlich. Einige bieten eine zusätzliche Einführungswoche nur für die Jurastudierenden an, die innerhalb der ersten Vorlesungswoche liegt. Andere führen regelmäßige Treffen in Kleingruppen durch, bei denen Probleme angebracht und Fragen an studentische Mitarbeiter:innen oder Professor:innen gestellt werden können.

Der Sinn von Erstsemester-Tutorien ist es aber, den Studierenden einen Überblick über das Studium und die Fakultät selbst zu geben. Meist werden 15-20 Personen, zwei oder drei Studierenden aus höheren Semestern zugeteilt, die sich dazu bereit erklärt haben, als Ansprechpartner:innen zur Verfügung zu stehen. Außerdem unterstützten auch Professor:innen als Mentor:innen die Gruppen.

Kontakte knüpfen

Erster wichtiger Vorteil der Tutorien ist, dass du sofort ab Beginn des Studiums mit neuen Leuten in Kontakt kommst und so schon erste Freundschaften geschlossen werden können. Vor allem für Personen, die zurückhaltender sind und Probleme haben, offen auf Andere zuzugehen, ist das Tutorium die optimale Gelegenheit, da meist die Betreuer:innen die Gespräche „moderieren“.

Darüber hinaus hast du nicht nur die Möglichkeit, mit Studierenden höherer Semester in Kontakt zu kommen, sondern auch mit einem:r oder mehreren Professor:innen. Diese haben oftmals noch zusätzliche Tipps für dich.

Nicht zu verachten, ist die Möglichkeit, dauerhafte Ansprechpartner:innen zu haben. Sollten bei dir während des ersten Semesters oder auch darüber hinaus Fragen oder Probleme auftreten, kannst du dich immer an die Tutor:innen und Mentor:innen halten und sie um Rat fragen. Sollten seine Betreuer:innen selbst keine Antwort wissen, können sie dir jedenfalls Anlaufstellen nennen, an die du dich mit deinem Problem wenden kannst.

Das Tutorium kann einem anfangs die Angst vor dem Unbekannten nehmen und der Schlüssel zu neuen Freundschaften sein.

Arbeitsgemeinschaft pro Rechtsgebiet

Neben den Tutorien werden (nicht nur) im ersten Semester auch Arbeitsgemeinschaften (AGen) angeboten. Im Gegensatz zu den Tutorien stehen dabei nicht die Studierenden bzw. die Universität an sich im Vordergrund, sondern das Fachliche. Entsprechend zu den angebotenen Vorlesungen im ersten Semester werden auch AGen angeboten. Der zeitliche Umfang eine AG im Zivilrecht (BGB AT), Strafrecht (StGB AT) und Öffentlichen Recht (Grundrechte oder Staatsrecht) beträgt meistens jeweils zwei Semesterwochenstunden.

Persönlich kann ich die Arbeitsgemeinschaften (auch als Kolloquien bezeichnet) nur allen Erstis wärmstens ans Herz legen. Meist besteht eine AG aus etwa 20-25 Studierenden. Die AGen selbst leiten häufig Doktorant:innen. Neben der theoretischen Wiederholung des Stoffes geht es hauptsächlich darum, wiederkehrende Rechtsprobleme anhand von Fällen zu erarbeiten und dabei auch den Gutachtenstil zu trainieren. Das ist wichtig, damit du auf die anstehenden ersten Klausuren gut vorbereitet bist.

Anwendung des abstrakten Wissens

Innerhalb der AG wird die Anwendung des abstrakten Wissens aus der Vorlesung auf den Fall behandelt. In der entsprechenden Vorlesung wird meist nur das abstrakte Wissen erläutert und „vorgekaut“. Ist man jedoch kein auditiver, sondern ein visueller oder haptischer Lerntyp, nimmt man aus Vorlesungen nicht sonderlich viel mit. Vielleicht kann man am nächsten Tag den Inhalt noch in Grundzügen wiedergegeben, auf lange Sicht wird von dem Wissen aber nicht viel vorhanden bleiben.

In den Semesterabschlussklausuren muss kein abstraktes Wissen wiedergegeben werden (so wie im Abitur), sondern es soll ein Fallgutachten geschrieben werden. Wie dieses anzufertigen ist und wie der Gutachtenstil angewendet werden muss, lernt man aber nur in den AGen.

