Das Osterei unter der Rechtslupe

Das Osterfest ist eines der bekanntesten und beliebtesten Feste der Deutschen. Traditionell feiern die Christen zu dieser Zeit das Fest der Auferstehung Jesu Christi. Auch wenn man heutzutage durchaus konsumkritisch auf eine Annäherung des Schenkverhaltens zu Ostern an jenes zu Weihnachten hinweisen kann, behalten die Deutschen zumindest die ostertypischen Bräuche betreffend das Osterei bei. Zu den am häufigsten gepflegten Osterbräuchen gehören insbesondere das Bemalen, Verstecken und Suchen von Ostereiern. Im Folgenden widmet sich dieser Beitrag der Untersuchung der soeben genannten Traditionen und wird versuchen, die juristische Schale des Ostereis zu knacken.

Zum Bemalen von Ostereiern

Der erste Brauch, das Bemalen von Ostereiern, ist so bekannt, dass er es sogar in den bundeseinheitlichen Einbürgerungstest geschafft hat. Dort wird gefragt: „Was ist in Deutschland ein Brauch an Ostern?“, die korrekte Antwort: „Eier bemalen“. Betrachtet man diese Tradition etwas genauer, so lässt sich deren Produkt, das bemalte Osterei, in zwei Elemente zerlegen: das Ei und die Bemalung.

Huhn oder Ei – was war zuerst da?

Wer sich abstrakter als durch deren Verzehr mit (Oster-)Eiern beschäftigen möchte, der kommt um eine berühmte Redensart nicht herum: Was kam zuerst – Henne oder Ei? Man mag auf den ersten Blick noch meinen, das Ergebnis dieser Frage könne ei(n)erlei sein. Jedoch stellt sie in ihrer Essenz ein klassisches Kausalitätsproblem dar, das sich nahtlos in eine juristische Fragestellung ummünzen lässt: Ist das Ei eine Frucht (§ 99 BGB) der Henne („Muttersache“, §§ 90, 90a S. 3 BGB) oder die Henne eine Frucht des Eis? Man könnte aus dieser Frage sozusagen ein „Muttersache-Frucht-Problem“ schöpfen.

Dem juristischen Betrachter fällt sofort auf, dass es bei dieser Fragestellung schlicht auf den relevanten Abschnitt auf der Zeitachse ankommt: In einer unendlich gedachten Generationenfolge ist lediglich relevant, welcher Zeitpunkt den Ursprung der Betrachtung bildet. Wenn wir also von einem Ei in Generation X ausgehen, dann ist dieses Ei zumindest seit seiner Trennung von dem Muttertier eine sonderrechtsfähige eigenständige Sache i.S.v. § 90 BGB und im Übrigen auch kein Tier (BeckOGK BGB/Mössner, 2021, § 90a Rn. 9).

Entspringt aus diesem Ei nun eine Henne, so ist diese zwar durch die vollständige Zerstörung des Eis kein Erzeugnis (§ 99 Abs. 1 Alt. 1 BGB), jedenfalls aber dessen bestimmungsgemäße Ausbeute gem. §§ 90a S. 3, 99 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Legt diese Henne wiederum ein Ei, ist dieses deren Erzeugnis nach § 99 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Eigentümer des Eis und diesem folgenden unmittelbaren Sachfrüchten ist daher gem. § 953 Alt. 1 BGB der Eigentümer des domestizierten Huhns in Generation X-1. Bei einem herrenlosen Ei ist niemand Eigentümer (arg. ex § 958 Abs. 1 BGB); an dieser Eigentumslage ändert sich auch nichts, wenn dem Ei ein Huhn entspringt, solange dieses weiterhin in Freiheit lebt, § 960 Abs. 1 S. 1 BGB.

Diese Muttersache-Frucht-Kette endet zumindest dann, wenn wir bei dem relevanten Speiseei angekommen sind – dieses in aller Regel unbefruchtete, aber jedenfalls unausgebrütete, Ei stellt sozusagen das Zwischenergebnis unserer Betrachtung dar.

Verbinden, Verarbeiten, Verspeisen?

