Jurastudium: Der Schwerpunktbereich Kriminalwissenschaften – Kriminologie, Jugendstrafrecht, Strafvollzug

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Bei den Schwerpunktbereichen im Jurastudium hat man sprichwörtlich die Qual der Wahl. An fast allen Juristischen Fakultäten werden mindestens fünf – manchmal sogar zehn – verschiedene universitäre Schwerpunkte angeboten. Im Folgenden soll der Schwerpunkt „Kriminalwissenschaften“ vorgestellt werden, den ich an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen belegt hatte. Dieser Schwerpunkt umfasst die Fächer Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug und wird an anderen Universitäten auch so – oder z.B. auch „Strafrechtspflege“ – genannt. Was erwartet Dich also im Schwerpunktbereich Kriminologie?

Tipps fürs Jurastudium

Worum geht es im Schwerpunkt Kriminalwissenschaften?

Im Schwerpunktbereich 7a) werden die Studierenden mit grundlegenden Fragen der Kriminologie und der Rechtsfolge einer Straftat vertraut gemacht. Die Kriminologie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft (Jura, Psychologie, Soziologie), die sich mit den Aspekten der Kriminalität, insbesondere ihren Erscheinungsformen, ihrer Entwicklung und ihren Ursachen beschäftigt. Es geht also darum, zu hinterfragen, wieso ein Mensch kriminell wird. Was wir als Gesellschaft dagegen tun können und wie wir beispielsweise auch Opfern von Straftaten helfen können (sog. Viktimologie). Zunächst muss man sich dafür aber mit den Erscheinungsformen der Kriminalität befassen. Wer (Männlein, Weiblein) macht sich wann (als Jugendlicher, Erwachsener oder z.B. Senior:in) wie (welches Delikt) strafbar. Welche Delikte sind besonders häufig (Spoiler: Diebstähle, Sachbeschädigungen, einfache Körperverletzungen, Verkehrsdelikte) und welche besonders selten (Spoiler: Mord).

Ergänzt wird der Schwerpunktbereich durch die Beschäftigung mit der „Rechtsfolge der Straftat“. Also die Frage, wie wir strafen und warum. In Deutschland haben wir ein zweispuriges System. Es gibt Strafen (Geldstrafe und Freiheitsstrafe sowie “Nebenstrafen”) und sog. „Maßregeln“ (z.B. die Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus).

Ein weiterer Bereich der „Kriminalwissenschaften“ ist – zumindest in Tübingen – das Jugendstrafrecht (geregelt im JGG). Wie sind straffällige Jugendliche und Heranwachsende zu behandeln? Welche jugendspezifischen Sanktionen stehen den Gerichten laut JGG zu Verfügung? (Spoiler: Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel, Jugendstrafe). Hier geht es vor allem darum, die Unterschiede zum Erwachsenenstrafrecht herauszuarbeiten. Denn im JGG gilt der Erziehungsgedanke. Es wird also verstärkt darauf Wert gelegt, die Jugendlichen bei einem straffreien Leben zu unterstützen, beispielsweise durch die Einbindung der Jugendgerichtshilfe.

Und schließlich geht es im Schwerpunkt „Kriminalwissenschaften“ auch noch um die Grundlagen des Strafvollzugs. Wie werden Geldstrafen vollstreckt, was ist eine Ersatzfreiheitsstrafe und vor allem: Wie sieht das Leben in Haft aus? Das ist im Strafvollzugsgesetz des Bundes (und in den jeweiligen Strafvollzugsgesetzen der Länder geregelt). Müssen Gefangene Anstraltskleidung tragen, dürfen sie Post und Besuch empfengen? Wer ist für das Essen im Gefängnis zuständig? Und welche Ordnungsmaßnahmen kann die JVA verhängen, wenn Gefangene nicht so “spuren” wie sie sollen? Und die wichtigste Frage: Ist der Freiheitsentzug als Strafe für gewaltfeie Delikte überhaupt nocht zeitgemäß? Gibt es nicht bessere (menschenwürdigere) Mittel und Wege als Gesellschaft mit Kriminalität und Strafen umzugehen?

Für wen ist der Schwerpunktbereich Kriminalwissenschaften geeignet?

Die positive Nachricht vorweg: Der Schwerpunktbereich eignet sich grundsätzlich für alle Studierenden. Von Vorteil ist, wenn man ein gesundes Interesse am Strafrecht mitbringt. Du solltest außerdem nicht abgeneigt sein, Dich mit Statistiken (beispielsweise der Polizeilichen Kriminalstatistik, PKS) zu beschäftigen. Außerdem solltest Du Interesse daran haben, „über den Tellerrand“ zu blicken. Denn in diesem Schwerpunktbereich geht es weniger darum, Gesetze und Normen anzuwenden, sondern mehr darum, zu hinterfragen, welche Auswirkungen unsere Regelungen in der Praxis auf die Menschen haben. Wer sich also sowieso schon für Psychologie und Soziologie interessiert, der wird diesen Schwerpunkt lieben!

