550 Babys: Samenspender muss gestoppt werden – doch wie sieht es rechtlich aus?

Wer viel im Netz unterwegs ist, so wie ich, der kennt möglicherweise die Werbung für eine App, die den Familienstammbaum anzeigt. In dem Clip treffen sich zwei zunächst unbekannte Personen in einem Café in Island auf ein Date. Doch noch bevor sie sich groß unterhalten, packen sie ihre Handys aus, und schauen in die App, ob sie möglicherweise verwandt sind. Sie stellen fest, dass sie Cousins 2. Grades sind und gehen dann getrennte Wege – bis zum nächsten erweiterten Familientreffen jedenfalls.

Auf den ersten Blick klingt das witzig und auch irgendwie absurd. Doch in den Niederlanden besteht nun eine reelle Chance, dass sich sehr viele Halbgeschwister aus Versehen daten. Wie es dazu kommen konnte und was das für Konsequenzen hat, erfahrt ihr hier.

Die wirklich wichtigen Themen in Den Haag

In Den Haag wurde ein 41-jähriger Mann von einem Gericht im Eilverfahren dazu verurteilt, weitere Samenspenden in Zukunft zu unterlassen. Ein Verstoß zieht eine Strafe in Höhe von 100.000 Euro pro Spende mit sich. Kliniken, die die Samenspenden des Mannes noch nicht verwendet haben, wurden zudem angewiesen, die Spermien zu entsorgen. Geklagt hatten eine Mutter, die mittels künstlicher Befruchtung ein Kind von ihm bekommen hatte, und die Stiftung „Donorkind“. Der Mann hatte durch seine zahlreichen Spenden mindestens 550 Kinder gezeugt.

Um Inzest durch Halbgeschwister zu vermeiden, gibt es in den Niederlanden bestimmte Klinik-Guidelines, die die Samenspenden regulieren sollen. Demnach ist es verboten mehr als 25 Kinder in zwölf Familien zu zeugen. Der Mann durfte bereits seit 2017 keine Samenspenden mehr abgeben, da er bereits damals mehr als 100 Kinder gezeugt hatte. Das interessierte den Mann allerdings wenig, denn er bot seine Samenspenden nun privat online an. Der Mann hatte den Empfänger:innen die Unwahrheit über die Anzahl seiner Spenden und Kinder gesagt und die Empfänger:innen somit bewusst getäuscht.

Problematisch ist dies zum einen wegen der bereits genannten Inzest-Gefahr. Allerdings stehen die betroffenen Familien auch dem Problem gegenüber, dass sie nun ein Teil eines riesigen Halbgeschwister-Netzwerks sind. Die Familien wissen nicht voneinander und aufgrund von Datenschutz-Regelungen wird es schwer werden, alle Halbgeschwister zu finden. Des Weiteren könnten auch Identitätsfragen im Raum stehen.

Reproduktionsmedizin in Deutschland

In Deutschland sind Samenspenden grundsätzlich möglich. Nach dem Embryonenschutgesetz (ESchG) ist jedoch ein Verbot der Befruchtung zu einem anderen Zweck, als eine Schwangerschaft der Eizellspenderin verboten. Zudem ist auch eine Spende für eine Ersatzmutterschaft (umg: Leihmutterschaft) verboten. Begründet wird dies mit dem Würdeschutz des entstehenden Embryos und der Ersatz- bzw. Tragemutter. Der Embryo soll nicht als Ware gehandelt werden und die Ersatzmutter soll nicht zu einer „Gebärmaschine“ degradiert werden.

Seit 2018 gibt es auch das sog. Samenspenderregistergesetz (SaRegG). Darin ist geregelt, dass Personen, die durch eine Samenspende im Rahmen einer künstlichen Befruchtung gezeugt wurden, ihre Abstammung beim BfArM erfragen können. Das Gesetz befreit den Spender von möglichen Unterhalts-, Sorge- und Erbfällen.

Eine Eizellenspende ist in Deutschland allerding gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG strafbar. Damit soll eine „gespaltenen Mutterschaft“ zugunsten des prospektiven Kindeswohls verhindert werden. Durch eine Eizellenspende gäbe es nämlich zwei Mütter: zum einen die Eizellenspenderin, und die Frau, die das Kind gebärt. Ob das Argument heutzutage noch so stark ist, ist anzuzweifeln, immerhin gibt es gleichgeschlechtliche (Ehe-)Partner:innen, die gemeinsame Kinder, sei es durch Adoption und co., haben.

Damit kann man auch das nächste Argument entkräften, das häufig in die Diskussion geworfen wird. „Mater semper certa est“, das so viel heißt wie „die Mutter ist immer sicher“. Die Mutter des Kindes ist immer die, die auch das Kind geboren hat, so wurde es auch in § 1591 BGB festgehalten. Doch mit dem Fortschritt der Medizin und der Weiterentwicklung der Beziehungsmodelle werden die traditionellen Vorstellungen von der Mutterschaft immer weiter aufgeweicht. Die Problematik liegt in unserer starren Sichtweise. Ein Kind kann durch eine Adoption auch mehr als eine Mutter haben und das ist in Deutschland legal.

Identitätskonflikte sind mitunter ein Produkt mangelnder Aufklärung. Um diese zu vermeiden, ist der richtige Umgang mit den Themen Eizellen- und Samenspende, Adoption und Reproduktion nötig. Auch kleine Kinder können bereits altersgerecht aufgeklärt werden. Wichtig ist dabei, dass man den Kindern die Fakten beibringt und ihre Fragen wahrheitsgemäß beantwortet.

Zukunftspläne: Spenderregister

Um solche unschönen Situationen in Zukunft zu vermeiden, wird von verschiedensten Stiftungen ein zentrales Spenderregister für die Niederlande gefordert. So könnten sowohl Spender als auch Empfänger:in sicher sein, dass es eine maximale Anzahl an sog. „Spenderkindern“ gibt. Auch wenn es zunächst „nobel“ erscheint, kinderlosen Eltern einen Gefallen tun zu wollen, so kann das doch zu katastrophalen Folgen führen.

Zwar gibt es in Deutschland bereits das “Gesetz zur Errichtung eines Samenspenderregisters und zur Regelung der Auskunftserteilung über den Spender nach heterologer Verwendung von Samen” (SaRegG), das oben genannte ESchG und weitere die Reproduktionsmedizin betreffende Gesetze, allerdings besteht auch hier die Dringlichkeit zur Nachbesserung. Die Bundesärztekammer, sowie viele Jurist:innen und Mediziner:innen sind sich einig, dass die rechtliche Situation gebessert werden muss, um Strafbarkeiten zu vermeiden.

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