An vielen Fakultäten wird in den AGen zumindest in den ersten beiden Semestern auch eine Probeklausur angeboten. Diese findet meist nach der ersten Hälfte des Semesters statt. Nutzt dieses Angebot! Du hast absolut nichts zu verlieren. Dir wird gezeigt, auf welchem Wissensstand du derzeit bist und wo es eventuell noch Nachholbedarf bis zur Semesterabschlussklausur gibt. Selbst wenn du in der Probeklausur durchfällst, ist das gar kein Problem. Aus Fehlern kann und soll man lernen. Die Note taucht auch in keinem Notenspiegel auf. Eine bessere Vorbereitung auf eine Klausur als durch eine Klausur kannst du nicht bekommen. In der Examensvorbereitung wird auch genau das praktiziert. Warum sollte man dann nicht schon im ersten Semester damit anfangen?

Ergänzung zu Vorlesungen

Oftmals können die AGen auch eine Art Ersatz für die Vorlesung darstellen. Jede:r Professor:in, der:die das liest, wird sich wohl die Haare raufen. Ich möchte damit auch nicht behaupten, dass Vorlesungen völlig nutzlos wären. Aber nicht jeder Studierende kommt mit jeder Vortragsweise der Professor:innen zurecht. Wenn man feststellt, dass man nach 1,5 Stunden genau so schlau wie vorher ist und absolut nichts verstanden hat, sollte man sich überlegen, ob man die Vorlesung wirklich weiterhin besuchen möchte. Diese 1,5 Stunden hätte man auch deutlich besser nutzen können, bspw. indem man ein Lehrbuch zum entsprechenden Thema durcharbeitet oder ein Fallbuch nutzt.

Grundsätzlich sollen und können AGen die Vorlesungen nicht ersetzen, sondern sollen sie nur ergänzen. Hat man für sich selbst aber entschieden, dass die Vorlesung nichts nützt, kann mit der AG viel Stoff wieder aufgeholt werden. Es besteht also vielmehr eine Art Ausweichmöglichkeit.

Geschützter Raum für Fragen

In den Vorlesungen sitzt man oft mit 200-300 oder noch mehr Studierenden in einem Hörsaal. Wenn man möglichst noch in der letzten Reihe sitzt, wird man sich kaum trauen, eine Frage zu stellen. Die Hemmschwelle ist hoch, da man anfangs oft denkt, dass die anderen Studierenden das bestimmt schon wissen oder viel schlauer als man selbst sind. Das dem nicht so ist, erfährt man aber im Laufe des Studiums. Um sinnvolle Fragen stellen zu können, muss man außerdem zunächst ein Grundverständnis entwickelt haben, da sonst gar keine Widersprüche entstehen können!

Hat man sich endlich durchgerungen, sich zu melden und eine Frage zu stellen, ist die Kommunikation mit der Lehrperson aus der letzten Reihe schon akkustisch schwierig. Hat man eine zarte Stimme, wird kaum jemand etwas verstehen können. Die AGen hingegen stellen aufgrund ihrer Kleingruppengröße einen geschützten Raum dar. Man kann ungehindert Fragen stellen, die vielleicht auch mal etwas komisch klingen. Wichtig ist nur, dass du hier auch tatsächlich fragst, wenn du etwas nicht verstehst. In einer Klausur und im weiteren Verlauf des Studiums werden bestimmte Dinge, wie z.B. der Gutachtenstil (!) vorausgesetzt. Scheu dich nicht zu fragen! Jede:r hat einmal klein angefangen und war sicher auch genauso verwirrt oder überfordert wie du jetzt. Und: Die anderen kochen auch nur mit Wasser!

Schulung der Rhetorik

Selbst wenn man keine Fragen hat, aber die Antwort auf eine Frage weiß, lohnt es sich immer, in den AGen mitzuarbeiten. Zum einen gewöhnt man sich daran, vor anderen Leuten zu sprechen. Zum anderen schult man auch seine Rhetorik und den Umgang mit der juristischen Fachsprache. In Jura ist es immer wichtig, sich spezifisch genau auszudrücken. Das lernt man aber nur, wenn man sich am juristischen Diskurs beteiligt. Außerdem prägen sich Dinge, die man laut ausgesprochen oder verbal wiederholt hat, häufig besser im Langzeitgedächtnis ein.

Nur Mut, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, aber Übung macht den Meister! Die AGen stellen die optimale Übungsmöglichkeit dar.

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Florentine Scheffel
Florentine Scheffel
Rechtsreferendarin in Thüringen.

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