Zu klären ist nun, was auf sachenrechtlicher Ebene mit einem solchen Speiseei passiert, wenn es bemalt wird. In Betracht kommen Verbindung (§ 947 BGB) und Verarbeitung (§ 950 BGB). Zwar könnte man meinen, das Auftragen der Farbe auf das hartgekochte Ei würde lediglich dazu führen, dass die Farbe wesentlicher Bestandteil des Eis (§ 93 BGB) würde und sich daher die Eigentumsverhältnisse nach § 947 BGB richteten. Nimmt man dies an, so wird bei Auseinanderfallen des Eigentums von Farbe und Ei regelmäßig der Eigentümer des Eis gem. § 947 Abs. 2 BGB Alleineigentum an der Verbindung erlangen – schließlich wird in aller Regel das Ei nach der Verkehrsauffassung als Hauptsache angesehen werden.

Jedoch stellt § 950 Abs. 1 S. 2 Var. 3 BGB klar, dass auch das Bemalen der Oberfläche eine Verarbeitung i.S.v. § 950 BGB darstellen kann. Geht man hierauf ein, so wird man feststellen, dass ein bemaltes (Oster-)Ei gegenüber einem unbemalten Speiseei nach der Verkehrsanschauung durchaus eine neue Sache darstellt, die durch den Realakt des Bemalens hergestellt wurde. Wenn nun zusätzlich der Wert der Verarbeitung nicht erheblich geringer als der Stoffwert ist, dann erwirbt der Bemalende (Hersteller) gem. § 950 Abs. 1 S. 1 BGB Alleineigentum an der neuen Sache.

Gehen wir davon aus, dass X ein Ei (Wert: 10 ct) an Y gibt und dieser das Ei bemalt. Nach dem Bemalen ist das (nun Oster-)Ei 16 ct wert. Das Verhältnis des Stoffwertes zu dem Verarbeitungswert entspricht damit einem Verhältnis von 100:60, was dem Werterfordernis des § 950 BGB genügt (BGH NJW 1995, 2633). Würde man nun von einer Verbindung ausgehen, dann wäre im konkreten Beispiel X Eigentümer des Ostereis (§ 947 Abs. 2 BGB); nimmt man eine Verarbeitung an, so ist Y als Hersteller gem. § 950 Abs. 1 S. 1 BGB Eigentümer geworden.

An diesem Beispiel wird deutlich, dass sich die §§ 947, 950 BGB in ihrem Anwendungsbereich überschneiden und daher konkurrieren (MüKoBGB/Füller, 2023, § 947 Rn. 3). Überzeugend ist allein, § 950 BGB als lex specialis zu § 947 BGB zu behandeln, da die Verarbeitung an strengere Voraussetzungen als die Verbindung anknüpft (MüKoBGB/Füller, 2023, § 950 Rn. 33). In dem obigen Beispiel ist daher Y Eigentümer des Ostereis geworden.

Die Ostereiersuche – eine juristische KinderEI?

Da wir nun die Ebene der Entstehung des Ostereis überschritten haben, können wir uns der Frage widmen, wie der Brauch des Versteckens und anschließenden Suchens der Ostereier juristisch bewertet werden kann. Dass die Aufbewahrung von Ostereiern im rechtlichen Kontext relevant werden kann, beweist ein Urteil des AG Dortmund (Urt. v. 24.07.2012, Az. 425 C 4188/12), in dem es darum ging, dass die Klägerin über ein Osternest ihrer Nachbarn stolperte und sich am Knöchel verletzte.

Gehen wir also davon aus, dass Y nun sein Osterei auf einer Wiese versteckt und seine siebenjährige Tochter Z auffordert, das Ei zu finden. Zu klären ist nun, ob und wie Z Eigentum an dem Osterei erlangen kann.

Richtet man zuerst sein Augenmerk auf den bereits angesprochenen § 956 Abs. 1 BGB, der den Eigentumserwerb an beweglichen herrenlosen Sachen normiert, dann müsste Y mit dem Verstecken des Ostereis konkludent zum Ausdruck gebracht haben, dass er sein Eigentum aufgeben wolle. Zudem müsste Y seinen Besitz aufgegeben haben. Es wäre jedoch widersinnig, anzunehmen, Y wolle zum Ausdruck bringen, sein Eigentum und seinen Besitz aufzugeben – schließlich ist es in seinem Interesse, von einem Dritten, der das Osterei vor Z findet, die Herausgabe verlangen zu können. Damit scheidet § 956 BGB aus.

Ein Osterei als Schatz oder Fundsache?

