Seit Jahrhunderten erinnern sich jährlich Milliarden Christen eine Woche lang daran, wann und warum der Sohn Gottes gestorben ist. Zum krönenden Abschluss folgt die Feier der Auferstehung von Jesus Christus – Ostern. Für viele ist es das wichtigste Fest des Jahres, schließlich stellt die Auferstehung Jesu am dritten Tag nach seiner Kreuzigung gewissermaßen eine theologische Bestätigung dar, die Macht des Todes gebrochen zu haben.
Mit dem Osterfest sind mannigfaltige Traditionen verbunden, sei es das Bemalen von Ostereiern oder das Backen von Ostergebäck. Oftmals verstecken sich dabei hinter dem christlichen Brauchtum heidnische Rituale und geradezu exemplarisch für diese Verschmelzung christlicher und heidnischer Bräuche ist das Osterfeuer. Bereits Germanen entfachten zum Frühlingsanfang ein Feuer zu Ehren des Donnergottes Thor, welches auch das Erwachen der Natur und den Beginn des Frühlings einläuten sollte. Diese Tradition wurde später vom Christentum aufgegriffen. Heute haben die Bräuche rund um das Osterfeuer verschiedene Formen.
Osterfeuer als Zankapfel im Laufe der Zeit
Seit Anbeginn der Tradition wurde über die Zulässigkeit von Osterfeuern gestritten. Schon Martin Luther, der das Osterfeuer als heidnisch und päpstlich empfand, versuchte, Verbote in den evangelischen Gebieten zu erwirken.
In der modernen Welt werfen vor allem Umweltschutzaspekte Probleme auf. Erstens erhöhen Osterfeuer die Waldbrandgefahr. Zweitens stellen sie laut einer NABU-Warnung eine akute Gefahr für Kleintiere dar, die sich nichtsahnend in die Reisigverstecke einquartierten. Drittens wird die Luftverschmutzung, v.a. im Hinblick auf den Rauch und den Feinstaub, kritisiert. Letzterer Aspekt führte in Österreich kürzlich zu regionalen Verboten des Osterfeuers. Auch in Deutschland befasste sich der Bundestag nach einer Petition mit dieser Frage. Nach einer wissenschaftlichen Untersuchung befand das Bundesumweltministerium jedoch, dass die Feinstaubbelastung nur wenige Tage andauere und ausreichend reglementiert sei.
Verbrennen pflanzlicher Abfälle verboten?
Angesichts der vielen aufgeworfenen Fragen ist die Zulässigkeit der Osterfeuer häufiges Objekt gerichtlicher Verfahren. Die Brauchtumspflege ist dabei mit abfall-, immissionsschutz-, und polizeirechtlichen Erwägungen abzuwägen.
Abfallrechtliche Regelungen beinhalten zumeist ein Verbot des Verbrennens pflanzlicher Abfälle. § 28 Abs. 1 KrWG geht von der Benutzungspflicht von Abfallbeseitigungsanlagen aus. Im Umkehrschluss impliziert dies, dass Feuer, die dem Zweck der Beseitigung pflanzlicher Abfälle dienen, grundsätzlich verboten sind.
Daher muss der Zweck des Osterfeuers eindeutig in der Brauchtumspflege liegen, um abfallrechtlich zulässig zu sein. Doch wann ist ein solches, sogenanntes Brauchtumsfeuer, anzunehmen? Die Rechtsprechung orientiert sich an bestimmten Indizien (z.B. VG Stade, Beschl. v. 14.04.2003, Az. 1 B 512/03; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 31.03.2004, Az. 8 L 665/04). Für die Annahme eines Brauchtumsfeuers sprechen demnach eine in der Gemeinde verankerte Tradition, die Ausrichtung durch in der Ortsgemeinschaft ansässige Glaubensgemeinschaften oder Vereine sowie die öffentliche Zugänglichkeit.
