Die mündliche Prüfung im ersten Staatsexamen: Wieso Du vor der mündlichen Prüfung in Jura keine Angst zu haben brauchst!

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Für viele Jurastudierende ist die Vorstellung, in einer mündlichen Prüfung über den gesamten Examensstoff abgefragt zu werden, purer Horror. Was, wenn mir die Definition der „Urkunde“ nicht einfällt? Was, wenn ich anfange zu stottern oder ein Blackout habe? Und wie sollte man sich am besten Kleiden? Gleichzeitig kursieren über die mündliche Prüfung im juristischen Staatsexamen viele Schreckensgeschichten, die Examenskandidat:innen zusätzlich verunsichern. Das muss aber nicht sein. Wir klären auf und legen dar, wieso Du vor der mündlichen Prüfung in Jura keine Angst zu haben brauchst!

Tipps fürs Jurastudium

Du hat es bereits geschafft!

Bevor Du zur mündlichen Prüfung antrittst, solltest Du Dir unbedingt eines vergegenwärtigen: Du hast es bereits geschafft! Du hast den schriftlichen Teil der ersten juristischen Staatsprüfung bestanden! Das ist ein Grund zur Freude. Und beweist, dass Du es drauf hast. Du hast es geschafft, Dir den gesamten examensrelevanten Stoff anzueignen und diesen unter großem Druck auf einen unbekannten Fall anzuwenden. Schlimmer kann es gar nicht mehr werden. Im Gegensatz zu den schriftlichen Klausuren, die sich über zwei Wochen ziehen und körperlich sowie psychisch extrem belastend sind, ist die mündliche Prüfung nach nur wenigen Stunden geschafft. Es gibt keinen Grund, wieso Du das eine mit Bravour meisterst, aber das andere nicht schaffen solltest.

Der Stoff sitzt!

An den ersten Punkt sollte sich direkt die Erkenntnis anschließen, dass der Stoff bereits sitzt. In der mündlichen Prüfung wird exakt das gleiche Wissen abgefragt, wie in den schriftlichen Klausuren. In der Vorbereitung für die mündliche Prüfung geht es also nur darum, den Prüfungsstoff, den Du sowieso schon verinnerlicht hast, nochmals zu wiederholen und in einem anderen „Setting“ abzurufen. Ja, sich plötzlich mündlich über den Examensstoff zu äußern und Fälle „live“ zu lösen, ist ungewohnt, nachdem Du die letzten fünf Jahre damit verbracht hast, Fälle im stillen Kämmerchen zu lösen. Deswegen solltest Du zumindest einmal einer „echten“ mündlichen Prüfung beigewohnt haben, damit Du weißt, was auf Dich zukommt. Außerdem solltest Du am besten an mehreren Prüfungssimulationen teilnehmen oder Dich zumindest von Kommiliton:innen mündlich abfragen lassen. So gewöhnt man sich daran, den bekannten Stoff in einem unbekannten „Setting“ abzurufen. Die restliche Zeit zwischen Ladung und mündlicher Prüfung kannst Du damit verbringen, den Examensstoff ganz entspannt zu wiederholen. Einen ersten Anhaltspunkt, was abgefragt werden könnte, geben Dir die Prüfungsprotokolle Deiner Prüfer:innen, die Du Dir vor der Mündlichen unbedingt ansehen solltest.

