Geplante Änderung der JAPO in Rheinland-Pfalz: Ein zweischneidiges Schwert

In Rheinland-Pfalz ist ein Neuerlass der Juristischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung (JAPO) beabsichtigt. Während manche der geplanten Neuerungen – wie die Einführung einer verdeckten Zweitkorrektur und die Senkung der Hürde zur Zulassung zur mündlichen Prüfung – begrüßenswert sind, bereitet die Verpflichtung, mit unmarkierten Gesetzen anzutreten, den betroffenen Studierenden und Referendar:innen Sorge.

In § 6 Abs. 2 S. 3 des Verordnungsentwurfes (Stand 24.03.2023) heißt es: „Unterstreichungen oder sonstige Hervorhebungen und Anmerkungen aller Art in den zugelassenen Gesetzessammlungen und Hilfsmitteln sind unzulässig.“ Eine Übergangsfrist ist nicht vorgesehen, die neue JAPO soll schon am 01. August 2023 in Kraft treten. Somit müssten bereits die Prüflinge der nächsten Kampagne des ersten Staatsexamens im August die Prüfungen mit einem unmarkierten Gesetz antreten.

Einfache Unterstreichungen und farbige Markierungen verboten

Problematisch sind hierbei aus Sicht der Betroffenen vor allem zwei Dinge: Erstens haben sich Studierende und Referendar:innen in Rheinland-Pfalz die Arbeit mit markierten Gesetzestexten über das gesamte Studium angewöhnt. Für einige Examenskandidat:innen muss die Umstellung nun innerhalb weniger Monate erfolgen. Zweitens können markierte Gesetzestexte im Examen nicht mehr verwendet werden. Diejenigen, die in ihren Gesetzestexten also bereits Unterstreichungen und Markierungen vorgenommen – bzw. viel Geld in Ergänzungslieferungen gesteckt haben, um den “Markieraufwand” möglichst gering zu halten – müssen sich nun also neue Gesetzessammlungen anschaffen. Eine zusätzliche finanzielle Belastung für alle Studierenden und Referendar:innen, die in Rheinland-Pfalz in der Examensvorbereitung stecken.

Bisher wurden “einfache Unterstreichungen oder ähnliche Hervorhebungen (z.B. farbige Markierungen) in den zugelassenen Gesetzessammlungen und Hilfsmitteln” sowohl im ersten als auch im zweiten Staatsexamen durch das Justizprüfungsamt nicht beanstandet. Randnotizen aller Art sowie Registerfahnen mit Paragraphen-Beschriftungen waren jedoch auch in der Vergangenheit nicht zulässig.

In der Änderungsverordnung wird die Entscheidung, die sowohl das erste als auch das zweite Staatsexamen betrifft, damit begründet, dass so immer wieder auftretende Nachfragen zu zulässigen Markierungen vermieden werden sollen. “Die in den Hilfsmitteln zugelassenen Markierungen, Unterstreichungen und ähnlichen Hervorhebungen werden nun in der Verordnung selbst für unzulässig erklärt, um die in jeder Kampagne auftretenden Nachfragen zu einzelnen Markierungsarten abzuschaffen und gleichzeitig auf die langfristige Einführung elektronischer Hilfsmittel – die keine Markierungen enthalten werden – vorzubereiten.”

Die Aufsichtsarbeiten können ab der Herbstkampagne 2023 sowohl in Mainz als auch in Trier elektronisch angefertigt werden. Dies gilt auch für Prüflinge, die zur Wiederholung oder Notenverbesserung antreten. Im zweiten Staatsexamen ist dies bereits seit Oktober 2021 möglich.

Mangelnde Transparenz und Beteiligung

Eine weitere Problematik der geplanten Regelung besteht darin, dass die Interessen der Betroffenen bei derartigen Änderungen kaum Gehör finden. Schon am 04. Mai soll die Änderung der JAPO im Rechtsausschuss der Landesregierung Rheinland-Pfalz diskutiert werden. Bis auf die Unterschrift des Justizministers sind keine weiteren Schritte bis zum Inkrafttreten der Verordnung vonnöten. Eine Gruppe von Referendar:innen bemängelt daher, dass sie als Betroffene erst nach Feststehen der geplanten Änderungen von dritter Seite von diesen erfahren hätten. Eine Arbeitsgemeinschaft fordert in einem Brief an den Justizminister, der JURios vorliegt, die Streichung der Änderung in § 6 Abs. 2 S. 3 JAPO.