Brauchtumspflege genießt erhöhten Schutz
Besteht der Zweck des Feuers eindeutig in der Brauchtumspflege, so richtet sich seine Zulässigkeit nach den Immissionsschutzgesetzen von Bund und Ländern (z.B. VG Braunschweig, Urt. V. 30. 9. 2008, Az. 2 A 50/08, OVG Münster, Beschl. v. 7. 4. 2004, Az. 21 B 727/04). Das stellt die erforderliche Berücksichtigung nachbarschaftlicher Belange sicher. Demnach dürfen Nachbarn „nicht gefährdet oder erheblich belästigt“ werden (vgl. §§ 3, 5 I 1 Nr. 1, 22 I 1 Nr. 1 BImSchG oder § 7 Abs. 1 S.1 LImSchG NRW). Es ist insofern eine Abwägung des Interesses der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung mit dem Schutzbedürfnis der Nachbarschaft vorzunehmen. Nach dr BGH-Rechtsprechung (z.B. BGHZ 111, 63) gehören dabei örtliche Feiern wie auch Volks- und Gemeindefeste zu allgemein akzeptierten Formen gemeindlichen und städtischen Lebens. So stärken sie die örtliche Gemeinschaft und haben für viele Bewohner einen hohen Stellenwert. Beeinträchtigungen der Nachbarschaft sind daher in höherem Maße als sonst zu akzeptieren. Maßgeblich dafür ist die Akzeptanz eines Großteils der Ortsbevölkerung.
Auch polizeirechtliche Erwägungen können beim Verbot von Osterfeuern ausschlaggebend sein. So beschloss das VG Dresden (Beschl. v. 11.4.2022, Az. 6 L 258/22) im Jahre 2022 auf Grundlage der städtischen Polizeiordnung, dass eine erhöhte Anzahl von Feuerwehr-Fehlaalarmen ein solches Verbot begründen kann. Denn die Feuerwehr ist verpflichtet, bei ernstzunehmender Brandgefahr zum Ereignisort auszurücken. Käme es jedoch zu vielen Fehlalarmen, so stünde die Feuerwehr aber bei weiteren Alarmierungen nicht zu Verfügung. Das VG Dresden stützte seine Entscheidung auf eine Gefahrenprognose unter Berücksichtigung früherer Erfahrungswerte bei Brauchtumsfeuern in der Stadt. Diese ergab zum einen ein erhöhtes Fehlalarmrisiko. Zum anderen bestand wegen der an Ostern erhöhten Brandgefahr ein besonderes Bedürfnis, die Funktionsfähigkeit der Feuerwehr zu gewährleisten. Daher war das Verbot des Brauchtumsfeuers zulässig.
Vorsicht, Feuer! Achtung, heiß!
Neben ihrer Zulässigkeit beschäftigt die Gerichte auch das Gefahrenpotenzial, welches das Osterfeuer für Menschen und deren Rechtsgüter birgt. Als Schaffer einer Gefahrenquelle trifft den Veranstalter des Osterfeuers daher eine Verkehrssicherungspflicht. Ihre Reichweite soll anhand folgender Gerichtsentscheidungen exemplifiziert werden.
Im ersten Fall war ein angetrunkener Besucher des Osterfeuers in die Feuergrube gestürzt, wobei er erhebliche Brandverletzungen erlitt. Vor Gericht beklagte er fehlende Absicherung mangels Absperrung durch Flatterbänder. Das OLG Hamm (Urt. v. 21.11.1997, Az. 9 U 94/97). befand jedoch, dass die Gefahr für einen die normale Sorgfalt beachtenden Benutzer offen zutage lag. Ein zehn Meter breiter Glutteppich, der eine Hitze von mehreren hunderten Grad Celsius aussendete und mit einer so starken Leuchtkraft leuchtete, dass trotz Einbruch der Dunkelheit in einem Umkreis von 10-20 Metern alles deutlich erkennbar war, habe eine eigene optische und sensorische Warnfunktion. Zudem könne man damit rechnen, dass Besucher eines Osterfeuers in besonderer Weise für die damit verbundenen Gefahren sensibilisiert seien.