Kürzere, weniger komplexe Fälle

Klar ist aber auch, dass die Fälle in der mündlichen Prüfung deutlich kürzer ausfallen als in den schriftlichen Klausuren. Sie sind außerdem meistens einfacher und beinhalten weniger komplexe Probleme. Schließlich hat man in der mündlichen Prüfung keine fünf Stunden Zeit, den Fall zu lösen. Das ist auch den Prüfer:innen bekannt, welche die Fälle natürlich entsprechend anpassen. Grundsätzlich sollten die wichtigsten Prüfungsschemata und Definitionen natürlich „sitzen“. Die meisten Prüfer:innen legen darüber hinaus aber vor allem Wert darauf, dass mit dem Gesetz gearbeitet und die juristischen Auslegungsmethoden sauber verwendet werden. Sie wollen sehen, dass Du das „System“ verstanden hast und bei der Konfrontation mit einem unbekannten Sachverhalt einen kühlen Kopf bewahrst. Auf die „richtige“ Lösung kommt es dabei gar nicht an, sondern auf den Weg, der Dich zu einer vertretbaren Lösung bringt. Gehe deswegen Schritt für Schritt vor und zeige Deinen Prüfer:innen, was Du tust, indem Du „laut denkst“, also Deinen Entscheidungsweg offenlegst. Das ist schon die halbe Miete.

Nur 30 Prozent der Gesamtnote

Hinzu kommt, dass die mündliche Prüfung „nur“ 30 Prozent der Examensnote ausmacht. Je nach Standpunkt hört sich das fürchterlich viel oder eher wenig an. Zunächst solltest Du Dir bewusst machen, dass der größte Teil der Examensleistung bereits hinter Dir liegt. Du kannst mit der mündlichen Prüfung Deine Note im besten Fall noch leicht um ein bis maximal zwei Notenpunkte nach oben ziehen. Das ist vor allem für Jurastudierende interessant, die kurz unterhalb des Prädikats „steckengeblieben“ sind. Für sie stellt die mündliche Prüfung eine einmalige Chance dar, die neun Punkte doch noch zu erreichen.

Für Studierende im unteren Notenbereich bedeutet dies aber auch, dass es fast unmöglich ist, endgültig durchzufallen. Manchmal kann es Mut machen, auszurechnen, wie schlecht die Gesamtnote der mündlichen Prüfung ausfallen müsste, um Dich auf unter vier Punkte zu ziehen. Du wirst feststellen, dass das bei lediglich 30 Prozent sehr unrealistisch ist. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Du in der mündlichen Prüfung nur 1-2 Punkte erhältst, obwohl Du im schriftlichen Teil einen Schnitt von 4,x erreicht hast, ist völlig utopisch. Statistisch gesehen ist es sehr, sehr unwahrscheinlich auf Grund der mündlichen Prüfung das Staatsexamen insgesamt nicht zu bestehen. Dafür musst Du schon überhaupt nicht antreten oder überhaupt nichts sagen und deswegen 0 Punkte erhalten.

Keine Angst vor aktueller Politik & Rechtsprechung

Liest man Tipps im Internet zur mündlichen Prüfung, bekommt man leicht den Eindruck, dass man komplett aufgeschmissen ist, wenn man nicht jedes aktuelle BGH-Urteil der letzten 12 Monate auswendig kann. Das ist aber Quatsch. Ja, in der mündlichen Prüfung wird gerne lose an tagespolitisches Geschehen angeknüpft. Es kann also sein, dass Dir z.B. eine Frage zur Cannabis-Legalisierung der Ampel-Koalition gestellt wird. Diese aktuelle Tagespolitik stellt jedoch nur eine Einstiegsfrage dar. In der restlichen mündlichen Prüfung wird der Schwerpunkt auf der Lösung juristischer Sachverhalte mit dem üblichen juristischen Handwerkszeug liegen. Es reicht also, wenn Du einige Wochen vor Deiner mündlichen Prüfung die Nachrichten in einer überregionalen Tageszeitung sowie lto.de verfolgst.

Das gleiche gilt für aktuelle Rechtsprechung. Es gibt viele Verlage, die Zeitschriften mit Urteilsbesprechungen speziell für Examenskandidat:innen herausbringen. Sieh das nicht als „must-have“, sondern als nette Serviceleistung, die man sich (finanziell) vor der mündlichen Prüfung „gönnen“ kann, aber nicht muss. Es reicht genauso gut aus, die aller aller wichtigsten Urteile, die in den Monaten vor der mündlichen Prüfung entschieden wurde, mit Hilfe des Internets nochmals kurz zu wiederholen. Niemand verlangt von Dir, diese Urteile auswendigzulernen. Es genügt, dass Du grob weißt, wovon der oder die Prüfer:in spricht. Nutze dazu Seiten wie lto.de sowie die Website des BGH und des BVerfG.

