Über das Verhältnis von Organspende zur Osterhoffnung

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Blicken wir zwischen bunten Eiern und Schokohasen einige Jahrhunderte zurück in die Vergangenheit, so merken wir, dass sich die Gesellschaft seitdem enorm verändert hat. Eine bedeutende Errungenschaft im deutschen Recht ist das Recht auf eine freie Selbstbestimmung. Insbesondere davon umfasst ist das Recht, über seinen eigenen Körper frei bestimmen zu können. Neben diesem Recht steht bei den Christen der Glaube an die Auferstehung nach dem Tod. In diesem Zusammenhang interessant ist, inwieweit das irdische Selbstbestimmungsrecht, der christliche Glaube und die damit einhergehenden Wertvorstellungen im Hinblick auf das Thema der Organspende zueinander stehen.

Rechtslage hinsichtlich der Organspende

Mit dem in der deutschen Verfassung verbürgten Recht des:der Einzelnen auf persönliche Freiheit in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG sowie Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geht einher, dass eine Organspende Ausdruck des freien Willens des:der Spendenden bzw. der Angehörigen und nahestehenden Personen sein muss bei nicht dezidierter Äußerung des:der Verstorbenen zur Organspende. Die Umsetzung dieser Organspendefreiheit kann mit verschiedenen Modellen erfolgen und ist in der EU nicht einheitlich geregelt.

1. Widerspruchslösung (‘opt-out’ system)

Die enge Widerspruchslösung zeichnet sich dadurch aus, dass Organe grundsätzlich zum Zwecke der Transplantation entnommen werden dürfen (Tag in: MüKo StGB, 2022, § 4 TPG Rn. 3). Lediglich bei einem ausdrücklich aktiv erklärten Widerspruch des:der Verstorbenen zu Lebzeiten bzw. im Rahmen der erweiterten Widerspruchslösung stellvertretendem postmortalem Widerspruch der Angehörigen darf keine Organentnahme erfolgen. Eine weitere Variante stellt die doppelte Widerspruchslösung da, wonach bei fehlendem Vorliegen eines Widerspruchs zur Organentnahme auch kein diesbezüglicher entgegenstehender Wille erkennbar sein darf.

In folgenden Ländern gilt die Widerspruchslösung: Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Kroatien, Lettland, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, Wales

2. (erweiterte) Zustimmungslösung (‘opt-in’ system)

Gilt die Zustimmungslösung, so darf eine Organentnahme nur unter der Voraussetzung der durch die verstorbene Person zu Lebzeiten ausdrücklich erklärten Zustimmung erfolgen. Der Zusatz “erweitert” ist dann anzuführen, wenn den nächsten Angehörigen oder Bevollmächtigten das Recht zusteht, im Falle einer fehlenden Entscheidungsdokumentation im Sinne der:des Verstorbenen über eine Organspende bestimmen zu können.

In folgenden Ländern gilt die erweiterte Zustimmungslösung: Dänemark, Irland, Island, Litauen, Rumänien, Schweden, Schweiz, Zypern

3. Entscheidungslösung (‘opt-in’ system)

In Deutschland enthält das Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz – TPG) vom 1. Dezember 1997 die wichtigsten Regularien im Hinblick auf die Organspende. Seitdem wurde es stetig überarbeitet und erweitert.

1997: Einführung des Transplantationsgesetz;
2007: Erweiterung durch das Gewebegesetz;
2012: Gesetz zur Regelung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz;
2019: Zweites Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes;
2022: Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende.

Im Jahr 2012 wurde die bis dahin geltende erweiterte Zustimmungslösung von der Entscheidungslösung abgelöst (Gesetz zur Regelung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz v. 12.7.2012, BGBl. I 1504).