In beruflicher Hinsicht eignet sich der Schwerpunktbereich leider nur für Menschen, die später tatsächlich einmal im Strafrecht arbeiten möchten. Denn als Staatsanwält:in oder Strafverteidiger:in ist es von großem Nutzen, auch die „Hintergründe“ unseres Strafrechts zu verstehen und zumindest einen Überblick über die Häufigkeit und die Ursachen von Kriminalität (Kriminologie) zu haben. Im Beruf wird man sich später außerdem verstärkt mit den Rechtsfolgen beschäftigen. Denn seien wir mal ehrlich: Das, was die Mandantschaft später einmal interessiert, ist nicht die Definition der „Wegnahme“, sondern die Frage „Muss ich in den Knast???“ Auch das Jugendstrafrecht wird einen später immer wieder begleiten.

Aber auch Studierende, die abseits der üblichen juristischen Berufe tätig sein wollen, können vom Schwerpunkt Kriminalwissenschaften profitieren. Beispielsweise in der Jugendarbeit, als Politiker:in, bei der Opferberatung oder als Journalist:in.

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Welche Vorlesungen und Prüfungen erwarten mich?

Im allen Schwerpunktbereichen musst Du Vorlesungen in einem Umfang von 16 Semesterwochenstunden belegen. Dich erwarten die gleichen Prüfungen wie in allen Schwerpunktbereichen. Die Universitätsprüfung im Schwerpunktbereich besteht in Tübingen aus einer studienbegleitenden Studienarbeit (6 Wochen, 60.000 Zeichen) oder wahlweise einer Aufsichtsarbeit (5 Stunden) und jeweils einer mündlichen Prüfung. Die Endnote setzt sich zu 60% aus der Studienarbeit oder Klausur und zu 40% aus der Note in der mündlichen Prüfung zusammen. Achtung: Die Prüfungsordnung wurde nach der Veröffentlichung dieses Artikels geändert, sodass inzwischen neue Regelungen gelten könnten. An anderen Universitäten als in Tübingen gibt es ebenfalls Abweichungen von dem hier Geschilderten. Informiere Dich also immer (!) auf der Website Deiner Fakultät.

Der Schwerpunktbereich Kriminologie wird an der Uni Tübingen von vielen Studierenden belegt. Das hat für Dich den Vorteil, dass Du Dich mit vielen Kommiliton:innen austauschen kannst. Es hat den Nachteil, dass keine „persönliche Atmosphäre“ aufkommt, sondern die Vorlesungen mit mehreren hundert Leuten stattfinden (aber das bist Du aus dem Studium ja sowieso gewohnt). Die Benotung im Schwerpunktbereich galt in den letzten Jahren als eher „streng“. Genaue Aussagen kann man darüber aber nicht treffen – vor allem der „Schwierigkeitsgrad“ ist ja auch immer eine eher subjektive Empfindung. Grundsätzlich helfen Dir in diesem Schwerpunktbereich stabile Kenntnisse im Strafrecht. Dir sollte aber auch klar sein, dass Du viel Neues lernen musst. Das dürfte aber in jedem Schwerpunktbereich so sein. Ein Pluspunkt: Der Schwerpunktbereich Strafrecht wird auch im Zweiten Examen angeboten. Du lernst also auf keinen Fall „umsonst“, sondern kannst das Wissen später nochmal anwenden.

Würde ich den Schwerpunkt Kriminalwissenschaften nochmal belegen?

Die klare Antwort lautet: ja! Natürlich! Dem Strafrecht bin ich bis heute treu geblieben. Und dabei interessieren mich vor allem die kriminologischen Aspekte. Ich glaube, dass man das Strafrecht nur verstehen kann, wenn man sich auch mit den Ursachen für Kriminalität beschäftigt hat. Ansonsten gerät man auch als Jurist:in schnell in die Falle, ohne Rücksicht auf wissenschaftliche Erkenntnisse härtere Strafen zu fordern. Ich persönlich würden den Schwerpunktbereich Kriminalwissenschaften deswegen immer wieder belegen. Er hat mich persönlich weitergebracht und mein Interesse an den behandelten Theman hält bis heute an.

Allerdings muss ich auch zugeben, dass mich der Schwerpunkt beruflich nicht weitergebracht hat. Die Beschäftigungsperspektiven sind hier deutlich begrenzter als z.B. im Zivilrecht. Und in Großanzleien und Unternehmen wird der Schwerpunktbereich eher mit einer gerümpften Nase quittiert. Wer also schon jetzt weiß, später auf keinen Fall im Strafrecht arbeiten zu wollen, sollte bereits an der Uni einen anderen Schwerpunktbereich wählen. Ansonsten: Go for it!

Vorstellung Schwerpunktbereich an der Universität zu Köln

An welchen Unis gibt es den Schwerpunkt Kriminalwissenschaften?

Den Schwerpunktbereich Kriminalwissenschaften gibt es an fast jeder Juristischen Fakultät. Es ist deswegen nicht nötig, die Uniwahl von diesem Schwerpunktbereich abhängig zu machen. An einigen Fakultäten wird der Schwerpunkt aber etwas anders genannt oder ist ein Bestandteil des Schwerpunktbereichs “Strafrecht/Strafrechtspflege”. Mit einem Klick auf die Links landest Du direkt auf den jeweiligen Seiten des Schwerpunktbereichs Kriminalwissenschaften an der jeweiligen Universität:

Universität Augsburg
Freie Universität Berlin
Humboldt-Universität Bielefeld
Ruhr-Universität Bochum
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a. M.
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Justus-Liebig-Universität Gießen
Georg-August-Universität Göttingen
Universität Greifswald
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Universität Hamburg
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Universität zu Köln
Universität Leipzig
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Ludwig-Maximilians-Universität München
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

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