Anwaltspostfach beA – Das erste Jahr

Bereits 2018 hat Jurios kritisch zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (nachfolgend beA) berichtet (Artikel vom 11.03.2018). Seinerzeit erfolgte eine Auseinandersetzung diesbezüglich vor allem aufgrund des flächendeckenden Ausrollens des beA. Seit dem 01.01.2018 besteht für Rechtsanwält:innen durch § 130a Abs. 1 ZPO, § 31a Abs. 6 BRAO eine passive Nutzungspflicht, wodurch diesen die Pflicht obliegt, die für die Nutzung des beA erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beA zur Kenntnis zu nehmen.

Seit dem 01.01.2022 besteht nunmehr auch eine aktive Nutzungspflicht für Rechtsanwält:innen, wodurch diese verpflichtet sind, vorbereitende Schriftsätze und die dazugehörigen Anlagen sowie Anträge und Erklärungen auf elektronische Weise an das Gericht zu übermitteln und ausschließlich elektronisch zu kommunizieren, § 130d ZPO. Im Juli 2022 haben Alexander Vogel und Kevin Frank das Thema beA im Rahmen der Digitalisierung der Justiz einmal angerissen (Artikel vom 20.07.2022). Nach dem mehrfach verschobenen Datum für die Nutzungspflicht ist es für die Anwaltschaft nunmehr seit dem 01.01.2022 verpflichtend, was die Frage aufwirft, welches Resümee derzeit gezogen werden kann.

Allgemeines zum beA

Das beA existiert schon seit dem 28.11.2016 und dient dem Empfang und Versenden von elektronischer Post von Gerichten, Anwält:innen und den Rechtsanwaltskammern. Um das beA nutzen zu können, bedarf es einer Zugangskarte, einer Signaturkarte und der zugehörigen PIN (§ 24 RAVPV), wobei der Zugang aufgrund der Anwaltszulassung erteilt wird. Im Grundsatz sind sowohl der Aufbau und die Handhabung des beA dem Kanzleiablauf in digitaler Form nachempfunden und eröffnet die Möglichkeit, Schriftsätze über den sicheren Übermittlungsweg zu versenden.

Der „sichere“ Übermittlungsweg ist entgegen dem Wortlaut nicht zwingend unter technischen Gesichtspunkten sicher, sondern dient lediglich der Identifikation und sogleich der Zuordnung des Versenders. Aufgrund des sicheren Übermittlungswegs ist es möglich, Schriftsätze auch ohne eine qualifizierte elektronische Signatur bei Gericht einzureichen. Die Veränderung des Versands von Schriftsätzen beschleunigt die Prozesse grundsätzlich, da diese ähnlich wie bei der Versendung einer E-Mail, kurze Zeit später im Postfach des Empfängers abrufbar sind.

Hinweis: “Wie sich Kanzleimarketing durch die Digitalisierung verändert” (Artikel vom 17.06.2022)

Digitalisierung ja, aber nur schrittweise

Im Zuge des Digitalisierungsansatzes der Bundesregierung wurde im Rahmen des ejustice und egouverment Projektes die schrittweise Digitalisierung der Justiz als Ziel definiert. Schritte hierfür sind, die Kommunikation in der Justiz vom Papier ins Digitale zu übertragen und durch tatsächliche und rechtliche Rahmenbedingungen den elektronischen Rechtsverkehr zu erleichtern sowie nutzerfreundlich zu machen. Darüber hinaus soll die Kommunikation sowohl zwischen den Beteiligten als auch innerhalb des Gerichts verbessert und beschleunigt werden (BT-Drs. 17/12634, S. 20, 22).

Die Übermittlung der Dokumente auf elektronischem Weg soll hierdurch sicher und rechtsverbindlich erfolgen und die vormals postalische Übermittlung inklusive ihrer Wartezeit entfällt. Dabei ist nicht nur die Anwaltschaft als einer der Akteure inkludiert, es geht vielmehr auch darum, dass daneben auch gerichtliche Abläufe digitalisiert werden sollen. Es ist vor diesem Hintergrund nur logisch, dass auch für Gerichte eine aktive Nutzungspflicht kodifiziert worden ist. Diese gilt jedoch nach derzeitigem Stand erst zum 01.01.2026. Im Zuge dessen ist darauf hinzuweisen, dass manche Gerichte technisch noch nicht umfassend ausgestattet sind, um die technischen Anforderungen des beA einhalten zu können und entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen getroffen werden müssen.

Beispielhaft kann das Landgericht Erfurt herangezogen werden, welches seit letztem Jahr vorübergehend für fünf Jahre in neue Räumlichkeiten umgezogen ist, da es vollständig saniert wird. Mitunter werden hierbei auch Stromleitungen erneuert sowie die Verkabelung für die Informations- und Kommunikationstechnik auf den neusten Stand gebracht, wie unter anderem die Süddeutsche Zeitung in einem Bericht vom 26.12.2019 berichtet hat Dies spricht dafür, dass das zu sanierende Gerichtsgebäude bislang nicht der technischen Ausstattung entspricht, die die Digitalisierung fordert.[1] Einige Gerichte versenden jedoch bereits vollumfänglich gerichtliche Schreiben über das beA und viele Gerichte, die bislang das beA zur Versendung noch nicht genutzt haben, ziehen nunmehr nach.

Neue Technik, neue Herausforderungen, neue Fragen

Die Vorstellung eines papierlosen Gerichts bzw. einer e-Akte mag charmant anmuten, birgt jedoch auch spezielle Risiken. Zu Beginn der Einführung gab es einige technische Probleme, weshalb das System vorübergehend offline genommen werden musste. Auch gab es Bedenken hinsichtlich der Datensicherheit, da es im Jahr 2018 zu einem Hackerangriff auf das System kam. Dies führte auch dazu, dass das Vertrauen der Benutzer:innen in die Sicherheit des Systems erschüttert wurde. Dabei sei an dieser Stelle nicht einmal „nur“ die Frage nach der entsprechenden digitalen Infrastruktur für die Datensicherung usw. aufgegriffen.

Es geht tatsächlich viel mehr auch um rein praktische prozessrechtliche Fragen. Unter anderem führt das beA zur Notwendigkeit der Änderung der gelebten Praxis im Rahmen des Prozessvergleichs.[2] Auch mutet es derzeit kurios an, dass zwar theoretisch eine digitale Akte bestehen könnte, eine Akteneinsicht jedoch nicht in digitaler Form erfolgen kann. Weitere organisatorische Herausforderungen und Veränderungen werden aufgrund der Masse derzeit noch für eine gesonderte Publikation bei der MDR aufgearbeitet.

(Zwischen-)Fazit

Zusammenfassend lässt sich zum momentanen Zeitpunkt festhalten, dass noch weiterhin große Unsicherheiten in der Nutzung des beA bestehen, wobei derzeit in vielen Bereichen immer noch eine Eingewöhnungsphase gegeben ist. Es bleibt abzuwarten, wann die, nicht ausbleibenden, ersten Entscheidungen zur Beseitigung der bestehenden Unklarheiten ergehen.


[1] Wer ist noch betroffen? Mglw. noch Behörden, für die gibt es aber auch das beBPO. Notare? Notare nutzen das beN, nicht das beA, funktioniert aber zum Teil gleich. Gibt es weitere Projekte? Höchstens noch der Online-Zugang für Bürger:innen, das wird dann aber wahrscheinlich weniger streng sein.

[2] Zur vollständigen Darstellung dieses Problems verweisen wir auf unseren Aufsatz in MDR 2023, Heft 5, 273-276.

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