„Mental health crisis“ unter US-amerikanischen Jurastudierenden

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Viele Jurastudierende klagen über Stress und Druck im Studium. Dass das kein typisch deutsches Phänomen ist, zeigt jetzt ein Artikel aus den USA. Unter dem Titel „Does Law School Have To Suck“ beschäftigt sich die Juraprofessorin Linda Sugin (Fordham School of Law) in einer dreiteiligen Artikelserie auf law.com mit der psychischen Gesundheit ihren Studierenden. Und zieht ein ernüchterndes Fazit.

Jurist:innen in den USA klagen vermehrt über psychische Probleme. Das beginnt bereits während des Jurastudiums und zieht sich bis in den Beruf. In einer kürzlich durchgeführten Umfrage gab die Hälfte der Jurastudierenden an, sich deprimiert zu fühlen und drei Viertel berichteten, dass das Jurastudium ihre Ängste verstärkt. Bei Frauen, nicht-binären Studierenden sowie afroamerikanischen Student:innen waren die Zahlen noch schlechter.

Das sind erschreckende Zahlen. Denn nach Angaben der Anxiety and Depression Association of America leiden nur knapp sieben Prozent der erwachsenen Bevölkerung an Depressionen, aber fast die Hälfte aller Anwält:innen erkrankt irgendwann im Laufe ihrer juristischen Laufbahn daran. Das ist laut Prof. Sugin nicht nur für die Betroffenen ein großes Problem, sondern auch für die Gesellschaft. Denn gerade Jurist:innen seien in Machtpositionen überrepräsentiert: in der Politik und in Führungspositionen. Amerika sei auf gesunde Jurist:innen angewiesen, wenn es darum geht, die Demokratie zu schützen und die Freiheit zu verteidigen. Psychisch erkrankte Jurist:innen könnten diese Rolle nur schlecht ausfüllen.

Juristische Ausbildung Wurzel allen Übels

Als Wurzel allen Übels macht Prof. Sugin das Jurastudium aus. Denn hier beginnen die meisten „mental health“ Probleme. Rund ein Drittel aller Anwält:innen hätten ein Alkoholproblem. Meistens beginne der Alkoholmissbrauch bereits im Jurastudium. So warnt die American Bar Association: „Während der juristischen Ausbildung steigt die Rate des Substanzkonsums und der psychischen Gesundheitsprobleme dramatisch an. Wenn diese Probleme nicht erkannt und behandelt werden, können sie sich auf die berufliche Laufbahn auswirken.“

Prof. Sugin ist bereits seit 25 Jahren Juraprofessorin. Als Dekanin einer juristischen Fakultät setzte sie sich unter anderem für die Verbesserung der Lehre ein. In dieser Zeit sind ihr viele Einzelschicksale bekanntgeworden. Sie fragt sich deswegen: „Muss das so sein?“ Und benennt als Grund für die mentalen Probleme ihrer Studierenden die institutionelle Struktur der Juristenausbildung.

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Hinzu käme, dass das Studium in seiner jetzigen Form für einen großen Teil der Studierendenschaft überhaupt nicht mehr zu schaffen sei. Beispielsweise für finanziell benachteiligte Studierende, die nebenher arbeiten müssten oder für Mütter kleiner Kinder.

Als Dekanin brachte Prof. Sugin deswegen selbst bereits einige Verbesserungen auf den Weg. Sie führte ein Peer-Mentorprogramm ein, förderte die Zusammenarbeit zwischen studentenorientierten Abteilungen, den Aufbau von Studentengemeinschaften und verbesserte durch Digitalisierung den Zugang zu Wissen. Außerdem führte sie Kurse für die Förderung der psychischen Gesundheit ein. Sie forderte ihre Studierenden explizit dazu auf, sich Zeit für die Natur zu nehmen, Sport zu treiben, genug zu schlafen und sich gesund zu ernähren. Das alles sei aber nur möglich, wenn die Strukturen des Jurastudiums es auch zulassen. Ihre eigene Vorlesung zum Steuerrecht beginnt Prof. Sugin mit einer kurzen Meditationseinheit.

Selbstfürsorge kein Heilmittel gegen institutionelle Brutalität

Dabei seien die Studierenden nicht die Ursache des Problems. Individuelle Stressreduzierungsmaßnahmen könnten deswegen nicht die Lösung sein. Selbstfürsorge sei gerade kein Heilmittel für “institutionelle Brutalität”, so Prof. Sugin. Das Leiden der Jurastudierenden sei in die Struktur der juristischen Ausbildung eingebaut, weil der Markt für junge Jurist:innen dies (noch) verlange. Die Anwaltschaft müsse aufhören, diese veralteten Normen aufrechtzuerhalten, die Angstzustände, Depressionen und den Drogenmissbrauch.

Ihr Fazit? Sowohl Juraprofessor:innen als auch die Anwaltschaft müssten die Traditionen der juristischen Ausbildung in Frage stellen, welche sie lange Zeit für selbstverständlich gehalten haben. Die juristische Ausbildung sei für eine weiße Elite konzipiert worden, die heute weder in der Studierendenschaft noch im Lehrkörper oder im Berufsstand vertreten sei. Die Versäumnisse in der juristischen Ausbildung bedrohe die Integrität des Berufsstandes und gefährden die Demokratie.


Fundstelle: https://www.law.com/

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