In einem weiteren Fall befasste sich das OLG Celle (Urt. v. 11.10.95, Az. 9 U 210 / 94). mit der Verkehrssicherungspflicht bei regnerischem Wetter. Die Gemeinde hatte der Veranstalterin des Osterfeuers aufgetragen, das Feuer abzulöschen und eine Brandwache aufzustellen. Die Veranstalterin hatte diese Auflagen mit Blick auf das regnerische Wetter missachtet. Unglücklicherweise rutschte jedoch ein Besucher in den Gluthaufen, wobei er starke Verbrennungen erlitt.
Im nachfolgenden Rechtsstreit stellte OLG Celle fest, dass Art und Umfang der Verkehrssicherungspflicht stark einzelfallabhängig sind. Ihr Sinn bestünde nicht darin, sämtliche Gefahren vorzubeugen, sondern eine allgemeine, unter Berücksichtigung der zeitlichen und örtlichen Verhältnisse, zu erwartende Sicherheit zu schaffen. Nach Auffassung des Senats war ein Ablöschen des Feuers bei derart nassem Wetter nicht geboten. Auch die Auflagen dienten dem konkreten Zweck, ein unkontrolliertes Ausbreiten des Feuers zu verhindern. Durch die gegebenen Witterungsverhältnisse war der Zweck jedoch entfallen.
Verkehrssicherungspflichten sind Einzelfallabwägung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Reichweite der Verkehrssicherungspflicht – wie sonst auch – einer Einzelfallabwägung bedarf. Mit steigenden Sicherheitsbedenken müssen mehr Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Der Veranstalter ist jedoch nicht verpflichtet, sämtliche Gefahren zu bannen, zumal das meiste mit einem zumutbaren wirtschaftlichen Aufwand gar nicht zu bewerkstelligen ist. Abhilfebedürftig sind demnach nur Gefahren, die für einen die normale Sorgfalt beachtenden Benutzer nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht einzustellen vermag.
Bei der Ausrichtung von Osterfeuern ist mithin primär zu beachten, dass die Feuer nicht der Grünschnittentsorgung dienen sollen. Das durfte auch ein rheinländischer Bauer 2004 am eigenen Leib erfahren, als er beantragte, eine 300 Meter lange Hecke im Rahmen des Osterfeuers verbrennen zu dürfen. Die Entscheidung wurde dem OVG Münster (Beschl. v. 7. 4. 2004, Az. 21 B 727/04).leicht gemacht, als der Bauer offen zugegeben hatte, bloß nach einer kostengünstigen Entsorgungsmöglichkeit zu suchen.
Sollten schließlich keine generellen Bedenken der Behörden hinsichtlich potenziell stark erhöhter Fehlalarm-, Waldbrand- oder Feinstaubrisiken bestehen, steht einem fröhlichen, gemeinschaftlichen Osterfest auch nichts entgegen. Natürlich nur, solange es ordnungsgemäß gesichert ist. Jedes Jahr zählt man tausende solcher zugelassenen Osterfeuer. Und jedes Jahr beginnt, noch vor dem Ablöschen dieser Feuer, aufs Neue das ewige Zanken um die Zulässigkeit des uralten heidnischen Rituals, dessen Rauchschwaden feierlich über das Land ziehen.
Bei diesem Artikel handelt es sich um einen der Beiträge, die im Rahmen unseres JURiosen Essay Wettbewerbs “Ostern” für April 2023 eingereicht wurden:
Platz 1: “Das Osterei unter der Rechtslupe” (Maximilian Schlereth)
Platz 2: “Zwischen Zulässigkeit und Glut des Osterfeuers – Von rechtlichen Problemen eines heidnischen Rituals” (Alexander Khorenko)
Platz 3: “Über das Verhältnis von Organspende zur Osterhoffnung” (Finja Naujoks) und “Kuriose Osterurteile: Von Hasen, Hühnern & anderen Osterfällen” (Yasmin Schnack)
Der Gewinner-Beitrag wurde außerdem in der April-Ausgabe der Zeitschrift JURA, 2023 (4), S. I-IV veröffentlicht.
JURios veranstaltete in regelmäßigen Abständen Essay-Wettbewerbe für Jurastudierende und Referendar:innen. Eine Übersicht über unsere vergangenen Essay-Wettbewerbe bekommst Du hier: JURiose Essay-Wettbewerbe