Die Bezeichnung eines Polizisten als „Herr Oberförster?“ ist keine Beleidigung

-Werbung-spot_imgspot_img

Schimpfwörter und Beleidigungen können manchmal höchst kurios sein. Beispielsweise Gesichtsgrätsche, Evolutionsbremse, Arschkrampe und Intelligenzallergiker. Doch kann auch die Bezeichnung als ‘Herr Oberförster’ eine Beleidigung sein? Ein wehleidiger Polizist meint: ja! Das Amtsgericht Tiergarten schloss sich dem jedoch nicht an.

Im zugrundeliegenden Fall rief ein Mann einem Polizisten, der gerade in Berlin-Marzahn eine Verkehrskontrolle durchführte, im Vorbeigehen zu: “Herr Oberförster, zum Wald geht es da lang!” Der Beamte sah sich dadurch in seiner Ehre verletzt. Die Staatsanwaltschaft Berlin wollte den Mann wegen Beleidigung nach § 185 StGB anklagen. Das Amtsgericht Tiergarten lehnte jedoch die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Es kam also nicht einmal zu einem Prozess.

Nützliche, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit

Einleitend führte das Gericht aus: „Nun versteht sich der ehrverletzende Charakter dieser Äußerung keineswegs von selbst, ist doch die Tätigkeit im Forstdienst etwa eines Bundeslandes für sich genommen kaum geeignet, den sittlichen, personalen oder sozialen Geltungswert einer Person infrage zu stellen, vielmehr dürfte es sich bei den dienstlichen Verrichtungen eines Försters in aller Regel um nützliche, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten handeln.“

Für die Frage, ob die Äußerung einen ehrverletzenden Inhalt habe, komme es laut Gericht nicht auf das persönliche Empfinden des Polizisten an. Vielmehr sei ein “verständiger Dritte” heranzuziehen. Und dieser würde sich hier nicht „in seinem Achtungsanspruch als Person beeinträchtigt sehen“. Dies könne sich auch nicht aus dem Zusatz ‘Ober’ ergeben, denn diese Bezeichnung erhalte ein Revierförster (Forstangestellter des gehobenen Dienstes) erst nach erfolgreicher 6-jähriger Tätigkeit. Ebenso würde sich ein verständiger Revierförster durch die Bezeichnung als ‘Oberkommissar’ gerade nicht in seinem Ehrgefühl gekränkt sehen.

Dumme, mäßig komische Bemerkung

Und auch einen Hieb in Richtung Staatsanwaltschaft konnte sich das Gericht nicht verkneifen: “Die Staatsanwaltschaft […] hat in ihrer Rückäußerung betont, nicht die Titulierung als ‘Oberförster’ allein stehe in Rede sondern die gesamte Äußerung ‘Herr Oberförster, zum Wald geht es da lang!’ sei eine strafbare Äußerung der Missachtung. Leider hat die Staatsanwaltschaft versäumt dem Gericht mitzuteilen, inwiefern die Bezugnahme auf den Wald bzw. die Richtung, in der dieser gelegen sei, der für sich nicht ehrverletzenden Äußerung des Angeschuldigten […] ehrverletzenden Charakter sollte verleihen können.“

Und weiter: „Es mag sein, dass sich nach einer kleinen Weile des Nachdenkens und Assoziierens mit dem Begriff Wald oder Holz Bezeichnungen oder Ausdrücke finden ließen, die, hätte der Angeschuldigte sie gebraucht, gewiss dem Tatbestand der Beleidigung unterfielen, indessen hat er dies nicht getan.“ Und selbst, wenn es in der Nähe der Verkehrskontrolle überhaupt keinen Wald gäbe, käme ein verständiger Dritter „mutmaßlich zu dem Schluss, dass es sich bei der Äußerung des Angeschuldigten um das handelt, was sie auch wirklich darstellt: eine dumme, allenfalls mäßig komische Bemerkung, der man keine weitere Bedeutung beimessen und Beachtung schenken sollte.“


Entscheidung: AG Tiergarten, Beschl. v. 26.05.2008, Az. (412 Ds) 2 Ju Js 186/08 (74/08) Jug, 412 Ds 74/08 Jug

-Werbung-

Ähnliche Artikel

Social Media

6,795FollowerFolgen
2,166FollowerFolgen
Download on the App Store
Jetzt bei Google Play
-Werbung-spot_img
-Werbung-

Letzte Artikel