Gegenstand der Entscheidungslösung ist neben der eigenen und insbesondere selbstbestimmten Entscheidung für oder gegen die Organspende (§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 TPG) durch Dokumentation in einem Organspendeausweis (§ 2 Abs. 1 TPG) auch der Auftrag der Krankenkassen, ihre Versicherten ab einem Alter von 16 Jahren regelmäßig neutral über die Organspende zu informieren (§ 1 Abs. 1 S. 3 i. V. m. § 2 TPG). In dem gesetzlich normierten Erfordernis zur regelmäßigen Information liegt der entscheidende Unterschied zur erweiterten Zustimmungslösung. Erfolgte keine lebzeitige Willensdokumentation, hat der:die nächste Angehörige (§ 1a Abs. 5 TPG) posthum die Möglichkeit, einer Organspende zuzustimmen (§ 4 TPG). Entscheidendes Kriterium für die Zulässigkeit einer Organtransplantation ist neben der erteilten Zustimmung die zweifelsfreie Feststellung des Todes (§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TPG). Nachgewiesen wird dieser über den „unumkehrbare[n] Ausfall der gesamten Hirnfunktionen (Hirntod)“. In diesem Stadium ist eine Rückkehr ins Leben auch durch ärztliche Kunst nicht mehr möglich.

In folgendem Land gilt die Entscheidungslösung: Deutschland

Christliches Verständnis von der Auferstehung

Um Antwort auf die aufgeworfene Frage zu finden, bedarf es neben der rechtlichen Betrachtung auch einer Auseinandersetzung mit dem christlichen Verständnis von der Auferstehung.

Würde man die Auferstehung als reine Lebenswiedererlangung der hüllenlosen Seele qualifizieren, entstünde kein Konflikt mit der Organspende. Dem zurückbleibenden leblosen Körper als bloße irdische Hülle könnten unter bestimmten Voraussetzungen Organe entnommen werden, ohne dass dies der Erlangung des ewigen Lebens ein Hindernis bereiten würde. Setzte man hierfür jedoch die Unversehrtheit des Körpers voraus, so entstünde eine unüberwindbare Diskrepanz. Die Bibel selbst enthält indes keinen eindeutigen Hinweis darauf, ob Körper und Seele nach dem Tod grundsätzlich voneinander getrennt werden oder als Einheit verbleiben.

Die katholische wie auch die evangelische Kirche erklären im Einvernehmen, dass der menschliche Körper als Geschenk Gottes zu betrachten sei. Als solches sei mit ihm auch über den Tod hinaus achtungsvoll umzugehen. Ein solcher Umgang sei auch dann noch gegeben, wenn ihm Organe aus Nächstenliebe und Solidarität entnommen würden. Diese Betrachtungsweise deckt sich mit der Annahme beider Kirchen, die Auferstehung nicht als rein körperlichen Vorgang zu klassifizieren. Vielmehr sehen sie in ihr die Hoffnung auf gottgegebene Verwandlung aus dem Tod heraus.

Aus christlicher Sicht führt dies zu einem Verständnis dahingehend, dass sich irdischer Körper und unsterbliche Seele nach dem Tod voneinander lösen. Demzufolge hängt die Erwartung an die Auferstehung der Toten und der Durchführung in das Stadium des ewigen Lebens nicht an der Unversehrtheit des Leichnams selbst. Das christliche Verständnis von der Auferstehung lässt die Spende von Organen als Akt der von Gott gewollten Nächstenliebe somit grundsätzlich zu. Allerdings bedarf es gemäß der gemeinsamen Erklärung der Kirchen des kumulativen Vorliegens der nachfolgenden Voraussetzungen, um sich im Einklang mit dem christlichen Glauben zu bewegen:

  • „Die Möglichkeit einer Organentnahme darf die Bemühungen um das Leben des Spenders und seine Behandlung nicht behindern oder einschränken.“
  • „Der Tod des Spenders muß vor der Explantation zweifelsfrei feststehen.“ Hierbei wird der Hirntod als ausschlaggebendes Kriterium von den christlichen Kirchen anerkannt.
  • „Die rechtliche Voraussetzung der Explantation muß erfüllt sein.“ Dieses Erfordernis bindet die Regelungen des TPG mit ein. Zentrales Kriterium für die Kirchen ist hierbei insbesondere die Freiwilligkeit der Spende.
  • „Der Eingriff muß die Würde des Verstorbenen achten und darf die Empfindungen von Angehörigen nicht leichtfertig verletzen.“ Damit einher geht der pietätvolle Umgang mit dem Leichnam. Er darf nicht als Ersatzteillager angesehen und zum Objekt der Selbstverstümmelung herabgewürdigt werden.
  • „Die Organe müssen nach sachlich und ethisch vertretbaren Regeln verteilt werden.“

Vergleichende Betrachtung

Im Lichte der oben aufgeführten Modelle betrachtet, lässt sich infolgedessen feststellen, dass das christliche Auferstehungsverständnis und die sich daraus ergebenden Anforderungen mit der Widerspruchslösung unvereinbar sind. Anhand ihrer Wirkungsweise würde ein Schweigen als Zustimmung fingiert werden. Folgerichtig wäre dann die Organspende nicht mehr als freiwillige und bewusste Entscheidung anzusehen. Dies gilt ebenso für die doppelte Widerspruchslösung. Zudem wird den Angehörigen bei diesem Modell ihr Entscheidungsrecht genommen und damit entgegen den kirchlichen Vorgaben ihre Rolle im Sterbeprozess geschwächt.

Vereinbar mit den von der EKD und DBK genannten Anforderungen an die Organspende ist indes die (erweiterte) Zustimmungs- sowie Entscheidungslösung. Dem Faktor der Freiwilligkeit wird hier genügend Ausdruck verliehen. Mit der Einbeziehung der Angehörigen in die Entscheidungsfindung werden zugleich deren Empfindungen hinreichend berücksichtigt. Ergo bewegt sich das deutsche Recht mit der gewählten Entscheidungslösung im Einklang mit den christlichen Wertvorstellungen. Anknüpfungspunkte zu den von den Kirchen herausgearbeiteten Voraussetzungen zeigen sich unter anderem in den §§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 4 TPG sowie § 6 Abs. 1, Abs. 2 TPG. Dort kommen Aspekte der Freiwilligkeit, Rechte der Angehörigen sowie die Achtung der Spender:innenwürde zum Ausdruck.

Fazit

Christlicher Glaube und Durchführung von Organentnahmen stehen sich nicht zwangsweise in einem Konkurrenzverhältnis gegenüber. Unter gewissen rechtlichen wie auch religiösen Voraussetzungen kann die Organspende gerade als Ausdruck des gelebten Glaubens verstanden werden.

Unabhängig vom eigenen Glauben richten sich die Regelungen zur Organspende nach dem Aufenthaltsort der verstorbenen Person; nicht nach deren Staatsbürgerschaft. Es erscheint daher ratsam, für den Fall eines Todes im Ausland einen Organspendeausweis (möglichst in der Landessprache) bei sich zu führen.

Ein Organspendeausweis in 29 Sprachen ist als PDF-Datei abrufbar unter: https://www.bzga.de/was-wir-tun/organ-und-gewebespende/.


Weiterführende Literatur:


Bei diesem Artikel handelt es sich um einen der Beiträge, die im Rahmen unseres JURiosen Essay Wettbewerbs “Ostern” für April 2023 eingereicht wurden:

Platz 1: “Das Osterei unter der Rechtslupe” (Maximilian Schlereth)
Platz 2: “Zwischen Zulässigkeit und Glut des Osterfeuers – Von rechtlichen Problemen eines heidnischen Rituals” (Alexander Khorenko)
Platz 3: “Über das Verhältnis von Organspende zur Osterhoffnung” (Finja Naujoks) und “Kuriose Osterurteile: Von Hasen, Hühnern & anderen Osterfällen” (Yasmin Schnack)

Der Gewinner-Beitrag wurde außerdem in der April-Ausgabe der Zeitschrift JURA, 2023 (4), S. I-IV veröffentlicht.

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