Orientiert man sich an den semantisch passenderen Vorschriften des Fundes (§§ 965 ff. BGB), so kommen weitere Erwerbstatbestände in Betracht: Z könnte mit dem Osterei einen „Schatz“ finden und so gem. § 984 BGB hälftig Eigentum erwerben. Jedoch ist das Osterei gerade nicht so lange verborgen, dass der Eigentümer, also Y, nicht mehr zu ermitteln wäre. Damit liegt bereits nach der Legaldefinition des § 984 BGB kein „Schatz“ vor. Darüber hinaus scheidet auch ein beabsichtigter Eigentumserwerb der Z gem. § 973 Abs. 1 BGB über die Vorschriften des Fundes bereits a priori aus: Weder würde Z unmittelbar Eigentum an dem Osterei erwerben noch passt das Sonderrechtsverhältnis, das durch die Vorschiften des Fundes geschaffen wird, auf die offensichtlich beabsichtigte Rechtsfolge.

Eine ÜberEIgnung?

Das ist der springende Punkt: Y möchte Z Eigentum an dem Osterei verschaffen. Dies ist nach den §§ 929 ff. BGB auch grundsätzlich durch Übereignung des Ostereis unproblematisch möglich. Besonders ist hier nur, dass Y den Gegenstand nicht einfach aushändigt, sondern versteckt und Z nicht weiß, wo sich das versteckte Osterei befindet.

Nimmt man die Tatbestandsvoraussetzungen des zentralen § 929 BGB in Augenschein, so wird man als erstes in Bezug auf die dingliche Einigung noch annehmen dürfen, dass in dem Losschicken zur Ostereisuche durch Y ein konkludentes Übereignungsangebot an Z zu sehen ist. Hierbei ist es unschädlich, dass Z sich keine konkrete Vorstellung von dem Osterei macht, da es als Übereignungsgegenstand zumindest bestimmbar ist und so auch das sachenrechtliche Bestimmtheitsgebot erfüllt wird. Das Angebot geht der Z verbal direkt zu und wird von dieser alternativ direkt mit dem Beginnen der Suche oder jedenfalls der späteren Inbesitznahme konkludent und gem. § 107 Alt. 1 BGB wirksam angenommen. Selbst wenn man von der späteren Annahme ausginge und Y bei dem Fund des Ostereis nicht anwesend ist, so ist jedenfalls der Zugang dieser konkludenten Annahme gem. § 151 S. 1 Alt. 1 BGB entbehrlich.

Als letzter problematischer Punkt muss der Zeitpunkt der gem. § 929 S. 1 BGB erforderlichen Übergabe ermittelt werden. Zwar wird man wohl noch keine Übergabe durch schlichte Einigung gem. § 854 Abs. 2 BGB und damit eine sog. „Übereignung kurzer Hand“ gem. § 929 S. 2 BGB annehmen können, da Z mangels Kenntnis des Verstecks noch keine realisierbare Einwirkungsmöglichkeit auf das Osterei hat. Zumindest wird aber mit der Inbesitznahme durch Z bei Auffinden des Eis der Tatbestand der Übergabe erfüllt, da hierdurch Y seinen unmittelbaren (gelockerten) Besitz verliert, Z unmittelbaren Eigenbesitz (§ 854 Abs. 1 BGB) begründet und dies auf Veranlassung des Y durch das Losschicken geschieht.

Das Gelbe vom Ei

Abschließend können die zwar spannenden, aber praktisch wohl kaum relevanten, vorangestellten Fragen im Ergebnis dahinstehen. Denn, wie auch immer man es dreht und wendet, das Osterei bleibt Osterei.

Juristische Ostern: 6 Urteile über schreckhafte Hühner, bunte Ostereier und die Arbeit des Osterhasen


Bei diesem Artikel handelt es sich um einen der Beiträge, die im Rahmen unseres JURiosen Essay Wettbewerbs “Ostern” für April 2023 eingereicht wurden:

Platz 1: “Das Osterei unter der Rechtslupe” (Maximilian Schlereth)
Platz 2: “Zwischen Zulässigkeit und Glut des Osterfeuers – Von rechtlichen Problemen eines heidnischen Rituals” (Alexander Khorenko)
Platz 3: “Über das Verhältnis von Organspende zur Osterhoffnung” (Finja Naujoks) und “Kuriose Osterurteile: Von Hasen, Hühnern & anderen Osterfällen” (Yasmin Schnack)

Der Gewinner-Beitrag wurde außerdem in der April-Ausgabe der Zeitschrift JURA, 2023 (4), S. I-IV veröffentlicht.

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