Reiserecht: Stadtrundfahrt statt Musicalbesuch ist Minderungsgrund

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Sollte bei einem Ausflug ein Musicalbesuch stattfinden, der jedoch kurzfristig durch eine mehrstündige Stadtrundfahrt ersetzt wird, begründet dies einen Grund für die Minderung des Reisepreises. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH).

Ein Mann hatte über ein Reisebüro eine Busreise für elf Leute mit unbekanntem Ziel gebucht, die vom 13. bis 15 März 2020 stattfinden sollte. Als Überraschungsreise wurde sie als „Fahrt ins Blaue“ beworben und kostete inkl. Hotelübernachtungen 2.138 Euro.

Pauschalreiserecht anwendbar

Indem mindestens zwei verschiedene Reiseleistungen (Busfahrt und Hotelübernachtungen) gebucht wurden, handelte es sich bei der “Fahrt ins Blaue” gem. § 651a Abs. 2 S. 1 BGB um eine Pauschalreise, sodass das spezielle Pauschalreisevertragsrecht der §§ 651a ff. BGB anwendbar ist und das allgemeinere Werkvertragsrecht gem. §§ 631 ff. BGB grundsätzlich verdrängt wird.

Bei der Abfahrt wurde das Reiseprogramm verteilt. Es sollte vom Emsland nach Hamburg gehen. In Hamburg war ein Museumsbesuch mit Führung und eine große Hafenrundfahrt geplant. Als Höhepunkt war darüber hinaus ein Musicalbesuch des „Cirque du Soleil“ angekündigt. Entgegen aller Vorfreude der Reisenden wurde ihnen am Nachmittag jedoch mitgeteilt, dass diese Hauptattraktion – wegen der Corona-Pandemie – leider entfallen müsse. Stattdessen wurde eine dreistündige Stadtrundfahrt organisiert. Das ist ja fast dasselbe.

Auch der klagende Reisende fand, dass ein Musicalbesuch und eine Stadtrundfahrt wohl kaum gleichwertig seien und verlangte deshalb Minderung des Reisepreises nach § 651i Abs. 3 Nr. 6 BGB i.V.m. § 651m Abs. 2 S.1 BGB. Letztinstanzlich hatte er schließlich Erfolg.

Keine Konkretisierung zur Stückschuld

Anders als das Berufungsgericht nimmt der BGH nämlich nicht an, dass sich im vorliegenden Fall eine Gattungsschuld zu einer Stückschuld gem. § 243 Abs. 2 BGB konkretisiert habe. Bei einer Gattungsschuld müsste lediglich eine Busreise von mittlerer Art und Güte erfolgen, vgl. § 243 Abs. 1 BGB. Nach dem BGH können Reiseleistungen zwar grundsätzlich Gegenstand einer Gattungsschuld sein, aber eben nur unter der Voraussetzung das eine Leistung nach mittlerer Art und Güte bestimmt werden kann.

„Letzteres ist nur dann möglich, wenn die als gattungsgemäß in Frage kommenden Leistungen durch gemeinsame Merkmale gekennzeichnet sind und sich dadurch von Gegenständen anderer Art abheben. Bei lediglich mit “Fahrt ins Blaue” bezeichneten Reiseleistungen fehlt es an gattungsbildenden Merkmalen, die die Aussonderung eines Leistungsgegenstandes mittlerer Art und Güte erlauben.“

Leistungsbestimmungsrecht vereinbart

Grundsätzlich steht dem Reiseveranstalter allerdings gem. § 315 Abs. 1 BGB ein Leistungsbestimmungsrecht zu, weil vereinbart wurde, dass es sich für den Reisenden um eine “Überraschungsreise” handeln solle. Wenn eine Überraschungsreise als Busreise gebucht wird, ist der Reiseveranstalter fast gänzlich frei in seiner Leistungsbestimmung. Lediglich der gebuchte Reisezeitraum und die Reise mit dem Bus sind bereits bestimmt. Die Bestimmung des Reiseziels erfolgt gem. § 315 Abs. 2 BGB durch Erklärung gegenüber dem Vertragspartner, den Reisenden.

Bei Antritt der Reise wurde den Urlaubern das Reiseprogramm mit der Überschrift „Ihr persönliches Reiseprogramm“ ausgehändigt. Dies konkretisiere die Leistung, so der BGH. „Diese Mitteilung bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie vorläufigen Charakter hat und einzelne Programmpunkte und insbesondere der Reisehöhepunkt noch austauschbar sein sollten. Bei verständiger Würdigung aus Empfängersicht konnte und durfte die Mitteilung vielmehr als Festlegung des zuvor noch unbestimmten Inhalts der gebuchten “Fahrt ins Blaue” aufgefasst werden.“

Mit der Aushändigung des Ablaufplans hat der Reiseveranstalter die Leistung konkretisiert. Als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ist diese auch unwiderruflich, so der BGH. Dem Urteil zufolge ist der Wegfall des Musical-Besuchs ein Reisemangel, der eine Minderung des Reisepreises rechtfertigt. Die durchgeführte Stadtrundfahrt sieht auch der BGH nicht als gleichwertige Leistung zum Musicalbesuch an.

Examensrelevanz: *****


LG Osnabrück, Urt. v. 28.01.2022, Az. 4 S 197/21
BGH, Urt. v. 14.02.2023, Az. X ZR 18/22

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Florentine Scheffel
Florentine Scheffel
Rechtsreferendarin in Thüringen.

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