Prüfungsangst? Bekommst Du in den Griff!

Es ist normal, Angst vor der mündlichen Prüfung zu haben. Eine gewisse Dosis an Respekt vor dem, was auf einen zukommt, ist sogar nützlich. Denn, wenn Du die Lage ernst nimmst, wirst Du Dich im Vorlauf zur mündlichen Prüfung gut vorbereiten. Und auch eine gewisse Nervosität am Prüfungstag selbst, kann helfen. Dein Körper schüttet Adrenalin aus, ist wach und konzentriert. Das alles sind grundsätzlich gute Voraussetzungen, um abgefragt zu werden.

Doch die Sorge vor der mündlichen Prüfung kann schnell in waschechte Prüfungsangst umschlagen. Im besten Fall hast Du bereits vor den schriftlichen Klausuren bemerkt, dass Du an „echter“ Prüfungsangst leidest und Dir professionelle Hilfe geholt. Beispielsweise bei der Studienberatung oder im Rahmen einer Psychotherapie. Wenn Du den schriftlichen Teil ohne professionelle Unterstützung gestemmt hast, wird Dir das vermutlich auch bei der mündlichen Prüfung gelingen. Es kann aber natürlich auch sein, dass Dir speziell die Mündliche Angst einflößt. Beispielsweise, weil Du anfängst zu stottern oder zu Blackouts neigst. Dann solltest Du nicht bis zuletzt warten, sondern Dir am besten direkt nach den schriftlichen Klausuren Hilfe holen. Aber auch diese Situation ist zu meistens. Beispielsweise, indem Du an möglichst vielen Prüfungssimulationen teilnimmst. Oder, indem Du auf psychologische „Tricks“ zurückgreifst und Dir z.B. Deine Prüfer:innen nackt vorstellst, um der Situation den Ernst zu nehmen. Alles, was hilft, ist erlaubt! Du schaffst das!

Prüfer:innen sind auch nur Menschen

Das Internet ist voll von Horror-Geschichten rund um die mündliche Prüfung. Beispielsweise soll ein Prüfer eine Kandidatin an die Tafel gebeten haben, wo sie vier Kreise (in der Anordnung von vier Herdplatten) zeichnen sollte. Das sei laut Prüfer der Ort, an den die Kandidatin gehöre. Derartigen Geschichten ist mit Skepsis („Geschichten aus dem Paulanergarten“) zu begegnen. Es ist wahrscheinlich, dass sie nie so stattgefunden haben und sich als „urban legends“ seit Jahrzehnten weiterverbreiten. Denn in Realität sind Prüfer:innen auch nur Menschen.

Damit ist gemeint, dass es kaum Prüfer:innen geben wird, die den Kandidat:innen tatsächlich „böses“ wollen. Niemand will, dass Du durchfällst. Niemand will Dir eine möglichst schlechte Note geben. Bestimmt gibt es unterschiedliche Typen von Prüfer:innen. Und zur Wahrheit gehört auch, dass es mit Sicherheit Professor:innen gibt, die besonders hohe Anforderungen an angehende Jurist:innen stellen und entsprechend streng prüfen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Deine Prüfungskommission ausschließlich aus gnadenlosen Monstern besteht, ist jedoch wirklich gering.

Gehe mit einem guten Gefühl in die Prüfung und sei Dir sicher, dass die Menschen, die Dir gegenübersitzen, Freude an gut begründeten Antworten haben und diese auch entsprechend mit Punkten honorieren werden. Viel Erfolg!

Unsere Rezension zum Skript von Alpmann Schmidt mit dem Titel “Die mündliche Prüfung im 1. Examen” findest Du hier: Rezension: Die mündliche Prüfung im 1. Examen (Skript)

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Antworten zur mündlichen Prüfung aus Sicht einer Prüferin findet Du hier: https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/

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