Ausstellung über NS-Verfolgung an der Juristischen Fakultät der HU-Berlin

Am 08. Mai 2023 wurde an der Humboldt-Universität zu Berlin eine Ausstellung zur NS-Verfolgung an der Juristischen Fakultät eröffnet. Eine Recherchegruppe hat rund sechs Monate Erkenntnisse zusammengetragen und präsentiert diese für vier Wochen auf 25 Tafeln im Foyer der Uni.

Am 10. Mai jährte sich die Bücherverbrennung auf dem Bebelplatz zum neunzigsten Mal. An dieser waren auch maßgeblich Studierende und Professoren der HU-Berlin beteiligt. Der Vorsitzende des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes, der die Bücherverbrennung maßgeblich organisierte? Ein Jurastudent der Juristischen Fakultät der HU-Berlin.

Welche Rolle die Juristische Fakultät bei der Diskriminierung, Entrechtung und Verfolgung im Nationalsozialismus spielte, das untersuchte die „Recherchegruppe zur Sichtbarmachung nationalsozialistischer Verfolgung an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin“.

Vier Themenfelder auf 25 Tafeln

So wurden jüdische Studierende, Promovierende und Professor:innen ab 1933 gezielt aus der Universität vertrieben. Auf insgesamt 25 Tafeln stellt die Recherchegruppe ihre Ergebnisse vor. Untersucht wurden vier Themenbereiche:

  • Biographische Forschung zu verfolgten Studierenden
  • Vertreibung des wissenschaftlichen Nachwuchses
  • Doppelte Diskriminierung von verfolgten Frauen
  • Verfolgung von Verwaltungsmitarbeitenden

Die Geschichte der Universität aus Sicht der Lehrenden ist dabei gut dokumentiert. Weniger bekannt ist, welche Rolle die Juristische Fakultät der HU-Berlin im Nationalsozialismus spielte. Denn auch Jurist:innen beschäftigen sich eher ungern mit der dunklen Seite ihrer Geschichte. Während NS-Juristen wie Heinrich Schönfelder und Otto Palandt trotz ihrer Einstellung bis vor wenigen Jahren als Namensgeber für Werke des C.H. Beck Verlags herhielten, ist über jüdische Richter:innen und Anwält:innen kaum etwas bekannt. Ihre Namen sind größtenteils in Vergessenheit geraten. Dabei standen die jüdischen Jurist:innen in ganz besonderer Weise im Fokus der NS-Propaganda und Verfolgung.

Doppelte Verfolgung jüdischer Juristinnen

Insgesamt standen 132 Studierende auf sog. Relegationslisten und wurden unter dem Vorwurf der kommunistischen, sozialistischen oder staatsfeindlichen Gesinnung vom Studium ausgeschlossen. Die Zahl derjenigen, die ihr Studium abbrechen mussten, dürfte jedoch deutlich höher gelegen haben. Denn insgesamt gab es an der HU-Berlin rund 450 jüdische Jurastudierende. Bei knapp 100 von ihnen konnte die Recherchegruppe Näheres über den weiteren Lebensweg herausfinden.

Als Beispiel für die doppelte Verfolgung jüdischer Juristinnen nennt Antonia Boehl (Doktorandin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie von Prof. Dr. Christoph Möllers) Martha Mosse: „Martha Mosse hat in Berlin studiert. Sie musste zuerst promovieren, bevor sie einen juristischen Abschluss machen durfte – das war vor 1922 typisch für Frauen. 1933 wurde sie als Jüdin aus ihrem Beruf entlassen und war ab 1939 in einer Gemeinde ausgerechnet dazu genötigt, Wohnungen zu arisieren. 1941 wurde sie nach Theresienstadt deportiert, konnte aber dort überleben.“

Denn Frauen, die seit 1922 die juristischen Staatsexamina ablegen durften, wurden nach 1933 als Juristinnen aus ihren Berufen verdrängt und entlassen. Das entsprach dem nationalsozialistischen „Ideal der deutschen Frau“. Viele überlebten die Zeit des Nationalsozialismus nicht.

Prof. Dr. Michael Wildt vom Institut für Geschichtswissenschaften der HU-Berlin verdeutlicht im Interview, dass es “eine lange Tradition nationalistischen, völkischen und antisemitischen Denkens an den deutschen Universitäten“ gab. Am 10. Mai eröffnete er die Ausstellung zum NS-Unrecht mit einem Vortrag. Das Grußwort hielt die HU-Präsidentin Prof. Dr. Julia von Blumenthal.

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Redaktion
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