Seitens der Fachschaftsräte Rechtswissenschaften der Universitäten Trier und Mainz ist zeitnah eine Stellungnahme geplant. Der Fachschaftsrat Rechtswissenschaft der Universität Trier hat gegen die geplante Änderung des § 6 JAPO eine Petition gestartet. Darin heißt es: „Ein weiterer großer Schritt in die falsche Richtung, indem wieder neue Probleme geschaffen werden, statt sich ernsthaft mit konstruktiven Lösungen zu einer wirklichen Reform des Jurastudiums auseinanderzusetzen.“ 

Gegenüber JURios gibt ein Vertreter des Fachschaftsrats der Uni Trier weiter zu bedenken: “Das Prüfungsamt legt seinem Vorhaben mitunter die Intention zugrunde, der Anzahl eingehender Rückfragen von Studierendenseite Einhalt zu gebieten. Die damit in Kauf genommene Belastungen der Examenskandidaten erscheint im Hinblick auf stetig sinkende Studierendenzahlen und im Ländervergleich zumindest unverhältnismäßig. Auch im Hinblick auf eine bundesweite Vereinheitlichung kann es nicht interessengerecht sein, sich der existierenden studierendenfeindlichsten Gegebenheiten als Maßstab zu bedienen um den Rest runterzudrücken.”

Erst vor kurzem hatte die bundesweite Streichung der Ruhetage im ersten juristischen Staatsexamen für Aufregung gesorgt. Anstatt das Jurastudium attraktiver zu machen, wird der große Druck, unter dem Jurastudierende deutschlandweit bereits stehen, durch derartige Änderungen noch verstärkt. Eine Umfrage des Bundesverbands rechtswissenschaftlicher Fachschaften von 2022 hatte ergeben, dass über zwei Drittel der befragten Studierenden ihr Studium mit Hinblick auf die psychische Belastung “eher nicht” oder “auf gar keinen Fall” weiterempfehlen würde.

“Blinde” Zweitkorrektur begrüßenswert

Zu begrüßen ist jedoch die geplante Einführung einer “blinden” Zweitkorrektur. Werden Klausuren von zwei unterschiedlichen Personen korrigiert, geht man automatisch davon aus, dass es sich um zwei “unabhängige” Korrekturen handelt und der oder die Zweitkorrektor:in das Ergebnis der ersten Korrektur nicht kennt. Doch dabei handelt es sich um einen viel verbreiteten Irrtum. 

In § 9 JAPO RLP heißt es dazu (ähnlich wie in anderen Bundesländern): “Jede Aufsichtsarbeit wird von zwei Prüferinnen oder Prüfern (Prüferpaar) bewertet. […] Der Zweitprüferin oder dem Zweitprüfer wird die Bewertung der Erstprüferin oder des Erstprüfers mitgeteilt. Weichen die zwei Bewertungen einer Aufsichtsarbeit um nicht mehr als 3,00 Punkte voneinander ab, so gilt die Durchschnittspunktzahl. Bei größeren Abweichungen setzt die Präsidentin oder der Präsident des Prüfungsamtes, eine von ihr oder ihm bestimmte Prüferin oder ein von ihr oder ihm bestimmter Prüfer die Punktzahl im Rahmen der abweichenden Bewertungen fest (Stichentscheid).”

Die offene Zweitkorrektur steht bereits seit Jahrzehnten in der Kritik, weil eine faire, unabhängige Korrektur auf diese Weise gerade nicht ermöglicht wird. Vielmehr greift hier psychologisch der sog. “Ankereffekt” (JURios berichtet). Dieser besagt: Menschen neigen dazu, sich in ihrer Entscheidung an einem vorgegebenen Vergleichswert („Anker“) – also einer Zahlenvorgabe – zu orientieren. Im vorliegenden Fall also der Notenvergabe des oder der Erstkorrektor:in. Die Juristin und Psychologin Alica Mohnert kommt deswegen zu dem Schluss: “Nur blinde Korrekturen sind faire Korrekturen.”

Zwar wird in der Begründung der Änderungsverordnung bestritten, dass eine verdeckte Zweitkorrektur zu objektiveren Ergebnissen führt, man erhofft sich durch die Einführung aber eine höhere Akzeptanz bei den Prüflingen. Dazu heißt es: “Aus den Kreisen der Prüflinge wird immer wieder die Rückkehr zur verdeckten Zweitkorrektur gefordert, da damit die Hoffnung auf eine objektivere Bewertung verbunden wird. Bei der offenen Zweitkorrektur sei die Versuchung für die Zweitprüferin oder den Zweitprüfer zu groß, sich zur Arbeitsersparnis einfach dem Erstvotum anzuschließen. Die offene Zweitkorrektur hat zu keinem Zeitpunkt die Zweitprüferin oder den Zweitprüfer von einer eigenständigen Bewertung entbunden. […] Mit der Wiedereinführung der verdeckten Zweitkorrektur soll die Akzeptanz der Korrektur in den staatlichen Prüfungen weiter gestärkt werden, was wiederum die Attraktivität des Examens in Rheinland-Pfalz steigern dürfte.”

Hürde für Zulassung zur mündlichen Prüfung gesenkt

Ein weiterer Pluspunkt der Reform ist die geplante Senkung der Hürde für die Zulassung zur mündlichen Prüfung im ersten und zweiten Staatsexamen. Bisher mussten mindestens drei Aufsichtsarbeiten aus zwei verschiedenen Pflichtfächern mit mindestens 4,0 Punkten bestanden werden und die Gesamtpunktzahl der schriftlichen Prüfung musste mindestens 24,00 Punkte betragen. Nur wer einen Gesamtnotendurchschnitt von mindestens 4,0 erreicht hatte, wurde zur mündlichen Prüfung zugelassen. Diese Hürde soll (so wie in vielen Bundesländern ebenfalls) auf 3,75 Punkte abgesenkt werden. Die Voraussetzung, dass die drei Aufsichtsarbeiten aus zwei verschiedenen Rechtsgebieten stammen müssen, entfällt ebenfalls.

Damit werden im Ergebnis mehr Prüflinge zur mündlichen Prüfung zugelassen als bisher. Auch Kandidat:innen, welche den Gesamtnotendurchschnitt von 4,0 knapp verfehlen, haben so eine Chance, sich in der mündlichen Prüfung zu verbessern und das erste Staatsexamen somit im Ergebnis zu bestehen. 

Die angedachte Reform in Rheinland-Pfalz ist für die Studierenden damit ein zweischneidiges Schwert. Zwar ist es verständlich, dass die Prüflinge ihren Markierungen nachtrauern, doch die Reform beinhaltet auch zwei wichtige Änderungen, welche für die Studierenden eine eindeutige Verbesserung ihrer Situation bedeutet.

Update: Rheinland-Pfalz kündigt Übergangsregelung an

Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) kündigte am 4. Mai eine Übergangsregelung für das heftig umstrittene Markierungsverbot an. Zwar soll die Reform tatsächlich am 1. August 2023 umgesetzt werden, für das neue Verbot von Markierungen in Gesetzestexten soll es aber eine Übergangsregelung bis 2024 geben.

Somit können diejenigen Examenskandidat:innen sowie Referendar:innen, die ihre Gesetze bereits besorgt und kommentiert haben, diese in der Herbstkampagne 2023 noch verwenden. Damit kommt das Justizministerium den Forderungen der Studierendenschaft und Interessenvertretungen nach.

Vom Markierungsverbot wolle man deswegen keinen Abstand nehmen, weil dieses einen großen Kontrollaufwand bedeute, der weder personell noch finanziell wirtschaftlich leistbar sei, so Herbert Mertin. Immer häufiger hätten sich in der Vergangenheit Prüflinge an das Justizprüfungsamt gewendet und um Kontrolle ihrer Markierungen gebeten.

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